Cardi [13]

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Ein hoch auf Rebekah

Julien und Dimitri kamen gehetzt durch die Tür in mein Wohnzimmer, alle anderen waren bereits vor einer halben Stunde eingetroffen. Wir hatten vor eine kleine nachträgliche Hochzeitsparty für Rebekah und Rick zu schmeißen, welche gerade zusammen auf der Terrasse standen und einer Freundin von ihren Flitterwochen erzählten. Strafend sah ich Julien an, umarmte ihn zur Begrüßung aber trotzdem und mahnte ihn leise:
»Ihr seid zu spät.«
»Dima ist Schuld.« antwortete dieser schnell und sein Begleiter rollte genervt mit den Augen. Natürlich wusste ich, dass Dima nicht wirklich Schuld war, sondern Julien, der sich einfach lang genug vor Rebekah drücken wollte. Warum Dima ihm dabei geholfen hatte, war mir nicht klar. Laut meinem letzten Stand waren die beiden noch verstritten, was mein Gefühl jedoch widerlegte. Sie schienen ganz normal drauf zu sein.

»Wo sind die beiden denn?« fragte mich Dima und sah sich im Raum um. Ich ging voraus und er folgte mir auch, nur Julien blieb mit verschränkten Armen an Ort und Stelle stehe. So ein Kleinkind, dachte ich und seufzte genervt, während Dima zischte:
»Komm schon!«
»Ich hab keinen Bock auf Stress, man...«
»Dann hättest du nicht weggehen dürfen. Komm jetzt.« warf ich schnippisch dazwischen. Dieses Theater war absolut unberechtigt, dachte ich zuerst, doch dann erinnerte ich mich an Dima's Reaktion auf sein Comeback und konnte ihn plötzlich gut verstehen. Wenn Rebekah nur halb so drastisch reagierte, wäre das schon ziemlich heftig. Widerwillig und doch erhobenen Hauptes folgte er mir auf die Terrasse, die an meine kleine Wohnung grenzte. Dort stand Rebekah lachend, mit strohblonden Haaren und gut gebräunter Haut. Der Urlaub hatte ihr sichtlich gut getan und ich war froh ihr in der Zeit nicht erzählt zu haben, dass Julien wieder zurück war. Ich grinste sie fröhlich an und sagte:
»Ich hab ein paar Überraschungsgäste.«
»Nochmal Alles Gute, Ihr beiden!« rief Dima lachend und drückte die Blondine fest, die aufgeregt ein unmenschliches Quietschen von sich gab. Sie fragte verwundert:
»Warum hast du dich nicht gemeldet? Und... du siehst gut aus! Ich meine, du hast keine Augenringe mehr!«
Dima antwortete grinsend:
»Hab zur Abwechslung Mal geschlafen. Ihr müsst mir unbedingt erzählen, wie es war!«
»Du glaubst es nicht, wir haben in Kuba...« begann Rebekah begeistert, doch dann sah sie Julien. Diesen Moment würde ich nie vergessen, nicht die Überraschung in Rebekahs und die Angst in Juliens Gesicht, nicht die interessierten Blicke von Dima und mir. Julien räusperte sich nach vielen merkwürdig ruhigen Sekunden und sagte:
»Alles Gute nachträglich.«
Dann folgte das Unfassbare.

Rebekah stürmte auf Julien los und schloss ihn so fest in die Arme, dass er einen Ausfallschritt nach hinten machen musste. Ich hatte wirklich mit vielem gerechnet, aber niemals mit einer Umarmung.
»Ich kann nicht glauben, dass du hier bist.« murmelte sie leise und seufzte zufrieden. Sie fragte ihn nicht wo er war oder warum er wieder hier war. Sie verknüpfte nur schnell genug, dass auch Dima neben ihm stand und schmunzelte. Rick fragte ebenfalls überrascht:
»Seit wann bist du wieder hier?«
»Fünf oder sechs Wochen, glaube ich.« antwortete Julien überfordert und warf mir irritierte Blicke zu. Ich verstand seine Zeichen. Er dachte, Rebekah wollte ihn töten, doch dem war offensichtlich nicht so. Sie löste sich langsam von ihm atmete tief durch und schüttelte grinsend die Augen. Sie wirkte nichtmehr so aufgedreht, sondern ziemlich entspannt. Aber, wie mir aufgefallen war wirkte jeder Mensch in Juliens Nähe entspannt. Er hatte eine besondere Aura, was das betrifft.
»Mit dir hätte ich wirklich nicht gerechnet. Aber wo ist Felix? Mit ihm hab ich sicher gerechnet. Kommt er später?« fragte Rebekah irritiert vor sich hin. Reflexartig warf Dima dem belustigten Julien einen warnenden Blick zu, der meiner besten Freundin natürlich auffiel.

»Was ist los?« fragte sie Dima. Er antwortete prompt und ehrlich:
»Wir haben uns getrennt. Es lief einfach nicht mehr so gut zwischen uns.«
Dann wanderten Rebekahs klare blaue Augen misstrauisch zu Julien, musterte seinen Körper von oben bis unten. Er rief:
»Hey! Damit habe ich nichts zu tun!«
»Natürlich nicht.« entgegnete sie ironisch. »Haben die sich getrennt bevor du gekommen bist, oder danach?«
»Danach.« antwortete Dima. »Aber es liegt wirklich nicht an ihm.«
Er schielte zu Julien rüber, doch das konnte nur ich sehen. Er log, ganz offensichtlich. Doch Rebekah merkte, wie die Welt aus den Fugen geraten war und rief:
»Da lässt man euch ein paar Wochen allein und plötzlich geht die Welt unter! Der eine taucht plötzlich wieder auf, der andere macht mit seinem Freund Schluss und die letzte datet einen neuen Typen, den ich nicht mal kenne.«
»Beschwer dich nicht.« konterte Julien. »Als ich wieder kam war mein Ex-Freund mit meinem ehemaligen Arbeitskollegen zusammen, meine beste Freundin verheiratet, die andere hatte lila Haare und plötzlich schwirrt ein Bulle in meinem Freundeskreis rum. Mein Weltbild war tot.«
Wir lachten alle über diese übertriebene Darstellung und Dima schenkte seinem Ex-Freund einen leicht schuldigen Blick.
»Meine Haare sehen total gut aus!« beschwerte ich mich gespielt beleidigt. Rebekah runzelte die Stirn und antwortete:
»Julien hat auch einfach keinen Geschmack, Süße.«
»Hab ich wohl. Ich bin sogar sehr wählerisch.« entgegnete er.
»Naja.« warf Dima dazwischen und provozierte seinen besten Freund damit natürlich gewollt. Er raunte:
»Sei du lieber still, sonst wähle ich dich als nächstes.«

»Seid ihr also doch wieder zusammen?« fragte Rick irritiert und brachte mich mit seiner Unschuld zum lachen. Misstrauisch starrten Julien und Dimitri einander an.
»Ich hoffe inständig, dass wir nicht so wirken.« gab Julien zurück.
»Das war kein nein.« feixte Rebekah.
Dima rollte mit den Augen und meinte:
»Natürlich sind wir nicht zusammen. Hätte ich sonst das Bedürfnis ihn schlagen zu wollen, egal wo er steht?«
»Vielleicht solltest du deine Aggressionen in Griff kriegen, bevor du wieder jemandem den Schädel zertrümmerst.« entgegnete Julien frech.
»Wenn der jenige mein Leben sabotiert, will ich mich keineswegs zurück halten.
»Solltest du aber, falls derjenige einen Kronkorken als Verlobungsring akzeptiert.«
»Fick dich.«
»Hurensohn.«
»Okay,« begann ich friedlich und stellte mich genau zwischen die beiden Streithähne, als Rebekah nur noch fassungslos zu ihnen blickte, »Ich glaube, wir fahren jetzt lieber. In fünf Minuten geht's los!«
Nicht mal ich hatte die Diskussion wirklich verstanden, doch ich wusste, Julien spielte auf die Aktion nach der Trennung von Dima und Felix an. Länger machte ich mir aber keinen Kopf darüber und schob sie einfach durch die Tür. Ich koordinierte von da an den Abend weiter, ohne mich an den beiden zu stören.

»Felix kommt doch.« erzählte mir Alim plötzlich. »Er ist schon da, mit ein paar anderen.«
Ich sah Dima nervös auf der Lippe kauen, doch das ignorierte ich. Es drehte sich nicht immer alles nur um ihn. Heute war Rebekahs Abend, nur sie und Rick standen im Vordergrund. Es sollte eine gemütliche Runde werden, mit ein bisschen Alkohol und Musik in meiner Bar. Natürlich war es später ziemlich voll, doch das hatte ich mit einberechnet. Bis dahin sollten wir alle einfach schon so voll sein, dass es uns nicht mehr interessierte. Einen Abend zu finden, an welchem alle Zeit hatten, war sowieso ziemlich schwierig gewesen. Aber es hatte geklappt und jetzt sollte niemand das versauen.
Im Auto erzählte mir Julien leise, dass Dima und er sich momentan sehr gut verstanden. Zwar auf freundschaftlicher Ebene, aber er hatte das Gefühl, das Vertrauen baue sich wieder auf. Ich freute mich wirklich darüber, denn die beiden hatten es mehr als jeder andere verdient wieder glücklich zu sein. Ob das jetzt durch eine Freundschaft definiert wurde oder durch mehr war mir in den Moment herzlich egal.

Auch später in der Bar war all der Ärger vergessen und wir amüsierten uns prächtig. Ich war sogar ziemlich stolz auf mich und entspannte mich zusätzlich, als Juri sich zu mir gesellte.
»Na, läuft alles glatt?« fragte er und klaute mir eine Zigarette. Ich grinste und antwortete wie eine Mutter:
»Passt schon. Die Kleinen benehmen sich alle ganz gut.«
»Naja,« raunte Juri leise, »meine Lieblingskandidaten sind beide schon dicht.«
»Julez und Dima?«
Er lachte und murmelte wohlwissend:
»Viel besser. Felix und Dima.«
»Das wird wohl noch ein sehr interessanter Abend.« raunte ich geheimnisvoll und warf einen kurzen Blick auf Dima, der sich mit Rebekah unterhielt. Ab und zu sah ich, wie Felix ihn ansah. Wütend? Nein, eher frustriert. Es tat mir leid für ihn, auch wenn ich von Anfang an wusste, dass die beiden nie zusammen gepasst haben. Für so eine zickige Furie wie Dima brauchte man ein Gegengewicht. Eine Person, die sein Temperament und seine Sprunghaftigkeit gut händeln konnte und sich nicht davon abschrecken ließ. Felix erfüllte leider kaum diese Vorraussetzungen. Er war zu gutherzig. Felix kann solche Menschen nicht gut genug fest halten, auch wenn er sie noch so liebte.

»Ich glaube an der Bar brauch Kelce deine Hilfe...« murmelte Juri wehleidig. Ich drückte ihm einen Kuss auf den Mund und sagte:
»Dann gehe ich Mal.«
»Aber du hast frei!«
»Das ist mein Job und meine Bar, Sweety. Ich habe keine Lust darauf, dass mein Personal kündigt.« antwortete ich seufzend und machte mich nur mäßig gut gelaunt auf den Weg zur Theke.

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Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt