Cardi [16]

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Cocaine

Ich lag bäuchlings auf Dima's großer, weißer Couch und betrachtete wie jedes Mal die wunderschönen Hochhäuser. Das ich diesen Anblick noch genießen durfte, war mir früher nie in die Fantasie gekommen. Dennoch fühlte es ich verdammt gut an, wieder hier zu sein. Dimitri und ich verbrachten viel zu wenig Zeit miteinander.
»Schon was neues von Julez?« fragte ich verträumt und zählte die Fenster vom Hochhaus gegenüber. Mich wunderte es stark, wie hell Manhatten mitten in der Nacht noch war. Alles glänzte und funkelte in verschiedenen Farben, sogar das MetLife Gebäude war noch voll beleuchtet. In meinen Augen war das wunderschön. Dima antwortete meiner Frage ziemlich wage, mit einem bissigen Unterton:
»Keine Ahnung, wahrscheinlich noch unterwegs. Feiern. Habe länger nicht mehr mit ihm gesprochen.«
»Ist irgendwas zwischen euch passiert? Habt ihr euch gestritten?« fragte ich, doch ich bekam keine Antwort.
»Dimi?«
Noch immer redete er nicht, weswegen ich mich umdrehte und ihn gedankenverloren im Stuhl sitzen sah. Er bemerkte meinen Blick und fragte:
»Was?«

»Worüber denkst du nach?« fragte ich verwirrt und sah direkt an seinem Gesicht, dass etwas nicht stimmte. Er blinzelte und sagte dann:
»Keine Ahnung. Ist nicht so mein Tag heute.«
»Das sagst du fast jeden Tag. Ist es wegen Julien?«
»Es geht nicht immer nur um Julien.«
»Dann geht es um dich.«
Er schloss die Augen und stützte seinen Kopf in die Hände. Momentan hatte er zwar keine Ups und Downs mehr, aber er war ständig angespannt und nachdenklich, als würde er etwas bereuen. Langsam schien er sich jedoch zu öffnen und erklärte:
»Julez hat mich in eine Situation gebracht, aus der ich nicht so schnell wieder raus komme. Wir haben darüber gestritten und mit der Zeit glaube ich, dass ich im Unrecht war. Wenn ich ihm das aber so sagen würde...«
»Was dann?« fragte ich einfühlsam, aber auch neugierig. Er fuhr leise fort:
»Dann würde er das total falsch verstehen. Obwohl, vielleicht versteht er es richtig, aber ich will nicht, dass er es weiß. Diese Bestätigung gönne ich ihm nicht. Nicht für das, was er mir angetan hat.«
Ich konnte in seinen Augen die Verzweiflung sehen und verstand langsam, worum es hier eigentlich ging. Dimitri will Julien nicht die Genugtuung geben, dass er Gefühle für ihn hat, auch wenn er sich nicht dagegen wehren kann, weil er ihm nicht mehr vertrauen kann.

»Vielleicht ist es an der Zeit zu verzeihen.« schlug ich vor, doch er machte keine Anstalten dem nachzugehen, im Gegenteil. Verständnislos sah er mich an und meinte vorwurfsvoll:
»Wie soll ich ihm etwas verzeihen, was ich bis heute nicht verstehe?«
»Dann bring ihn dazu es dir zu erklären. Wenn das einer schafft, dann bist das wohl du. Julien vertraut dir.« erklärte ich sanft und schenkte ihm ein kleines Lächeln, damit er sich vielleicht nicht so schrecklich fühlte. Ich war vielleicht schlecht im trösten, aber für einen guten Rat immer für meine Freunde da.
»Das ist alles Schwachsinn. Kaum ist er wieder hier, geht mein Leben den Bach runter.« fauchte mein Gegenüber verbittert.
»Sieh es doch mal anders: Seitdem er hier ist hast du viel mehr Spaß als vorher. Du bist wieder du selbst.« antwortete ich und kicherte. »Mit eurer Freundschaft + Aktion...«
»Hat er dir wirklich davon erzählt?« fragte Dima ebenfalls schmunzelnd, als würde er sich selbst dafür ein wenig schämen. Ich nickte und versuchte aus seinem Gesicht zu lesen, was er gerade fühlte.

Wir hörten, wie jemand den Aufzug betrat und Dima drückte einen Knopf mit dem Kommentar:
»Ist bestimmt Bekka.«
Der Aufzug fuhr hoch, wir widmeten uns wieder der Skyline und träumten ein wenig vor uns hin. Dimitri und ich sind uns ziemlich ähnlich, abgesehen davon, dass ich mein ganzes Leben lang hart gearbeitet habe. Julez und Dima wissen garnicht wie gut sie es  eigentlich haben.
»Hey Leute!« rief Julien plötzlich extrem gut gelaunt und wanderte über den Flur bis zu mir ins Wohnzimmer. Dima setzte einen misstrauischen Blick auf und fragte:
»Wolltest du nicht feiern?«
»Nö.« antwortete der Italiener grinsend. »Hab' dich angelogen, wollte nicht, dass du mir auf die Eier gehst.«
Geschockt sah ich ihn an. Dima versuchte seine Gleichgültigkeit zu bewahren, doch er war traurig, das wusste ich.
»Ich habe Fieber, leute. Dima, wahrscheinlich hast du dich dann selbst angesteckt. Was ein Müll. Ich muss Montag wieder arbeiten.« redete Julien unentwegt und ausschließlich mit sich selbst. Sein übertriebener Redefluss machte mich ein wenig stutzig. Er klang nicht besoffen, bewegte sich auch nicht so. Seine Füße trugen ihn in die Küche.

Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt