Julien [13.3]

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Geweckt wurde ich durch die blassen Sonnenstrahlen, die durch die Fensterfront in mein Bett fielen. Nach mehrmaligem Blinzeln gelang es mir die Augen zu öffnen und das Geschehene von gestern bei Dima's Anblick revue passieren zu lassen. Ich erinnerte mich an meine krankhafte Eifersucht und Felix, der mir beinahe das nehmen wollte, was schon immer mir gehörte. Beschämt stellte ich fest wie besessen ich von dem Mann neben mir eigentlich bin und wie sehr ich mir wünsche wieder seins zu sein. Mir tat es immernoch schrecklich leid und ich wünschte, das wäre alles nicht geschehen. Jetzt lagen wir hier, nackt, unter einer Decke und mussten gleich wieder darüber reden, dass es uns nichts bedeutet hat und es nur ein Ausrutscher war, während mein Herz wieder wie wild zu klopfen begann. Tief im Innern wünschte ich, er würde mich einfach verstehen.

Seine braunen Haare waren wirr und strähnig, aber nicht wirklich fettig. Ich konnte die wunderschönen weichen Lippen sehen, die von einem leichten Bartansatz umrandet wurden und fragte mich, wie ein Mann so hübsch sein kann. Im selben Moment fing ich innerlich von meinem eigenen Geschwärme an zu kotzen. Leute, die so dachten, habe ich in den letzten Jahren gelernt zu meiden, denn nichts und niemand war perfekt. Aber Dima war wirklich verdammt nah dran. Alles was mich störte war, dass er meine Gefühle entweder nicht bemerkte oder gekonnt ignorierte. Ich hatte verlernt ihn einzuschätzen, weil ich ihn mit anderen Augen sah. Ich war noch nie wirklich verliebt, sondern habe Dima von Anfang an so geliebt, wie ich es nunmal gewohnt war und wie ich es von mir verlangt habe. Aber seine neue Art und die Umstände machten mich zu einem schmachtenden Opfer. Ein Opfer ohne Verstand, ohne freien Willen oder Selbstkontrolle, ohne Entscheidungsfreiheit und einer ganzen Menge rosaner Zuckerwatte im Kopf.

Vorsichtig schob ich meine Hand unter der Decke hervor und ließ meine Fingerkuppen über seine Hand streichen, die direkt vor mir lag. Sie zuckte kurz und ich schreckte leicht zurück, doch er schlief immernoch seelenruhig. Meine Hand glitt weiter zu seinem Gesicht, wo ich federleicht meine Fingerkuppen über seine Wange gleiten ließ. Es fühlte sich so gut an, dass es mir ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte. Ich dachte mir, was ist nur aus dir geworden, Dima? Was ist nur aus mir geworden? Was hast du mit mir gemacht? Und trotzdem genoss ich seine Nähe einfach. Es machte süchtig.
Sanft strich ich eine Strähne aus seinem Gesicht und legte meine Hand an seine Wange. Dima bewegte sich leicht in meine Richtung, seufzte und schien meine Berührungen zu genießen. Vorsichtig zog ich meine Hand wieder weg und zwang mich nichts falsches in die Situation zu interpretieren und schloss die Augen.

»Ich weiß, dass du wach bist.« brummte Dima leise und stupste meine Hand an. Ich grinste, öffnete die Augen und sah ihn ebenfalls Schmunzeln. Ich war zu weit gegangen, das war mir sicherlich bewusst. Aber wie immer war es für mich leichter einfach das zu nehmen, was mir gefiel, ohne Rücksicht auf irgendwen. Warum bekam ich bei diesem Gedanken das Gefühl, dass mein Gegenüber genauso handelte? Machte er etwas nicht einfach das, was er wollte? Doch, dachte ich zynisch, das tat er. Dadurch konnte ich ein bisschen mein Gewissen beruhigen, auch wenn ich Dimas Ansichten noch nicht genau kannte. Noch konnte ich nicht deuten, wie er die Situation einschätzte, bis er vorschlug:
»Was hältst du davon heute einfach Mal im Bett zu bleiben. Ich kann sowieso nicht laufen, dank dir.«
Ich grinste. Sorgfältig schob ich mein Kissen zurecht, legte mich seitlich hin und sah Dima an, der zurück starrte. Nach einigen Sekunden fragte er unverblümt:
»Warum hast du Felix gestern geschlagen?«
»Was soll ich gemacht haben?« fragte ich gespielt unwissend und er warf mir einen bösen Blick zu.
»Du weißt genau, wen ich meine. Ich finde es übrigens scheiße, dass wir so früh gefahren sind. Ich wollte noch einen bestimmten Typen aus der Bar mit nach Hause nehmen, für eine Nacht. Das hast du mir verbaut.« meinte er ernst und ich nickte, wobei ich keinen Funken Reue spürte, im Gegenteil. Ich war erfüllt mit Stolz.

»Ich habe Felix zurück gehalten, weil er aggressiv wurde. Und willst du mir sagen, du hast keine bessere Alternative für diese Nacht gekriegt?« fragte ich und erwartete eine schlagfertige Antwort, doch auch er geriet ins Stocken. Triumphierend beobachtete ich ihn dabei, bis er schließlich sagte:
»Dazu sage ich nichts.«
Verbittert ließ sich Dima zurück in die Matratze fallen und massierte mit geschlossenen Augen seine Schläfen. Offensichtlich plagten ihn Kopfschmerzen vom Alkohol und ich spürte Schadenfreude in mir aufkommen. Gequält stöhnte er:
»Verdammt, warum kann sowas nicht einfach nüchtern passieren.«
»Weil du es sonst nicht mehr auf den Alkohol schieben und dich damit besser fühlen könntest.« antwortete ich prompt. Es kam einfach so aus mir raus, ehe ich darüber nachdenken konnte. Mein ehemaliger bester Freund stützte sich auf, sah mir angriffslustig in die Augen und fragte bissig:
»Was sollte das denn heißen?«
»Du wirst dank des Alkohols eine Ausrede für das zwischen uns haben und gleichzeitig eine Freifahrtkarte, um es schlecht zu reden. Zumindest so lange bis ich dir sage, dass du es genossen hast. Und zwar extrem.«
Er hielt sich offensichtlich mit den Beleidigungen zurück, während seine Augen nur vor Wut trieften. Dima war schon immer ein Mensch, der solche Situationen nicht mochte, weil er nie besonders gut dabei weg kam, selbst wenn er log.
»Ich weiß, dass ich's genossen habe.« brummte er.

Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt