Dima [16.2]

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Als Cardi ging wollte ich auch Julien in sein Bett bringen. Er wirkte auf mich jedoch so bei Sinnen, das ich ihn einfach in den Fahrstuhl schob und darauf hoffte, dass er dort auch ankam.
In meinem eigenen Bett wälzte ich mich die ganze Zeit hin und her, glücklicherweise musste ich morgen nicht zur Arbeit, sonst wären meine Augenringe tiefer als der Grand Canyon gewesen. Die Stunden vergingen, es wurde später und später, doch meine Gedanken ließen mir keine Ruhe. Sie drehten sich um meine Arbeit, wichtige Meetings, aber hauptsächlich nur um Julien und mich. Ich verstand mich selbst nicht mehr, genauso wenig wie ich ihn verstand. Schließlich setzte ich mich auf und schaltete das kleine Licht an, welches den dunklen Raum ein wenig ansehnlicher erscheinen ließ. Meine ganze Wohnung kam mir so trostlos vor, vielleicht lag das aber auch nur an meiner generellen Stimmung.

Gerade als ich nach meinem Handy auf dem Nachtschränkchen greifen wollte, hörte ich in meiner Küche das Klimpern von Geschirr. Wenn nicht gerade jemand in mein Haus eingebrochen war, sollte das wohl Julien sein. Gähnend stand ich auf, verschränkte leicht fröstelnd die Arme und machte mich auf den Weg dahin, wo die Geräusche her kamen.
»Hey.« murmelte ich, als ich leise in die Küche kam und meinen besten Freund am Fenster stehen sah. Er hielt ein Glas Wasser in der Hand und wirkte angespannt. Vielleicht durchlebte er gerade wieder das Down, was auf ein Hoch immer folgte. Leise brummte er:
»Was machst du hier?«
»Das ist mein Haus.« antwortete ich und öffnete den Kühlschrank, um mir eine Dose Cola zu nehmen, die mir Bridget letzte Woche gekauft hatte. Gespielt unwissend fragte ich:
»Warum kannst du nicht schlafen?«
»Entzug.« brummte er. »Mir tut alles weh.« Ein leichtes Mitleidsgefühl breitete sich in mir aus und brachte mich dazu, mich indirekt um ihn zu kümmern.
»Hast du dir schon einen Kaffee gemacht?«
»Coffein macht alles nur noch schlimmer.«
»Tabletten?«
»Helfen nicht. Ich muss da einfach durch. Tu nicht so, als würdest du mir wirklich helfen wollen, Dimitri. Ich komme alleine klar.« erklärte er mir dezent gereizt und nippte an seinem Glas. Ich wollte mich empört gegen seine Worte wehren, ließ dabei aber aus Versehen eine Gabel fallen, die noch auf der Anrichte lag. Julien schreckte so scharf zusammen, dass er fast umfiel und umklammerte mit weißen Knöcheln die Holzplatte.

»So langsam finde ich das echt amüsant.« gab ich zu und hob die Gabel wieder auf.
»Halt die Klappe.« antwortete Julien traurig und ließ den Kopf hängen. Die Wirkung ließ nach, jetzt kam der Teil, bei dem andere Menschen sich noch eine Line nachlegten. Julien hatte aber keinen Stoff dafür.
»Komm schon, du bist doch nicht zum ersten Mal auf Koks. Leg dich ins Bett und schlaf.« sagte ich, er schüttelte den Kopf.
»Ich halluziniere.«
»Gute Nacht.« meinte ich genervt und nahm mir einen Löffel aus der Schublade, neben der Julien stand, um einen zwei Tage alten, geöffneten Joghurt zu Essen. Seitdem wir beiden uns gestritten hatten blieb mir nunmal niemand, der für mich Kochte. Was würde ich in dem Moment nur alles tun, um ein bisschen von Juliens selbstgemachten Pesto zu essen...
»Hier. Essen hilft immer.« sagte ich unverblümt und hielt meinem Ex einen Löffel mit Pudding vor den Mund. Vorerst hatte ich keine bedenken dabei und meinte das nur gut, doch dann sah mir Julien so tief in die Augen dabei, dass mir unangenehm warm wurde. Seine Ausstrahlung fesselte mich sehr, es brachte mich sogar leicht zum grinsen. Julien raunte ebenfalls schmunzelnd:
»Du weißt, ich hasse Vanillejoghurt.«
Ich zwinkerte und vergaß dabei, wie sehr ich gerade mit ihm flirtete. Es half ihm offensichtlich seine Symptome zu vergessen, zumindest für einen Moment. Ich legte den Löffel und den Pudding weg und sagte:
»Schlaf gut, Julez. Wir sehen uns morgen früh?«

»Ja,« meinte er gedankenverloren und ziemlich deprimiert, »bis morgen früh.«
Ich wollte nicht gehen. In seinen Augen konnte ich eine Art Angst sehen, die ich nicht kannte, und doch ließ sie mich schuldig fühlen. Ich sagte leise:
»Es tut mir leid wegen letzter Woche. Ich hätte dich nicht so anmotzen sollen.«
»Quatsch, du hattest doch Recht. Ich bin nicht befugt mich in dein Leben oder deine Gefühle einzumischen.« brummte er und sah wieder an mir vorbei. Ich fühlte mich wahrscheinlich nur schlecht, weil er eigentlich derjenige war, der Recht hatte und nicht ich. Da war irgendwas zwischen uns, was ich in manchen Situationen zu verdrängen versuchte. Jetzt war ich der Grund dafür, dass er sich selbst die Schuld gab. Es war der perfekte Moment ihm das zu gestehen, doch ich wartete noch ab. In meinem Kopf war alles wirr und unsicher.

Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt