Dima [21.2]

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Seelenruhig war ich im Land der Träume versunken, und das schon seit vielen Stunden. Dennoch wachte ich irgendwann leider auf, durch einen kalten Luftzug oder einfach meine innere Uhr, die sich gegen meinen viel zu früh eingesetzten Schlaf wehren wollte. Ich roch irgendwas leckeres. Entweder von McDonald's oder Tacobell. Ich lag unter einer schön warmen Decke und hörte ein paar Stimmen. Sie klangen, als kämen sie aus einem Handy oder Tablet. Julien hatte sich wohl eine Serie angemacht.

Bei dem Gedanken, dass ich ihm sein Bett gestohlen hatte, fühlte ich mich miserabel und öffnete direkt die Augen, um so schnell wie möglich zu verschwinden.
»Guten Morgen, Dornröschen.« brummte Julien und schob sich eine Pommes in den Mund. Seine Augen waren starr auf den Bildschirm gerichtet, den er eiskalt an meinem Bauch aufgestellt hatte. Als ich das sah, grinste ich und rieb mir verschlafen die Augen. Ich fragte ihn kratzig:
»Wie viel Uhr?«
»Halb neun.«
»Scheiße man,« murmelte ich und richtete mich eher schlecht als recht auf, »ich muss nach Hause.«
Draußen war mäßig dunkel. Natürlich, es war gerade Mitte März. Der fünfzehnte, um genau zu sein. Und in zwei Tagen hatte ich Geburtstag. Scheiße, dachte ich, ich habe mir noch gar nichts überlegt! Vielleicht sollte ich einfach nicht feiern. Immerhin wurde ich erst 28. Ich bin ziemlich alt geworden. Julien sagte leise:
»Wenn du dich bewegst, fällt das Tablet um. Also bleib wo du bist.«
»Ich hätte nicht hier einschlafen dürfen! Warum hast du mich nicht geweckt?« warf ich ihm vor und schob die Decke zur Seite, was die ganze Wärme mit einem Mal von mir weg gleiten ließ. Frierend schlang ich die Arme um meinen auskühlenden Körper.
»Du siehst süß aus, wenn du schläfst. Und außerdem hast du nicht gut geschlafen und ich dachte, bei mir kannst du's vielleicht besser.« antwortete Julien und hielt mir eine Pommes hin. Widerwillig nahm ich sie an mich und kaute lustlos auf ihr herum.

»Hat eine Schwester mich gesehen?« fragte ich, ohne die Antwort wirklich wissen zu wollen. Julien nickte und erzählte:
»Die Azubi ist reingekommen und wollte dich erst wecken, aber ich habe ihr gesagt, dass der Arzt mir Bewegung verschrieben hat. Daraufhin hat sie einfach nur gegrinst und ist wieder gegangen.«
»Gott, wie peinlich.« murrte ich in die Hände, die ich beschämt vor mein Gesicht hielt. »Jetzt ist mein Schlafrhythmus total im Arsch!«
»Du legst dich Zuhause einfach wieder hin und schläfst weiter.«
»Das geht nicht.« meinte ich. »Ich kann Zuhause nicht gut schlafen. Und mir ist verdammt kalt. Fuck, man!«
Julien sah mich vielsagend an, brachte jedoch keinen Ton hervor. Er wusste genau, dass ich nicht gut schlafen konnte, wenn er hier in diesem Krankenhaus verrottete. Es machte mich verrückt nicht zu wissen, ob es ihm wirklich gut ging. Seufzend stand er auf, legte seine Pommes weg und ging ein wenig unbeholfen zum Schrank, um einen ungefalteten Hoodie heraus zu kramen. Er warf ihn mir zu und ich zog ihn über mein Shirt, ohne einen Kommentar. Mir wurde endlich ein wenig wärmer und Julien setzte sich neben mich auf die Bettkante, wobei sein Gesichtsausdruck sich kurz schmerzlich verzog.
»Ich weiß, dass das alles gerade viel zu viel für dich ist. Aber du solltest dich daran gewöhnen, dass ich nicht mehr da bin, genau wie ich mich daran gewöhnen muss, dass du nicht mehr da bist. Okay?«
»Nein,« sagte ich kalt, »das ist nicht Okay. Überhaupt nichts ist Okay.«
Ich sah ihn nicht an, wollte seinen Blick nicht sehen. Und dennoch brauchte ich seine Nähe mehr denn je. Kurz darauf spürte ich, wie er nach meiner Hand griff und sie in seiner einschloss. Er sagte:
»Sieh mich an.«
Ich kam dieser Forderung nur widerwillig nach, mein Blick war auch dementsprechend. Eigentlich wollte ich ihn nicht ansehen, denn das Gesicht, was ich so sehr liebte, würde mich umbringen, wenn es nicht mehr da war. Meine Gedanken spielten sich wieder auf, schaukelten sich hoch bis zu dem Punkt, an dem plötzlich Stille war und Julien seine Lippen ganz leicht auf meine drückte.

Wie gut fühlte es sich an das wieder zu tun, diese Lippen wieder zu spüren. Sie schmeckten zwar salzig durch die Pommes und waren, weil er noch krank war, nicht besonders weich, aber niemand auf dieser Welt küsste so gut wie Julien. Der Kuss war so eigenartig gefühlvoll, dass es mich fast anwiderte. Es war kein typischer First Kiss, kein heißes rummachen, aber auch keine Spielerei. Es war so schön, so echt und genau so, wie ich es wollte. Julien küsste mich zwar etwas später mit Zunge und dominierte das so stark, dass ich nichtmal dagegen ankämpfen wollte, doch er blieb dabei immer gelassen und ruhig. Selbst in der Zeit, in der wir atmen mussten berührten sich unsere Lippen noch spärlich. Schlussendlich schlang ich sogar meine Arme um seinen Hals, um ihn näher bei mir zu haben. Seine Hände wanderten geschickt an meine Hüften und hielten mich fest, als hätte er Angst ich wollte entfliehen. Doch das wollte ich nicht, im Gegenteil. Ich genoss das zu sehr. Mehr, als ich sollte, denn ich musste mich eigentlich ja daran gewöhnen, das nicht mehr zu kriegen. Vielleicht nie mehr.

Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt