Julien/Dima [9]

78 5 0
                                    

Glück im Unglück

In den nächsten Sekunden spürte ich nur, wie das Holz mit meinem Kopf kollidierte und ich noch garnicht richtig verstand, was hier gerade vor sich ging. Dima redete zwar mit einer enormen Angst auf mich ein, doch ich konnte kein Wort verstehen. Seine linke Hand wollte mir wohl irgendwie helfen, doch ich reagierte schnell und blockte sie aus Panik in der Luft, indem ich sie fest hielt und mit pochenden Schmerzen versuchte, möglichst noch gimpflich aus der Sache raus zu kommen. Ich sah alles verschwommen und versuchte dennoch meinen Angreifer unter Kontrolle zu bringen.

Damit er sich nicht mehr bewegen konnte drückte ich seine Handgelenke gegen die kalte Wand, ebenso lehnte ich mich gegen seinen gesamten Körper. Er war unglaublich stark geworden und durchaus in der Verfassung mich fertig zu machen. Immer wieder wehrte er sich und meine Sicht verschwamm vor meinen Augen, die sich durch den Schmerz am Hinterkopf mit Tränen füllten. Dennoch vergoss ich keine Träne und pinnte Dimitri an die Wand, solange bis er endlich aufhörte sich zu wehren und mir panisch unklare Worte zurief. So langsam konnte ich auch wieder klar denken, sehen und hören, was mich erkennen ließ, dass sich auf der Wange meines Ex-Freundes ein ganzer Wasserfall an Tränen befand. Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum ging er wie eine Furie auf mich los? Ich konnte mir nicht erklären, weshalb er so sauer auf mich sein könnte. Immer wieder hörte ich ihn ausdrucksvoll zischen:
»Julien, du brauchst einen Arzt! Lass mich los!«

»Was?!« gab ich überfordert zurück, währendessen er sich wieder gegen mich stämmte und wehrte. Um ehrlich zu sein kostete es mich eine ungeheure Energie seinen Bewegung stand zu halten, es wirkte fast schon so, als wäre er stärker als ich geworden. Nur nicht so ausdauernd, das hieß nach ein paar weiteren Sekunden oder Minuten gab er auf. Unsere Gesichter waren uns so nah, dass ich Angst hatte, er würde mir direkt ins Gesicht spucken. Seinen Körper konnte er nicht mehr bewegen und als ich die Situation unter Kontrolle hatte sagte ich drohend:
»Wenn du jetzt wieder auf mich los gehst, bist du tot.«
Er antwortete nicht. Er schloss nur die Augen und flehte mich an, ich solle auf meine Verlegung achten. Ich erkannte Dimitri einfach nicht wieder, er benahm sich wie ein böser Zwilling oder die typischen Borderliner, die sich mitten in der Nacht bei Cardi in der Bar zu Tode besauften.

Mein Griff lockerte sich und langsam begannen vor meinen Augen schwarze Flecken zu tanzen. Der Schmerz pochte wie verrückt, ich konnte in meinen Ohren mein Blut rauschen hören und bemerkte meine flache und schnelle Atmung erst viel zu spät. Ich wanderte langsam rückwärts um mich an der weißen Couch abstützen zu können und spürte das Blut aus der Wunde treten. Als ich es mit den Fingern aufwischte, wollte mir Dima näher kommen, doch ich drückte ihn weg. Mein Magen drehte sich um, mir wurde übel, ich sah das Blut an meinen Händen und geriet in Panik. Zumindest innerlich, denn wirklich bewegen konnte ich mich nicht. Die Welt um mich herum war trüb und grell zugleich, keine Grenzen waren definiert. Ich wusste genau, dass das kein gutes Ende nehmen wurde und murmelte:
»Ruf keinen Krankenwagen. Mir geht's gut.«
Die Drogen, die ich in letzter Zeit zu mir genommen hatte, waren noch durchaus nachweisbar. Deswegen wäre ein Krankenhaus nur eine weitere Möglichkeit, mich in den Knast zurück zu bringen. Ich rutschte auf die Knie, versuchte mich noch zu halten, doch spätestens als Dima mich beschützend festhielt kippte ich direkt in seine Arme und atmete nurnoch flach. Ich spürte eine Hand auf meiner Wange, doch es half nichts. Schwarze Punkte breiteten sich auf meinem Blickfeld aus.
»Bleib wach, Julien.« meinte Dima immer wieder. »Bleib bei mir, hörst du?«

##

Geschockt musste ich mit ansehen, wie der Mann in meinen Armen weg dämmerte. Es war meine Schuld. Das plagte mich in dem Moment am meisten. Und ich hatte Angst ihn so sehr verletzt zu haben, dass er starb. An einer Platzwunde am Kopf konnte man nur schwer sterben, doch in meinem aufgewühlten Hirn war alles möglich. Ich atmete schwer, drehte Julien auf die Seite und versuchte die Tränen zurück zu halten. Heute war nun wirklich nicht mein Tag, nicht im geringsten.

Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt