Dima [17.2]

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Wütend stiefelte ich in meine Wohnung. Warum war Julien nie mit dem zufrieden was er hatte? Ich gab ihm die Möglichkeit meinen Körper zu benutzen, ohne sich dafür schlecht fühlen zu müssen. Ich gab meinen inneren Konflikt mit mir auf, um in seiner Nähe zu sein. Ihm das zu geben, was ich ihm nach all dem Strapazen schuldig war. Und wie dankte er es mir?
Er warf mir vor ihn für meine Gefühle auszunutzen. Dabei war ich der festen Überzeugung gewesen, dass es ihm so gefiel. Mindestens genauso gut wie mir.

Als ich mich im Spiegel ansah, liefen Tränen über meine Wangen. Meine Augen brannten wie die Wut in mir, ein loderndes Feuer. Undankbarkeit, ich hasste sie. Ich spürte den Riss in meinem Herzen, in der klaffenden Wunde, die Julien vor Monaten dort hinterlassen hatte. Sie begann gerade zu heilen, Stück für Stück, wuchs stärker zusammen als jemals zuvor. Alles war doch eigentlich gut, so wie es sein sollte.
Harsch wischte ich die Tränen weg und griff nach meinem Handy. Wer konnte sich mit mir betrinken, während ich der Person mein Herz ausschütte? Rebekah war Arbeiten und Julien würde gleich bestimmt zu Belcalis fahren, das hieß, die beiden konnte ich nicht dazu bringen. Juri war vermutlich bei Cardi, Alim mit Nora unterwegs, wenn er Dienst hatte. Wenn nicht, würde ich aber sowieso nicht mit ihm sprechen wollen. Er würde mich nicht verstehen. Als letzten Ausweg blieb dann nur noch Felix. Mein Ex-Freund? Julien hatte ihn geschlagen. Für mich. Ich hatte Felix so abgefüllt und provoziert, dass dies geschehen ist. Aber er würde mich verstehen, da war ich mir sicher. Und zusätzlich wischte ich Julien eins aus.

Kaum zwei Stunden später klingelte ich an seiner Tür. Ohne Vorwarnung, ohne plausiblen Grund. Meine Haare hingen tropfnass in meiner Stirn und meine Kleidung klebte an mir, denn es regnete in Strömen und ich war, komischerweise, hier her gelaufen. Ich brauchte eine Abkühlung und einen freien Kopf. Den hatte ich jetzt.
»Guten Abend.« meinte Felix verwirrt und lehnte sich gegen den Türrahmen. Es regnete so stark, dass ich ihn kaum verstand. Seine Augen schienen wach in meine zu starren, ich konnte das unverwechselbare Blau nie übersehen. Das Blau, welches mich niemals angelogen hatte und es auch niemals tun würde.
»Hey.« antwortete ich kleinlaut und schluckte. »Hast du einen Moment?«
»Wofür?« fragte er misstrauisch. Er ließ mich unwohl fühlen, mit jeder Sekunde die zwischen uns verstrich. Ich antwortete:
»Ich muss mich betrinken.«
Ein unverwechselbares Lachen ließ seine weißen Zähne aufblitzen. Ohne umschweife drehte er sich um, schnaubte verächtlich und schloss die Tür vor meiner Nase. Naja, er versuchte es zumindest, doch ich schob meinen Fuß zwischen die Tür.
»Lass mich rein,« flehte ich verzweifelt, »bitte. Ich weiß nicht wohin.«
»Du hast drei Immobilien, und-«
»Alle sind leer. Ich muss mit irgendwem reden, und es ist mir scheiß egal mit wem. Jetzt lass mich rein!« ergänzte ich seine Feststellung und plötzlich löste sich der Druck von der Tür.

Die Wohnung, in die ich nun trat, kannte ich in und auswendig. Ich zog Schuhe und Jacke aus, wanderte durch den Flur und sah mir alles nochmal an. So lange war ich schon nicht mehr hier gewesen. Oder war es wirklich so lang? Nein, nur zwei oder drei Monate. Kein Bild, was mich zeigte, hing an den Wänden. Ich war vollends aus seinem Leben verschwunden. Das beruhigte mich.
»Vodka?« fragte er leise und drückte mir ein Glas mit kristallklarer Flüssigkeit in die Rechte Hand. Zusammen sahen wir auf die Pinnwand, an der viele Fotos hingen. Von ihm und seiner Schwester, von mir und ihm als Freunde, und ein Bild von ihm und Julien. Verwirrt hob ich es hervor und fragte:
»Hang das schon immer dort?«
»Ja.« sagte er und nickte. »Du hast es nur nie bemerkt. Glücklicherweise«
Seufzend ging ich an ihm vorbei ins Wohnzimmer und setzte mich auf die Couch. Felix folgte mir, immernoch nicht wirklich begeistert von meiner Anwesenheit. Als er aber bemerkte, dass mich etwas bedrückte, schmolz seine harte Schale zu einer zähflüssigen Masse.

»Nun sag schon,« forderte er prompt, »was führt dich an den Ort, an welchem du vermutlich am wenigsten erwünscht bist?«
Ohne eine Miene zu verziehen nahm ich einen Schluck aus dem Glas. Es verbrannte meine Kehle zwar, tat mir jedoch auch unglaublich gut. Ich sagte ihm:
»Ich bin sauer. Eine Person ist mir gegenüber undankbar.«
»Und diese Person weiß das?«
»Tief im Innern bestimmt.« entgegnete ich achselnzuckend. »Aber alles was die Person tut ist... stempeln.«
Felix lachte kurz und fragte: »Wie bitte?«
»Die Person klatscht auf alles und jeden einen Stempel, will alles irgendwie definieren und legt plötzlich wert auf Regeln und sowas.« zischte ich. »Er will mir Dinge verbieten, die er will, nur um mir eins auszuwischen. Er will mich leiden sehen. Er provoziert mich.«
Mein Gegenüber antwortete ernst:
»Ich bezweifle, dass das wirklich so ist. Reden wir von Julien?«
Ich nickte bloß und trank wieder.
»Dann sag ihm doch, wie du das siehst. Oder vielleicht sagst du mir erstmal, wie du das siehst.« schlug er vor.
»Er tut so, als würde ich ihn ausnutzen. Dabei benutzt er mich doch! Das ist zwar gewollt, aber-«
»Ich komm nicht mehr mit.« murmelte Felix und nahm ebenfalls einen großen Schluck. Daraufhin verzog er das Gesicht, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte. Ich betrachtete ihn dabei. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen?

Trouble | [Escape 2] SunDiegoXJuliensblogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt