Kapitel 14

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Kurz bevor Satans wortwörtliche Teufelsklaue mich erreichen konnte, wurde ich von jemanden nach hinten gezogen. Während Luzifer sich Satan in den Weg stellte, drückte mich Foras fest an seine Brust. Verdattert von der plötzlichen Körpernähe stützte ich mich mit meinen Händen von dem breiten männlichen Brustkorb ab. Er roch herb und etwas salzig. Ich fragte mich, woher seine vielen Narben kamen, da sein Körper nur so von ihnen überseht war. Während seine gesamte rechte Gesichtshälfte ein fleischiges Gemetzel war, waren die Narben auf seiner Brust weiße dünne Striemen. Ich erinnerte mich an ein gestriges Gespräch mit ihm. Foras hatte mir etwas über Dämonen erklärt. Unter anderem, dass Nina eine Schlangenbeschwörerin war und als babylonische Göttin angesehen wurde. Er selbst war ein Naturdämon oder Elementargeist, aber auch der Präsident der unhimmlischen Engel, was auch immer dies zu bedeuten hatte. Es klang wichtig. An wichtige Leute, egal von welcher Spezies, kam man nur schwer ran und genau das machte diese Narben umso kurioser. In einem Kampf war er bestimmt nicht leicht zu besiegen. Allein seine Arme waren so breit wie mein Torso. Ich konnte nur hoffen, nie dem Ungeheuer, welches Foras verunstaltet hatte, zu begegnen, denn es musste ein äußerst schreckliches sein.
„Na, na, wir wollen doch nicht voreilig Handeln" riss mich Luzifers dunkle Stimme aus meinen Gedanken. Er klang ziemlich gelassen.
Wenn eines feststand, dann dass er sie nicht mehr alle hatte. Mit ihm lief auf so vielen Ebenen etwas gewaltig falsch.
„Ich muss wohl erwähnen, dass sie unter meinen besonderen Schutz steht. Willst du ihren Tod lehnst du dich automatisch gegen mich auf." erklärte er Satan, welcher für meinen Geschmack noch immer zu dicht an uns stand.
Ich wandte mich unter Foras Klammergriff, was sich schwerer herausstellte als gedacht und starrte Luzifer schließlich gefühlt ein Loch in den Rücken. Auf einmal war erneut ein lauter Knall, als würde etwas explodieren,  welcher den Boden zu beben brachte zu hören. Ninas Schlangen zischten empört neben uns auf. Oculus hob seinen großen eisblauen Schädel und schlängelte sich hoch in die Luft. Aus dem Augenwinkel heraus, konnte ich beobachten, dass Nina etwas in einer mir unbekannten Sprache murmelte auf das die Reptilien reagierte. Waren es zuvor mit Oculus fünf Schlangen, welche sich um den Körper der Dämonenfrau neben mir gewickelt hatten, windeten sich mittlerweile locker um die fünfzehn. Die blaue Viper kroch letztendlich drohend von Nina herunter, machte somit den kleineren Schlangen platz und platzierte sich imposant vor Luzifer. Ich kreischte kurz auf, da sich unter mir mehrere Schuppenkriechtiere hindurch wandten. Sie kamen aus dem Nichts.
„Wieso sollte mich das interessieren?" lachte der Befehlshaber der Hölle alles andere als amüsiert auf. Sein arktisches Lachen machte dem von Luzifer ohne wenn und aber Konkurrenz.
„In letzter Zeit scheinen wohl alle zu vergessen wer ich bin." Luzifer schnalzte mit seiner Zunge, ehe er sich nach mir umdrehte, meinen Arm packte und mich unsanft auf seine Seite zog. Erschrocken wäre ich fast über eine Schlange gestolpert.
 Er sprach mit folgenden Worten weiter: „Ist sie nicht wunderschön?" pausierend strich er mir über die Wange. „Mit ihr werde ich noch viel Spaß haben und du willst mir meinen Spaß nicht nehmen, denn sonst sehe ich mich verpflichtet dir dein Spielzeug zu entziehen. Wie man es bei einem bockigen unfähigen Sprössling macht." Kaum hatte er fertig gesprochen, gab er mich auch schon frei und schubste mich wieder hinter sich.
Foras war so nett mich aufzufangen. In mir kochte Wut nur so über. Er schubste mich nicht nur hin und her, sprach auch noch über mich als wäre ich seine persönliche Prostituierte.
„Weißt du eigentlich, was du dir mit ihr angelacht hast? Welche Folgen dies mit sich ziehen könnte?" Satans Stimme, in der eindeutig noch Zorn mitschwang, klang ermüdet und ich meinte ihn am Ende sogar Seufzen zuhören.
Von welchen Folgen er sprach wusste ich nicht. Streng genommen wusste ich sowieso nichts. Meine heutige Aufgabe bestand darin mich still neben den anderen zu zeigen. Falls Luzifer mir eine Frage stellte, sollte ich bedacht antworten. Was auch immer er darunter verstand.
„Natürlich, ich weiß alles." Was ein eingebildeter Mistkerl.
„Der Wahnsinn hat dich befallen, Luzifer. Sag mir, hast du vor was ich denke, denn dann bist selbst du ein Verdammter."
Darauf antwortete Luzifer erst nach wenigen Minuten des Schweigens. „Lassen wir doch Fia deine Frage beantworten. Liebes, was liebe ich?"
Perplex warf ich Foras einen unsicheren Blick zu, welcher darauf energisch nickte, ehe ich wieder den durchtrainierten Rücken vor mir anstarrte.
Zögerlich antwortete ich: „Chaos?"
Abermals war Satans lachen zuhören. Wir würden wohl nicht so schnell gemeinsam einen Tee trinken und dazu Kuchen essen.
„Fia? Das ist ihr Name?" Heiter sprach er folgend weiter: „Dunkler Friede? Mir stellt sich die Frage was Inanna gehofft hatte zu erreichen."
Hier war etwas faul und mein Bauchgefühl verriet mir, dass ich schleunigst das Weite suchen sollte. Noch nie war ich so verirrt. Der Name Inanna sagte mir nichts, doch ergriff mich eine Welle diffuser Gefühle. Mein Gehirn begann zu rattern. Satan und Luzifer waren doch etwas Bedeutendes. Luzifer bestand sogar aus dem göttlichen Licht. Es wäre also nicht abwegig, wenn sie meine Mutter kannten. Zumindest bei Luzifer. Er hatte sich bestimmt über mich informiert aber Satan? Nein das alles ergab keinen Sinn. Ich war nicht die einzige die Fia hieß. Immerhin sprach Satan von dieser Inanna als würde er sie kennen.
„Ihr Name und dessen Bedeutung spielt keine Rolle. Sie gab dir eine Antwort auf deine in Gedanken formulierte Frage." Die Art wie Luzifer sprach verriet, dass mein Name anscheinend doch eine Bedeutung in diesem ganzen Tumult hatte. Er bellte regelrecht.
Oculus drehte sich schlagartig in meine Richtung. Er neigte seinen Kopf und funkelte mich aus seinen rot leuchtenden Augen wissend an. Konnte er meine Gedanken lesen und erkennen welcher Wirrwarr in mir herrschte? Sendete er meine gelesenen Gedanken zu Nina, denn auch sie sah mich unheimlich an, bevor sie sich wieder auf Satan konzentrierte. Ihn konnte ich nicht sehen. Luzifer und Nina hatten eine Mauer vor Foras und mir gebildet. Wobei Foras so groß war, dass er über die beiden Blicken konnte. 
„Interessant. Der dunkle Friede weiß nicht einmal wer sie wirklich ist. Weiß nicht von ihren Eltern und der ihr bevorstehenden Zukunft? Luzifer deine Ambitionen sind mir ehrlich ein Rätsel. Du solltest besser als wir alle wissen, dass dein „Chaos" unwiderruflich zur Vernichtung allem führen könnte." seine Stimme wurde zu Ende hin immer lauter bis er erzürnt schrie.
Luzifers Körper begann zu beben.
Momentmal, also wussten sie wer meine Eltern waren? Das Gefühl, welches sich in mir entflammte kannte ich nicht. Es war eine sich widersprechende Regung.
Natürlich hatte ich mich als Kind gefragt, woher ich komme. Wer meine Eltern waren und wieso sie sich gegen mich entschieden hatte. Doch desto älter ich wurde, umso weniger hatte ich mich damit beschäftigt. Am Ende spielte es keine Rolle. Sie wollten mich nicht. Nichtsdestotrotz brachte die Einsicht, dass jemand wusste wer sie waren, alle Gefühle in mir hoch. Mein Herz begann schnell zuschlagen. Ich drohte in Ohnmacht zufallen. Zum tausendsten Mal fragte ich mich, was hier vorging. Das alles klang mehr als beunruhigend. Luzifers Reaktion machte es umso schlimmer, denn wenn er auf das Gesprochene angespannt reagierte, konnte es nur wichtig sein. Und er wollte nicht, dass ich etwas wusste. Ich wollte zum Sprechen ansetzten, musste einfach erfahren was Satan meinte. Allerdings sah mich die Schlangenbeschwörerin, welche sich zu mir gedreht hatte, mahnend aus ihren gruseligen trüben Augen an, die wie es scheint noch trüber geworden waren. Auf der Stelle schloss ich meinen Mund. Stattdessen betrachtete ich Foras und versuchte ihm wortlos meine Frage mitzuteilen. Ihm konnte ich später vielleicht eine Antwort aus der Nase ziehen. Wissen weiter zugeben war, wie ich schon festgestellt hatte, sein Schwachpunkt. Er genoss es mir Sachen zu erklären und das wollte ich Ausnutzen. Foras schien wohl zu wissen, worauf ich hinaus möchte, denn einer seiner Mundwinkel zuckte, bevor er bestimmt den Kopf schüttelte und damit meine Zuversicht zerstörte.
„Wähle deine Worte bedacht. Meine Ziele stehen fest und du willst mir nicht in die Quere kommen, mein Freund," sprach Luzifer ruhig, wobei das Wort Freund bei ihm klang wie etwas sehr Schlechtes.
Er war eine tickende Bombe, die kurz vor der Explosion stand. Etwas was Satan preisgegeben hatte ging ihm wohl durch den Strich. Bis jetzt hatte sich seine Grausamkeit in meiner Nähe in Grenzen gehalten. Meine Bestrafung war nur eine kleine Kostprobe von dem was er machen konnte und diese hatte mich fast zerstört. Etwas in mir war wohl auch daran zerbrochen. Umso weniger wollte ich das volle Maß seines Zorns und Brutalität erleben. Manche Sachen sollten einfach besser unwissend bleiben. Ich sammelte meinen ganzen Mut zusammen, schüttelte Foras Hand, welche fest auf meiner Schulter ruhte ab und ging die wenigen Schritte nach vorne. Verwundert, dass Nina mich diesmal nicht mit ihrem Blick erdolchte, wahrscheinlich hoffte sie, dass ich mich damit selbst umbringen würde, berührte ich Luzifer. Da ich wusste, dass er meine Gedanken ebenfalls lesen konnte, hatte ich fest damit gerechnet, dass er wusste was ich vorhatte. Doch seine Reaktion auf meine Berührung war alles andere wie erwartet.
 Er zuckte erschrocken zusammen und drehte seinen Kopf ruckartig in meine Richtung. Sofort zogen mich seine Augen in einen Bann. Sie strahlten so hell wie noch nie, als bestünden sie nur aus Licht. Ich konnte nicht sagen welche Farbe sie hatten so rein glitzerten sie. Es war auf eine verstörende Art unglaublich schön. Sein wilder Ausdruck legte sich bis seine Augen in den mir bekannten Goldtönen schimmerten. Allerdings funkelte noch immer eine gewisse Bereitschaft, alles zu zerstören, in ihnen. Luzifer runzelte seine Stirn, legte den Kopf schief und sah mich so intensiv an, dass mein Herz stockte. Er schien irgendetwas in meinen Augen zu suchen. Etwas was er anscheinend nicht fand, denn er schüttelte, seine Augen schließend, nur seinen Kopf. Wie ich es tat, wenn ich einen Gedanken loswerden wollte.
 Es war die Stimme Satans, die uns in die Gegenwart zurückholte: „Was willst du nicht, dass diese Missgeburt weiß, dass sie..."
Das Ende seines Satzes konnte ich nicht verstehen, da Luzifer eine gewaltige Energiewelle aussandte. Ich hörte ein lautes Grollen und wusste, dass es nur von einem schweren Körper stammen konnte, welcher gegen etwas geschleudert worden war. Als nächstes schien sich alles zu drehen. In meinen Kopf entstand ein starker Druck, der mir einen Schrei entlockte.

 Dann wurde alles schwarz.

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt