Kapitel 21

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Ich ließ meine Füße im Wasser des Bachs baumeln und lauschte mit geschlossenen Augen den Vögeln. Ihr Gesang beruhigte mich. Alles hier sah märchenhaft aus, erinnerte mich an einen alten Disney Film. Mir war bewusst, dass dies ein Traum war und doch wollte ich nirgendwo lieber sein. Wenn alle meine Träume wie dieser wären, würde ich mich für immer schlafen legen. Blinzelnd öffnete ich meine Augen und sah gen Himmel. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne stand im Zenit, der Bach plätscherte angenehm. Es war das reinste Paradies. Bevor mich der Schlaf übermahnt hatte dachte ich an Inanna und ihre letzten Worte. Uriel, dieser Name suchte mich Heim. Doch war die Müdigkeit stärker und riss mich mit sich, mitten in diese wunderschöne Traumwelt. Vielleicht war ich im Schlaf gestorben und jetzt im Himmel oder Peter Pan hat mich nach Neverland entführt. Wer konnte das schon wissen. Augenblicklich dachte ich an Ben, da dieser Peter Pan als Kind vergöttert hatte. Er wollte unbedingt nach Neverland, ließ für längere Zeit sogar das Fenster in seinem Kinderzimmer offen, denn es bestand immerhin die kleine Chance, dass Peter kommen könnte. Meine Traumwelt hätte ihm bestimmt gefallen. Ich hoffte, dass es ihm gut ging. Dass er sein Glück gefunden hatte.
„Fia?"erschreckte mich eine helle, weiche und doch tiefe Stimme fast zu Tode. Ängstlich riss ich meinen Kopf zur Seite und verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke, denn neben mir saß ein großer Mann, der mich freundlich anlächelte. Er hatte gelocktes hellbraunes Haar, eine feine gerade Nase, volle Lippen und Sommersprossen, welche sich auf sein ganzes helles Gesicht verteilt hatten. Seine Gesichtszüge waren unglaublich fein und doch markant. Die Augen strahlten in dem dunkelsten braun, dass mich an die meinen erinnerte. Sie wirkten einerseits jugendhaft, anderseits auffallend ernst. Der durchaus attraktive Mann trug ein weißes Gewand, eine Toga, in das an manchen Stellen Gold eingearbeitet war. Wie konnte er sich neben mich setzte, ohne dass ich etwas bemerkte?
„Fia?" fragte er mich erneut und runzelte seine Stirn besorgt.
„Wer bist du?" fragte ich den Traummann. Rhiannon hatte mich oft belehrt, dass ich meine Träume ernst nehmen sollte, da sie mir etwas mitteilten. Also hielt ich mich daran, denn irgendetwas musste das bedeuten.
„Stell deine Fragen bedacht, mein Kind. Manche Antworten möchtest du nicht in Erfahrung bringen. Wer ich bin ist eine von diesen. Mein Name ist Uriel und sollte für das erste reichen." Es war komisch, mein Kind, aus seinem Mund zuhören, denn er sah nicht viel älter als ich aus. Generell sprach er seltsam. Wichtiger ist jedoch, was er gesagt hatte.
„Uriel!" wiederholte ich aufgeregt. „Inanna, sie sagte deinen Namen. Sie...Sie ist..." unterbrach ich mich selbst, da er wahrscheinlich keine Ahnung hatte von was ich sprach. Überwältigt stammelte ich Worte. Ich wusste nicht wo ich beginnen und aufhören sollte. Zu meiner Erleichterung übernahm Uriel das Steuer.
„Inanna hat dir das Leben geschenkt. Ich weiß." aus seinen dunklen Augen sah er mich fürsorglich an. Ich nickte. Was sollte ich auch schon groß sagen.
„Sie hatte wohl gehofft, dass du mich rufen würdest und wie es scheint hast du sie nicht enttäuscht."
„Rufen?"
„Ja. Mein Name sagt dir nichts, oder?" wechselte er das Thema und brachte mich dabei zu stutzen.
„Sollte er?" fragte ich ihn. Uriel ließ seinen Blick über den Bach wandern, ehe er mich wieder ansah.
„Nein und ja." sein lächeln erreichte seine Augen nicht. „Deine Mutter, sie will das ich dir sage wer du bist. Damit befinde ich mich in einer misslichen Lage." Neugierig hörte ich Uriel zu, schmiss kleinere Steine in den Bach und fragte mich, was dieser Traum zu bedeuten hatte. Ich musste ihn nicht Antworten, da er von selbst weiterredete.
„Fia, deine Existenz, dein ganzes Sein, basiert auf einen großen Fehler, welcher unwiderrufliche Schäden auslösen könnte. Liebe, sie verfluchte...deine Eltern." Wow. Mein Selbstbewusstsein wurde richtig gepusht. Wütend sah ich in seine Augen, diese schimmerten tief in Erinnerungen versunken. Er sprach zwar zu mir, doch war ich zweitrangig. Es gab nur ihn und seine Erinnerung. Ich fühlte mich unbehaglich.
„Aus Liebe entstand die größte Sünde. Etwas was es nicht geben sollte, du." Er holte tief Luft, ehe er weitersprach. „Inanna konnte ihr sündhaftes Wunder nicht aufgeben und versteckte dich schließlich. Nur die Prophezeiung, welche ein Jahr vor deiner Geburt von einem Seher gesprochen wurde, verriet sie. In dir fließt sowohl Höllenblut als auch das göttliche Licht. Du bist ein Mischling, die einzige deiner Sorte, da das göttliche Licht das Höllenblut normalerweise angreifen sollte und dich somit hätte töten müssen."

Keuchend riss ich meine Augen auf und stellte fest, dass ich mich nicht bewegen konnte. Etwas schweres raubte mich meiner Bewegungsfreiheit. Mein Puls schnellte in die Höhe, während mein Gehirn die Information verarbeitete, denn um meinen Bauch lag ein, nein sein, Arm, während sich sein Kopf in der Kuhle zwischen meinem Hals und Schulter gekuschelt hatte und eines seiner Beine mit meinen verschlungen war. Perplex hielt ich die Luft an. Wann war er zu mir ins Bett gestiegen und wieso zur Hölle lag er quasi auf mir? Luzifer zog mich fester an seinen Körper, schmiegte seinen Kopf in meinen Hals und stöhnte brummend auf. Mich hätte es nicht gewundert, wenn mein Herz aus meiner Brust gesprungen wäre. Ich drehte meinen Kopf damit ich ihn sehen konnte, starrte direkt auf seine vollen Lippen. Selbst im Schlaf umgab sein Gesicht einen harten Zug. Jederzeit bereit, einem Eindringling die Eingeweide auszureisen. Es war falsch von mir, doch genoss ich seine Nähe. Gütige Maria vor nicht einmal zehn Stunden hatte dieser Mistkerl mir eine Ohrfeige verpasst, dabei musste wohl mein Hirn irreparabel kaputt gegangen sein. Nein, es funktionierte schon eine längere Zeit nicht mehr. Seine Hand, welche sich unter mein langes Schlafshirt schob und nun meine nackte Haut berührte, löschte all meine Gedanken. Er strich mit ihr bis zu meinem unteren Brustbogen, dann wieder hinunter zu meiner Hüfte, die er festpackte, nebenbei brummte er leise. Ich konnte mir nur schwer den Seufzer verkneifen. Zwischen uns passte kein Blatt. In diesem Moment war er weder Luzifer noch ein gefallener Engel, sondern ein einfacher Mann. Ein Mann der gefährlichen Sorte. Der dich deines Herzens beraubt, um dich anschließend wie eine heiße Kartoffel fallen zulassen. Ich keuchte laut auf, denn die Hand, welche auf meiner Hüfte geruht hatte, bewegte sich erneut. Ich trug nur dieses große Shirt, das ich aus einer seiner Kommoden gezogen hatte, welches er nach oben gezogen hatte und mich somit entblößte. Der Grund des Keuchens war aber die Hand, die dabei war sich unter meinen Slip zuschieben. Doch sie erstarrte, halb von meinem Slip bedeckt. Luzifers Körper spannte sich augenblicklich an. Er war wach. Als ich mich räusperte, zog er diese schnell zurück und rückte etwas von mir ab. Sein Gesichtsausdruck war betreten und seine Augen strahlten so hell, dass ich an zwei Sonnen dachte. Stumm starrte er mich an, ließ seinen Blick anschließend über meinen Körper gleiten, um mich danach wieder anzusehen. Etwas in seinen Augen gefiel mir nicht, da war diese undeutliche Gefühlsregung. Trauer, Verlangen? Ich konnte es nicht sagen. Eines stand fest, diese Situation war peinlich.
„Morgen," versuchte ich die Lage zu entschärfen. Meine Stimme klang lächerlich pipsig, toll. Unruhig wartete ich auf eine Reaktion seinerseits und musterte ihn. Luzifer trug nur eine kurze schwarze Shorts, die ihm tief in der schmalen Hüfte hing und seine ausgeprägte Muskulatur gut preisgab. Die Luft tief zwischen seinen Zähnen einsaugend schloss er seine Augen und als er sie wieder öffnete, kerzengerade in die meine starrte, wünschte ich mir nichts mehr als diesen Gesichtsausdruck nicht sehen zu müssen. Noch nie hatte ich ein Gefühl klarer gesehen, da er immer seine Maske trug. Ich wusste, dass es etwas bedeutete, wenn er eben diese ablegte. Trotzdem wünschte ich mir, dass er es nicht getan hätte. Denn der Schmerz, den er ausstrahlte, war unerträglich. Es war diese Art Schmerz von der man sein ganzes Leben lang ausgesaugt wurde. In seinem Fall die Ewigkeit. Mir einzugestehen, dass er im Grunde wie wir alle verletzlich war, gelang mir kaum. Ich wollte, dass dieser Ausdruck verschwand. Mit rasendem Herz minimierte ich den Abstand zwischen uns hob eine Hand an seine Wange, die andere schob ich in seinen Nacken. Von allen Geistern besessen, streckte ich meinen Kopf in seine Richtung, sah in seine weitaufgerissenen Augen und dann auf seine Lippen. Ohne weiter darüber nachzudenken drückte ich meine sanft auf die seine. In mir implodierte ein Feuerwerk der Gefühle. Luzifer versteifte sich, erwiderte den Kuss erst nach wenigen Sekunden. Stöhnend hob er mich auf seinen Schoss, seine Hände fest an meinen Hüften und bat um Einlass. Seine Lippen waren weich und er unglaublich sanft. Als seine Zunge um meine kreiste, ich ihn schmeckte, stöhnte ich laut auf. Der eigentlich keusche Kuss, wurde augenblicklich gieriger. Ich drückte ihn näher an mich, presste meine Hüften fest an seinen Körper. Sein kehliges Stöhnen befeuerte mich. Es war unglaublich. Plötzlich schob Luzifer mich von sich, stand hektisch vom Bett auf und sah verkniffen auf die Wand am Ende seines Zimmers. Seine Hände zitterten, während er sie hob und sich seufzend über sein Gesicht strich.

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt