Kapitel 34

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„Was meinst du?" fragte ich schockiert. Sie konnte niemals denken, dass ich die Horror-Bilder im Fernseher verursachte, denn das tat ich gewiss nicht. Es sprach gegen alles, wofür ich einstand. Ich wollte die Menschen beschützen, nicht ausradieren. Nicht nur Menschen, auch Tieren hätte ich das niemals angetan.
„Es ist offensichtlich genug Fia." Offensichtlich würde ich ihr dämliches nicken nicht gerade nennen.
„Das da!" brüllte ich aufgebracht und zeigte auf den Fernseher, ehe ich meinen Satz vollendete: „Würde ich niemals tun. Niemals!" schrie ich.
„Du machst das auch nicht absichtlich, zumindest nehme ich das an," versuchte mich Foras zu beruhigen, löste allerdings eine ganz andere Reaktion aus. Er glaubte es also auch.
„Wenn ihr glaubt, dass ich das bin, dann helft mir das zu beenden." flüsterte ich den Tränen nahe. Nein, ich würde nicht weinen. Es nervte mich, dass ich immer heulte und wer weiß ob sie sich nicht doch irrten. Wie hätte ich das auch anstellen sollen?
„Das können wir nicht. Du musst dich entscheiden," erklärte meine Mutter, die mehr eine Fremde war als alles andere.
Es war zwecklos. Jedes Mal, wenn ich etwas fragte, wurde kryptisch geantwortet. Ich konnte um Hilfe bitten, würde aber immer nur abgespeist werden. Angeblich zerstörte ich gerade die gesamte Menschheit, verdammt den ganzen Planeten und dennoch unternahm niemand etwas. War es das was Luzifer erreichen wollte? Mein Herz zog sich krampfend zusammen. Vielleicht hatte Inanna doch recht und es war vergiftet. Auf einmal wurde mir etwas klar. Dauernd wird von einer Entscheidung gesprochen, eine Seite, die ich wählen müsste. Alles in mir verstummte, keine innere Stimme, keine umherkreisende Gedanken, ich war mir nicht einmal sicher ob mein Herz noch schlug, alles was blieb war diese erschreckende Erkenntnis. Mir blieb nur eine Sache übrig, um diesen Wahnsinn zu stoppen.
„Ich habe eine Lösung gefunden." erklärte ich erstaunlicherweise ruhig.
„So funktioniert das nicht," erwiderte Inanna entgeistert. Ich ignoriert sie, drehte mich zu Foras und musterte ihn. Es mag komisch klingen, doch dieser Dämon war mein Felsen, denn allein sein Dasein erleichterte mich. Foras würde meinen Plan nicht einfach so hinnehmen, dass wusste ich. Ich glaubte der Wüstendämon scheint mich wirklich zu mögen, vielleicht sogar zu lieben. Freundschaftlich versteht sich.
„Sie wird dir nicht gefallen." gestand ich und sah ihn abwartend in die Augen. Augen, welche mich argwöhnisch und etwas besorgt analysierten. Er versuchte meinen Gesichtsausdruck zu lesen, aus ihm schlau zu werden.
„Wenn allein meine Existenz diese Dinge auslöst...wenn sie das Problem ist, dann muss das Problem eliminiert werden." ich stockte kurz beim Reden ansonsten war meine Stimme fest und gefasst. Ich war bereit dafür, wenn ich ehrlich war, dann sehnte ich mich sogar danach.
„Nein!" bellte Foras. „Dein Tod ist keine Option!" Aufgelöst sah er mich an, schüttelte entsetzt seinen Kopf und wischte sich mit den Händen über sein Gesicht.
„Das hast du nicht zu entscheiden."
„Fia, nein das, das ist, nein!" er stotterte unbeholfen, blickte zu Inanna und sah sie nach Unterstützung bittend an.
„Dein Tod könnte durchaus alles verschlimmern," erklärte sie trocken.
„Oder alles retten. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 50/50."
„Nein! Das Risiko ist zu hoch," versuchte Foras erneut.
„Es lohnt sich,"
„Nicht!"
„Foras, du musst das nicht verstehen, wirklich nicht aber akzeptiere es. Akzeptiere meine Entscheidung." sanft redete ich auf ihn ein, ging zu ihm und berührte seine Arme.
„Vielleicht wird dann alles wieder gut," murmelte ich.
„Für mich aber nicht. Nenn es Egoismus, doch für mich wird nichts wieder gut. Gut wurde es erst, als du mich lerntest was Freundschaft ist. Als jemand so bedeutendes wie du entschloss das ich seiner würdig bin." Seiner Worte rührten und verletzten mich zugleich. Einerseits ehrte es mich, dass ich ihm wichtig war anderseits hasste ich, dass es kein Entkommen gab. Er konnte meine Meinung nicht ändern, dazu war ich zu stur und willig. Vielleicht auch einfach nur feige und gebrochen. Er las es wohl in meinen Ausdruck, denn er stöhnte schmerzhaft, schloss seine Augen und zog mich in eine feste Umarmung, bei der er mich etwas vom Boden hob. Anschließend ließ er mich los und verließ ohne mich ein weiteres Mal anzusehen den Raum, nein sogar das Haus. Ich war nicht sauer auf ihn, denn vielleicht konnte er nur so zulassen, dass ich ging.
„Meine Bestrafung," wechselte Inanna das Thema. „Es waren Bildern von Erlebnissen. Ich sah sie dauernd, konnte nichts gegen das, was in ihnen geschah unternehmen. Noch nie war ich so hilflos, es war als würde man mir alles nehmen." Ich hatte keine Ahnung worauf sie hinaus möchte und entschied ihr einfach schweigend zuzuhören.
„Es waren deine Erlebnisse, die mich um den Verstand brachten. Bilder von meinem Kind, welches von diesen dreckigen nichtsnutzigen Menschen gequält wird. Ich hatte gehofft, dass du ein gutes Leben bekommen würdest. Vielleicht die Liebe erfährst, welche Menschen ihren Kindern schenkten. Irgendwie war ich sogar erleichtert als ich dich weggab, denn ich hätte dich nicht, wie es eine menschliche Mutter tat, lieben können. Das was ich dann sah..." sie unterbrach sich selbst sah von mir weg auf den Boden. Ich wusste nicht was ich sagen könnte, wahrscheinlich gab es keine passenden Worte, weshalb ich einfach weiter schwieg. Zu wissen, dass sie nicht nur weiß was mir angetan wurde, sondern es sah war nicht nur befremdlich. Ich schämte mich für meine kindliche Schwäche. Natürlich konnte ich mich nicht wehren, dennoch schämte ich mich.
„Vielleicht ist es besser, wenn du stirbst. Vielleicht hören diese Schmerzen dann auf." Ich konnte nicht sagen, von welchen Schmerz sie sprach. Den Meinen oder doch die Ihren, da sie ihr Kind nicht beschützen konnte? Ich würde es wahrscheinlich nie erfahren.

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt