Kapitel 20

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 Mit gemischten Gefühlen betrat ich das Anwesen, denn Luzifer sollte unter keinen Umständen erfahren, wo wir uns herumgetrieben hatten. Ich konnte nur hoffen, dass er selbst noch nicht zurück war. Foras, der neben mir ging, wirkte weniger besorgt, mehr gefasst. Wie ein Krieger, welcher sich mental auf die große Schlacht vorbereitete. Aus dem Wohnraum drang Luzifers Stimme, welcher barbarisch zu schreien schien. Das Glück schien nicht auf meiner Seite zu sein.
„Das wird lustig," murmelte Foras. Gemeinsam gingen wir zur Quelle des Lärms. Es gab kein zurück mehr. Ich konnte nur hoffen, dass er sich wieder beruhigen lässt und Foras zumindest nicht wirklich ins Fegefeuer schickte. Im Wohnraum angekommen, wäre ich beinahe gegen Luzifer gerannt, welcher den Raum anscheinend verlassen wollte. Er strahlte erbarmungslose Wut aus. Die so heftig war, dass sein ganzer Körper vibrierte. Am Verhängnisvollsten war fraglos, die Entschlossenheit, welche aus seinen unheilvoll weißlich glitzernden Augen strahlte. Ojemine, das war gar nicht gut. Unschuldig sah ich auf seine Brust, die sich schnell hob und senkte und zu meinem Leidwesen von einem Shirt bedeckt wurde. Was dachte ich da? Als Luzifer sprach rutschte mir mein Herz buchstäblich in die Hose. Seine Stimme klang nicht nur mörderisch, sie sprühte regelrecht Funken des Zorns.
„Wieso sehe ich in meinen Zimmer nach dir und muss feststellen, dass du mit ihm losgezogen bist und dabei meine Regel erneut gebrochen hast?" schrie er, wobei er ihm besonders hasserfüllt betonte. Er ließ mir keine Zeit zu antworten und brüllte laut weiter. „Viel mehr würde mich interessieren, wo ihr euch getrieben habt. Wagt es nicht mich zu belügen, denn früher oder später würde ich die Wahrheit sowieso rausbekommen. Erfahre ich dann, dass ihr gelogen habt kann ich versprechen, dass ihr euch wünscht sterben zu dürfen!"
„Ich zeigte ihr einen Teil des Inneren-Kreises, die Höhle des Tartaros." erklärte Foras gelassen. Wie konnte er so ruhig bleiben, wenn ich mich bemühen musste nicht los zu schreien. Wenn ich dachte, dass Luzifer davor schon am explodieren war, hatte ich mich gewaltig geirrt, denn nach Foras Worte ging er erst recht an die Decke. Ohne Vorwarnung wurde Foras gegen die Wand geschleudert und hinterließ so eine große Delle. Luzifer preschte voraus und packte ihn brutal an der Kehle. Ich schrie auf.
„Du hast was getan?" fragte er, drückte aber gleichzeitig fester zu, sodass es Foras nicht möglich war zu Antworten. Geschockt wartete ich darauf, dass dieser sich währte, doch er ließ sich einfach still strangulieren. Ich konnte das nicht länger mit ansehen.
„Lass ihn los!" schrie ich nach vorne sprintend und packte einen seiner Arme. Foras hat nichts Schlimmes getan, wenn einer erdrosselt werden sollte, dann ich, schließlich wollte ich Inanna sehen. Luzifer warf mir einen zerstörenden Blick zu, gab dann, zu meiner Erleichterung, Foras Kehle frei. Lange hielt meine Erleichterung leider nicht an, denn kaum war Foras frei, baute sich Luzifer vor mich auf. Grob packte er mein Kinn und drückte es schmerzhaft zusammen. Unmittelbar sammelten sich die Tränen in meinen Augen.
„Du hast meine Grenzen überschritten!" murrte er.
„Sie hat nichts getan. Es war meine Idee ihr den Seelensee zu zeigen," lud Foras die Schuld auf sich. Mein Herz zog sich zusammen. Mir war bewusst, dass er das tat, weil er dachte das Freunde sowas tun, denn Dämonen taten das Gewiss nicht, umso mehr wollte ich verhindern, dass ihm was zu stößt. „Bestrafe mich, nicht sie." sagte er, brachte mich damit endgültig zu weinen.
„Nein," bettelte ich Luzifer an. „Foras zeigte es mir nur, weil ich ihn darum bat, nachdem ich ihn ausgefragt hatte." log ich, zumindest halb.
„Ihr seid ja ganz schön dicke geworden" in seinen Augen funkelte eine interessante Gefühlsregung. Luzifer war eifersüchtig. Auf Foras und mich? Das konnte nicht Stimmen. Wäre ich nicht in einer so pikanten Situation würde ich ihn ohne zögern damit aufziehen. Bevor ich oder Foras etwas erwidern konnten sprach Luzifer weiter.
„Hast du ihr nur den Seelensee gezeigt?" Foras nickte, seine Augen starr auf die Hand um mein Kinn gerichtet.
„Habt ihr noch etwas getan?" als er dies fragte, sah ich die Zweideutigkeit, mit der er Foras erzürnt ansah, glasklar. Der hatte sie nicht mehr alle. Wollte er ausgerechnet das wissen? Obwohl er sich mit einer Succubi vergnügt hatte.
„Wir haben es wie die Karnickel getrieben. Die Schreie der verzweifelten Seelen waren dabei, neben Foras Bestückung, am erregendsten." fauchte ich wütend. Luzifer ließ mein Kinn los, packte mich stattdessen an den Schultern und drückte mich kräftig gegen die Wand. Im Hintergrund ertönte ein weibliches Lachen. Ich hatte Nina, welche auf einem Sofa saß und amüsiert dreinblickte, gar nicht bemerkt.
„Du lügst." gab er barsch von sich. Was ein Blitzdenker.
„Was noch nicht ist, kann noch werden." provozierte ich, da mir krankerweise der eifersüchtige Schimmer in seinen Augen gefiel. Nina lachte noch lauter auf, wenigstens hatte sie ihren Spaß.
Ein Klatschen übertönte die Schlangenbeschwörerin, brachte sie prompt zu verstummen. Erstarrt sah ich ihn aus weitaufgerissenen Augen an, während sich ein stechender Schmerz an meiner rechten Gesichtshälfte ausbreitete. Er hatte mir ernsthaft eine Ohrfeige gegeben. Ich blinzelte die aufsteigenden Tränen schnell weg, da ich ihm nicht zeigen wollte, dass er mich verletzt hatte. Luzifers Maske zeigte keinen Hauch von Gefühlen, während er auf meine wahrscheinlich kirschrote Wange sah. Ich kniff meine Augen fest zusammen, als er sich vorbeugte und mir in mein Ohr flüsterte.
„Schlaf mit ihm oder einen anderem und du wirst Grausamkeit eine neue Bedeutung geben." Er sprach so ruhig und Gefühlslos, dass ich nur mit Mühe meinen Mageninhalt behalten konnte.
„Wag es nicht einmal ein Wesen anzüglich anzusehen." untersagte er mir.
„Wieso? Was kümmert dich das?" Ich hasste mich wie die Pest für meine brechende Stimme. Sie klang unglaublich schwach.
Anstelle einer Antwort gab er mich stumm frei und sah zu Foras. Dieser hatte seine vollen Lippen zusammengepresst und ballte seine Fäuste immer wieder zusammen. Ich rutsche erschöpft von der Wand zu Boden und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Das alles war meine Schuld. Ich hätte ihn niemals fragen sollen.
„Verschwinde aus meinen Augen und nimm Nina mit." keifte Luzifer. Man sah den Widerwillen in Foras Gesicht. Er wollte mich nicht alleine lassen. Wer hätte gedacht, dass es unter den Dämonen gute gab. Ich nickte ihn schmallippig zu. Nina war schon längst aufgestanden, zog kurzer Hand den Muskelprotz mit sich. Damit war ich mit Luzifer alleine.
„Du hast gegen meine Regeln verstoßen." sagte er ein zweites Mal an diesem Tag. Seinen Augenkontakt meidend nickte ich und starrte stur auf den Boden.
„Immer wieder bringst du mich an meine Grenzen. Diesmal bist du einfach zu weit gegangen!" schrie er. „Sag mir, dass euer Trip nichts mit deiner Mutter zutun hatte."
„Wieso sollte es etwas mit Inanna zu tun haben?" gab ich mich unschuldig. Insgeheim begann mein Herz rasant zuschlagen und Panik breitete sich in mir aus.
„Das sie kein Mensch war hat dich anscheinend verwirrt. Vielleicht wolltest du mir damit eines auswischen und beweisen, dass du dich nicht kontrollieren lässt" log er mir dreist ins Gesicht. Ich unterdrückte meine Wut und gab mich weiter unwissend. Besser so als anders.
„Wie auch immer. Fia hast du eigentlich eine Ahnung, wie eine Bestrafung, eine richtige, aussieht? Kannst du dir das auch nur im Geringsten vorstellen?" flüsterte er leise.
„Ich habe Foras Gesicht gesehen."
„Und trotzdem wagst du es meine Regeln zu brechen." Fassungslos sah ich ihn in die Augen. Wurde das Gesicht des Wüstendämon etwa wegen einer Banalität wie einem Regelbruch verunstaltet. Mir stieg die Galle hoch, war er, dass Monster, welchem ich nie begegnen wollte? Hatte er Foras diese Qualen ausgesetzt. In seinen, mittlerweile orange-golden, Augen suchte ich angeekelt nach einer Antwort. Ich fand keine und konnte nur beten, dass es nicht so war. Wen versuchte ich eigentlich zu verarschen. Ich sollte Luzifer so sehen wie er war und mich nicht von meinen Gefühlen, welche mich vergifteten, täuschen lassen. Gefühlen, dass was ich fühlte waren keine richtigen Gefühle. Sie waren meine eigene Hölle mitten in der Hölle.
„Ich will dir nicht weh tun," brachte er leise hervor und kniete sich vor mich hin.
„Du hast mir schon weh getan." Er zuckte bei meinen barschen Worten zusammen und nickte still, ehe er seine Sprache wiederfand.
„Meine Wortwahl war unpassend. Ich will dich nicht brechen. Dir nicht das antun, was anderen widerfährt. Ich...Ich weiß nicht warum aber so ist es." gestand er immer leiser werdend. Kaltherzig lachte ich auf. Von wegen.
„Dann lass es. So einfach ist es."
„Nein. Es ist alles andere als einfach. Ich gab dir eine Chance und du hast sie kaputt gemacht. Jetzt kann ich mir nur noch wünschen, dass du es gelassen hättest und nicht an deiner Strafe zerbrichst, denn nichts führt an ihr vorbei."
„Das ist doch lächerlich. Man hat immer eine Wahl, auch du Luzifer. Nur weil du, gemeinsam mit Satan, das Recht hast die Höllenbewohner regelmäßig und wann es dir passt zu bestrafen, bedeutet es noch lange nicht, dass du das auch tatsächlich tun muss." fassungslos sah ich ihn an. Er stellte sich ernsthaft als Opfer da. Unmöglich.
„Du verstehst es nicht, wie solltest du auch." wisperte er und schloss kurz seine Augen. „Begib dich in mein Schlafzimmer. Das Recht auf dein eigenes hast du mit dieser Aktion verspielt. Leg dich ins Bett und ruh dich aus, versuch zu schlafen. Ich habe noch etwas zu erledigen und komme wahrscheinlich nicht so schnell zurück. Deine Bestrafung hat noch etwas Zeit." 

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt