Kapitel 35

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Es gibt viele Arten von Schmerz. Er variiert sich, kennt keine Grenzen. Jeder Mensch hatte schon häufiger Schmerzen erlitten, sei es Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Gliederschmerzen oder Liebeskummer, der Schmerz nachdem man eine geliebte Person oder sein Haustier verloren hatte. Er gehört zu den frühersten, eindrucksvollsten Erlebnissen eines jeden Lebewesen und ist sogar überlebenswichtig, da er uns warnt, zum Beispiel, wenn wir uns verbrannten. Ich würde sagen, dass ich in meinem Leben mehr Schmerz als Glück empfunden hatte, gehörte damit wahrscheinlich zu einem großen Teil der Weltbevölkerung. Doch kein Schmerz kam dem, den ich gerade verspürte, auch nur ansatzweise nahe. Nicht die Schmerzen meiner Vergangenheit, die ich meinem Missbrauch verdankte und auch nicht die Schmerzen, welche ich verspürte, als Rhi vor meinen Augen ausgeweidet wurde und ich nichts außer ihren Geschrei zuhören konnte. Der Schmerz, welcher sich gerade in mir entflammte war so mächtig, dass ich nicht glaubte, mich davon erholen zu können. Keine Worte der Welt konnten ihn beschreiben. Er hatte seine Klauen in mein Herz gerammt, ließ es ausbluten, schnürte mir die Luft zum Atmen ab. In mir brannte jeder Nerv, es war als würde etwas endgültig reißen. Nichts konnte diesen Schmerz übertreffen, den ein weinender Luzifer ausgelöst hatte, denn das tat er. Der gefallene Engel, Luzifer, König der Hölle, brach vor mir zusammen und weinte. Er stürzte auf seine Knie, sah zu mir aus einem Sturm der Gefühle auf.
„Luzifer?" hauchte ich und kniete mich vor ihn hin. Seine Reaktion schockte mich sosehr, dass ich alles andere vergaß. Tränen sammelten sich in meinen Augen, denn das konnte nicht sein. Der, der gerade vor mir, wie ein Häufchen elend saß und versuchte sich zusammen zu reißen, hatte nichts mit dem Höllen König gemein. Ich sah gerade den Engel, der ausgestoßen wurde. Einen gebrochenen Mann und ich ertrug diesen Anblick nicht.
„Ich weiß nicht was mit mir los ist. Alles was ich wollte ist geschähen, alles steht in Flammen, dennoch fühle ich mich alles andere als zufrieden. Fia, ich...scheiße..." Er inhalierte dreimal tief Luft, ehe er weitersprach: „Als du die Wahrheit erfahren hast und ich den Hass in deinen Augen gesehen habe, hatte ich mir wirklich gewünscht, dass dein Genickbruch mich töten würde und als Foras aufgebracht zu mir kam, um mich von deiner dämlichen Idee zu unterrichten, dachte ich...ich habe mich noch nie so gefühlt." Luzifer umfasste sanft mit seinen Händen mein Gesicht, strich meine Tränen weg, während seine eigenen flossen, als wäre ein Damm gebrochen. Was er sprach ergab für mich keinen Sinn, dennoch wagte ich nicht zu sprechen. Ich konnte gar nicht, es würde nichts als ein wimmern herauskommen, denn der Schmerz, in dem sein Gesprochenes gepackt war, war echt und fütterte meinen eigenen.
„Ich bekam keine Luft und nahm an, dass ich ersticken würde. So hatte ich mich noch nie gefühlt, noch nie war ich so hilflos. Ich dachte nur, bitte lass mich nicht zu spät kommen. Bitte, lass sie leben." er schluchzte, schloss seine Augen und legte seine Stirn gegen meine.
„Luzifer," hauchte ich, da ich irgendetwas sagen musste, doch er unterbrach mich indem er seine Stirn kurz von meiner hob, welcher er einen kurzen Kuss gab, ehe er sie wieder an Ort und Stelle ruhen ließ.
„Rache, ich wollte mich rächen. Fia, ich bin die größte Enttäuschung allem Himmlischen, seine größte Niederlage und als ihm bewusst war, wie defekt ich war, hatte er mich verstoßen. Nicht nur das, er erniedrigte mich. Ich bin ein Monster, kein Opfer, das weiß ich. Mein Hang zur Zerstörung ist teilweise alles was ich habe und genau deshalb wollte ich Rache. Er sollte bluten, wie ich es getan habe und alles verlieren, weil ich nie fähig war etwas zu besitzen." Es tat mir weh, denn ich wollte ihm einfach nur den Schmerz nehmen, dennoch wusste ich, dass es dazu zu spät war. Er hatte mich benutzt und dabei alles wofür ich kämpfte zerstört.
„In einem Streitgespräch hattest du irgendetwas wegen Neid gesagt und scheiße ja, ich war neidisch. Neidisch darauf, dass die Menschen liebe fühlen konnten, Glück und Zufriedenheit. Als ich dich gefunden hatte, dachte ich mit dem Chaos was entstehen würde, würde ich vielleicht ebenfalls Zufriedenheit und Glück spüren."
„Du hast mich benutzt," murmelte ich leise. Während ich mich in ihn verliebte, hatte er mich einfach nur benutzt. Luzifer öffnete seine rot unterlaufenen Augen, die pure Reue ausstrahlten.
„Ich bin ein Narr gewesen, war so fokussiert auf Rache und habe nicht bemerkt, dass ich bereits Glück spürte. Ich habe es erst realisiert, als es vorbei war." Er stöhnte ergeben auf, sah mich an wie ein Krieger es tat, wenn er wusste, dass eine Schlacht verloren war. Die Schluchzer, welche folgend seinem Mund entkamen, waren herzzerreißend. Ohne nachzudenken, hob ich ebenfalls meine Hände, lehnte mich etwas zurück, damit ich ihn besser ansehen konnte und strich, wie er es zuvor bei mir getan hatte, die Tränen weg. Vergebens, da sie unkontrollierbar aus ihm herausströmten.
„Irgendwie, hatte ein Teil von mir gehofft, dass du mir irgendwann vergeben könntest. Wir hätten eine Ewigkeit zeit und ich würde warten, dass würde ich. Doch dann kam Foras und mir wurde bewusst, dass du mir nie verzeihen würdest, so dumm bist du nicht." Ich wimmerte, schüttelte meinen Kopf, während alles in mir danach schrie, ihn zu küssen. Es war das schwerste was ich jemals tat, dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich ihn jemals verzeihen könnte. Die Blase, in der ich mich versucht hatte zu verstecken war geplatzt und zurückblieb die Erkenntnis, dass es für uns beide keine Hoffnung gab. Mein Ziel galt einzig allein das zu Stoppen was er, wir, begonnen hatten. Es wurde schon zu viel Zeit verschwendet, weshalb ich weinend von ihm wegrückte und sagte: „Es gibt kein zurück. Ich muss das aufhalten."
„Nein!" brüllte er. „Nein, ich finde eine Lösung und gemeinsam stoppen wir das. Die Prophezeiung sagte du müsstest wählen, gut oder böse, Licht oder Dunkelheit aber nicht Leben oder Tod."
„Luzifer es gibt keinen anderen Weg!" schrie ich ihn an. Er konnte nicht wissen wieso, wieso ich wusste, dass es nur so sein konnte. Gut oder böse, Licht oder Dunkelheit, Himmel oder Hölle. Solange ich lebe würde meine Wahl, eine Wahl aus tiefsten Herzen, Luzifer sein, denn mein Herz hatte den Krieg bereits verloren. Es wählte ihn, damit die Zerstörung und mein Verstand, sagte mir, dass mein Tod, die einzig andere Option war.
„Den gibt es! Es gibt immer einen anderen Weg!" er schrie so laut, dass das Fenster des Zimmers zerbrach, dann packte er mich, zog uns beide auf die Beine und umschloss mich fest mit seinen Armen, ehe er mich stürmisch küsste. Er legte seinen ganzen Kummer in ihn hinein, bat um Einlass, welchen ich gewährte, ich konnte gar nicht anders und entlockte mir ein Stöhnen als seine Zunge die meine liebkoste. Seine Arme drückten mich fester an seinen Körper, während ich mich in seinem Schmerz verlor, denn nichts anderes strahlte er aus. Er küsste mich, wie ein verdursteter, der Wochenlang in der Wüste umherirrte. In mir zog sich alles zusammen, verzweifelt grub ich meine Hände in sein Shirt.
„Gib mir eine Chance, nur eine. Wenn ich keine Lösung finde, dann verspreche ich, dass ich dich nicht aufhalten werde." flüsterte er, nachdem er von meinen Lippen gelassen hatte.
„Okay, wenn es keinen anderen Weg gibt, lässt du mich sterben." hauchte ich leise, hob eine meiner Hände und legte sie an seine Wange. Er schmiegte sofort sein Gesicht dagegen und lächelte mich gebrochen an, dann sagte er: „Dann sterben wir gemeinsam." Danach hob Luzifer ebenfalls eine seiner Hand und legte sie auf meine Wange, streichelte diese.
„Luzifer," wollte ich widersprechen. Ich war eine Heuchlerin, denn ich wollte nicht, dass er starb und tat ihn genau das gleiche an. Er wollte sowenig das ich mich umbringe, wie umgekehrt. Doch verbieten konnte ich es ihm nicht, dass wäre nicht okay von mir.
Von unten ertönte ein Schrei, der mich zusammenzucken ließ. Es war Nina? Seit wann war sie da? Plötzlich hörte ich lautes Geschepper und eine männliche Stimme, die irgendetwas brüllte. Foras! Ich wollte mich sofort auf den Weg nach unten machen, da zog mich Luzifer zurück.
„Bevor wir nach unten gehen" sprach er wurde aber barsch von mir unterbrochen.
„Luzifer später, wir müssen nachschauen was da unten los ist."
„Nein, dafür haben wir noch Zeit. Was auch immer gerade passiert, das kann es abwarten also hör mir zu!" Nachdrücklich musterte er mich, wartete darauf, dass ich etwas erwiderte und als ich es nicht tat sprach er weiter: „Wenn sich keine Lösung finden lässt sterben wir zusammen, nicht nur du, wir. Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen kannst, dass du mich hasst, dennoch musst du wissen, dass diese Nacht mit dir echt war. Das was ich dabei gefühlt habe, war echt!"
„Luzifer,"
„Nein. Verdammt, ich habe alles verbockt. Alles verloren, noch bevor ich es besaß. Bevor wir hinunter gehen und du wieder den Gründen ausgesetzt bist, für die du mich hassen solltest, musst du wissen, dass..." er stockte, sah zu Tür, da der Lärm lauter geworden war, dann sah er wieder zu mir.
„Luzifer, lass uns das später reden!" Es machte mich fertig nicht zu wissen was gerade geschah.
„Ich wusste nicht was es war, da ich es nie zuvor gefühlt habe aber jetzt weiß ich es. Fia, du bist meine Erlösung. Ich liebe dich, scheiße und wie ich dich liebe. Ich liebe dich und werde, falls es sich nicht vermeiden lässt, mit dir sterben und bis auf alle Ewigkeit brennen."

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt