Kapitel 16

115 6 0
                                    


Ein stechender Schmerz riss mich aus der Dunkelheit. Benommen stellte ich fest, dass ich in einem Bett lag. In Luzifers Bett und das nicht alleine, denn dieser saß aufrecht am Kopfende, meinen Kopf auf seinem Schoss liegend, während er mir mit kreisender Bewegung den Rücken streichelte. Sobald mein Gehirn verarbeitet hatte, was er tat, begann mein Herz schneller zu schlagen. Durch die fließende Bewegung rutschte mein Shirt immer weiter nach oben, bis seine Hand schließlich auf meiner nackten Haut war und somit ein verräterisches Kribbeln in mir ausbreitete. Warte? Hatte ich nicht ein Kleid an? Erinnerungen prasselten auf mich herab und rissen mich umgehend aus meiner Benommenheit. Wütend versuchte ich mich auf zu richten, was den König der Hölle erstarren ließ. Durch die ruckartige Bewegung drehte sich alles und ich holte zischend Luft. Meine Hand auf meine Schläfen drückend versuchte ich den brennenden Schmerz zu lindern. Vergebens.
„Fia?" fragte er heiser, bevor er weiter sprach räusperte er sich. „Alles okay?"
Ich wollte ihn wie eine Furie angehen, ihm sein schönes Gesicht zerkratzen. Ob alles okay war? Ungläubig drehte ich mich zu ihm. Doch sein Anblick, die schockierende Tatsache, dass er alles andere als gut aussah, brachte mich dazu meine Wut zu vergessen. Mit aufgerissenen Augen inspizierte ich sein Erscheinungsbild. Seine ansonst goldene Haut war blass, unter seinen Augen sah ich tiefe Ringe und seine Wangen waren eingefallen. Mit zu einer geraden Linie zusammen gepressten Lippen runzelte er angestrengt seine Stirn. Kurz bröckelte seine perfekt aufgesetzte Maske. Es war nur eine Millisekunde, trotzdem sah ich die Verzweiflung, welche er zu verstecken versuchte. Mir war schlecht. Was war passiert? Wenn Luzifer verzweifelt war, konnte es einfach nicht gut sein.
„Was hast du mit mir gemacht?" flüsterte er leise, da er auf seine vorige Frage anscheinend keine Antwort erwartete. Oder er hatte sie bereits vergessen. Himmel, er sah wirklich nicht gut aus.
Ich wusste nicht was er von mir wollte. Inwiefern sollte ich etwas mit ihm gemacht haben? Das letzte woran ich mich erinnern konnte war, dass er mich in die Ohnmacht riss, bevor Satan seinen Satz beenden konnte. Satan! Erneut stürzten Erinnerungen auf mich herab. Was hatte Satan mit Inanna gemeint, war sie meine Mutter? Und viel wichtiger, was wollte er sagen, dass ich Luzifers Reaktion zufolge unter keinen Umständen erfahren durfte? Ihn noch immer stumm anstarrend schüttelte ich meinen Kopf. Diese ganzen Fragen machten die Kopfschmerzen nicht gerade besser.
„Was. Hast. Du. Gemacht!" presste er wütend hervor. Ich wollte gerade fragen, was er meinte, da warf er sich auch schon auf mich. Sein schwerer Körper drückte mich tief in die Matratze, während seine Hände grob meine Schultern drückten.
„W-was?" stotterte ich.
„Du weißt ganz genau was ich meine!" Nein, wusste ich nicht und seine aggressive Haltung war mir in dieser Situation nicht gerade eine Hilfe.
Mein nein akzeptierte er nicht, wenn es irgendetwas bewirkte, dann das er noch wütender wurde. Knurrend drückte er meine Schultern noch fester, was mir einen empörten Aufschrei entlockte und meine Augen zu tränen brachte. Immer mehr Tränen bannten sich ihren Weg nach draußen. Ich war es satt ihm so ausgeliefert zu sein. Es erinnerte mich an meine Kindheit, allerdings würde mich diesmal kein Ben retten. Plötzlich gab der Druck nach. Sein kalter Blick fror mir mein Blut ein, während seine gehobene Hand mich zusammenzucken ließ. Ich hatte alles erwartet, dass er mich schlug oder würgte, bestimmt aber nicht, dass er mir sanft die Tränen wegwischte. Dass er anschließend seine Hände an meiner Wange behielt. Er war der lebende Widerspruch.
„I-ich weiß nicht was du meinst. S-Satan er..." wollte ich erklären, wurde allerdings von seinen Daumen, mit dem er meine Unterlippe berührte, unterbrochen. Was zur?
„Als du mich berührt hast," erneut brach seine Maske und ließ die Verzweiflung in seiner Stimme klar hervorstechen. „Hast du etwas mit mir gemacht. Du hast mich ein klein bisschen meiner Wut beraubt."
„Das ist doch gut?"
„Nein, Fia. Das ist alles andere als gut und auch nicht das einzige was du mit mir gemacht hast. Ich..Ich kann deine Gedanken nicht mehr lesen." am Ende holte er mit geschlossenen Augen tief Luft. Dann beugte er sich nach unten und legte seine Stirn auf meine, ehe er weitersprach. Seine Augen hatte er noch immer geschlossen. „Das ist noch nie passiert. Ich kann die Gedanken von jeden lesen. Jeden Fia. Bis auf deine." Wegen dem flippte er so aus? Deshalb sah er, wie drei Tage Schlafentzug, aus? Meine linke Hand zitterte als ich sie hob um ihn ebenfalls an der Wange zu berühren. Sein Körper zuckte und er riss seine Augen fragend auf. Unbeirrt strich ich ihm über die markanten Wangenknochen und dachte konzentriert nach. Ich persönlich fand, dass er meine Gedanken nicht mehr lesen konnte, ziemlich gut. Allerdings war seine Reaktion nicht gut. Besonders gut kannte ich ihn nicht, doch wusste ich, dass er nicht leicht aus der Fassung zu bringen war. Erst jetzt bemerkte ich was ich eigentlich tat. Himmel, ich bin ihm viel zu nah. Als ich jedoch meine Hand zurückziehen wollte, legte er die seine blitzschnell über sie. Seine Augen funkelten in diesen seltsamen weiß und anders als sonst, empfand ich sie nicht als unangenehm. Das weiß, goldene Glitzern lullte mich fast ein. Herrjeh, ich war wohl hart auf den Kopf gefallen.
„Kann niemand mehr meine Gedanken lesen? Nina auch nicht?" fragte ich schließlich mit ungewöhnlich rauer Stimme. Er war mir viel zu nah, lag praktisch auf mir. Meine Entschlossenheit, ihn von mir zudrücken, verpuffte sich allerdings auf der Stelle, da er sich entschlossen hatte, sein Gesicht in meiner Hand zuschmieren. Ich würde wahrscheinlich an einem Herzinfarkt sterben, wenn das so weiter ging. Es war falsch. Er war ein narzisstischer gefallener Engel mit ernsten Aggressionsproblemen und nicht zu vergessen hatte er mir mehrfach gedroht. Ich litt an Hirnschwund. Definitiv.
„Nina konnte nie Gedanken lesen." seine kehlige Stimme brachte meinen Körper zu beben. Mannomann, ich war tatsächlich krank.
„Aber Oculus?"
„Er auch nicht. Oculus liest die Körpersprache und sendet die gesammelte Information an Nina."
„Ich könnte schwören, dass er meine Gedanken gelesen hatte." wisperte ich, während mein Daumen auf seiner Wange auf und ab strich.
„Die Körpersprache verratet viel."
Was verriet wohl unsere Körpersprache? Es wäre heuchlerisch, wenn ich leugnen würde, dass ich mich von ihm nicht angezogen fühlte. Er sah verdammt gut aus, selbst in diesen Zustand würde er jeden anderen Mann in den Schatten stellen. Sein Charakter war eine andere Baustelle. Wie auch immer, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mich attraktiv fand. Luzifer selbst hatte einmal gesagt, dass ich uninteressant war.
„Wieso habe ich eigentlich ein Shirt an? Was ist aus dem Kleid geworden?" schoss es mir auf einmal durch den Kopf. Es gab definitiv weitaus wichtigere Fragen aber irgendjemand hatte mich ausgezogen, denn ich war es bestimmt nicht und ich betete, zu wen auch immer, dass es nicht er oder Foras waren.
„Ich habe dich umgezogen. Du warst ganz schön lang ausgeschaltet." Damit war mein Rest an Würde dahin, denn bis auf das Shirt trug ich nur eine ziemlich kurze Shorts.
„D-du hast mich nackt gesehen?" schupste ich ihn kreischend von mir. Diesmal war er mir auf jeden Fall zu Nah.
„Wenn du dich besser fühlst, könnte ich behaupten das meine Augen geschlossen waren." Provokant funkelten seine Augen. „Allerdings müsste ich dann leugnen, dass ich das niedliche Muttermal, welches mich an einen Mond erinnert hatte, in der Mitte zwischen deiner Brüste gesehen habe. Und das wäre eine Schande."
Ich wollte sterben, so peinlich war das und sein schiefes grinsen machte die ganze Sache nur noch schlimmer.
„Wer ist Inanna?" wechselte ich das Thema und sah befriedigt zu, wie das schiefe Grinsen auf seinem Gesicht verschwand. So leicht würde ich mich nicht geschlagen geben und ich hatte verdammt nochmal Antworten verdient. Luzifer, der anderer Meinung war, brummte wütend und erhob sich vom Bett. Er war dabei die Plattform herunterzusteigen als er plötzlich stehen blieb. Ohne mich anzusehen ließ er die Bombe platzen: „Deine Mutter." Aus den verschiedensten Gründen aufgeregt rappelte ich mich ebenfalls aus dem Bett. 

Der Haufen an Fragen hatte sich dramatisch addiert. 

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt