Kapitel 37

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Ich weiß nicht wie ich mir den Ölberg vorgestellt hatte, definitiv aufregender als das was wir sahen. Er sah wie ein normaler Hügel aus, auf den am Fuß sogar Gebäude standen. Nichts Besonderes, würde auf dem Gipfel des Berges nicht eine Arme von Himmelsgestalten stehen. Ich fühlte mich, als würden wir in eine Schlacht ziehen und wir waren in Unterzahl. Vor den Mengen an Engeln standen vier, einer unter ihnen war Uriel, und etwas hinter ihnen Ambrose und die Rothaarige. Bevor wir sie erreichten, schnappte Luzifer meine Hand und umschloss sie fest. Ich sah zu ihn auf, blickte ihm in die weiß-leuchtenden Augen und erkannte sogleich, dass er bereit war mit mir zu sterben. Er war für das Schlimmste gefasst. Wahrscheinlich sollte ich in Panik ausbrechen, doch fühlte ich eine unheimliche Gefasstheit. Ich war so bereit wie er. Vor den Engeln angekommen, hob ich mein Kinn und blickte Uriel in die dunklen Augen. Er trug ein flammendes Schwert bei sich und blickte auf Inanna ehe er mir in die Augen sah. Kurz dachte ich, angst gesehen zu haben. Allerdings war es schneller vorbei, als das ich es deuten hätte können.
„Halbblut, dein Schicksal ist besiegelt. Die Erde bebt, dein Herz ist ergraut. Herold des Untergangs, bist du bereit, dein Schicksal zu akzeptieren und das eine zu Opfern, um alles zu retten?" sprach ein Mann, mit lockigen blonden Haar neben Uriel. Ich blickte mich um, bevor ich antworte. Musterte die Engel, welche mehr an Krieger erinnerten. Ich sah Uriel an, ließ meinen Blick zu Inanna wandern und fragte mich, wie diese zwei sich jemals Lieben konnten. Selbst, wenn es nur für eine Nacht gewesen war. Als ich zu Foras blickte, welcher seine Axt griffbereit geschultert hatte, wurde mir ungeheuer warm. Er war zwar ein Dämon, etwas was uns zu fürchten gelernt wurde, dennoch besaß er mehr Herz als manche Menschen oder sogar Engel. Foras war das Beispiel, dass man nicht immer alle nach dem Aussehen oder der Herkunft beurteilen dufte. Sein vernarbter Körper erzählte eine Geschichte der Grausamkeit, eine die ich wohl nie erfahren würde und dennoch hatte er Freundschaft und Liebe eine Chance gegeben. Er würde für mich sterben, so wie ich für ihn. Selbst Nina, die mit Oculus und anderen Reptilien wie eine Göttin dastand hatte einen besonderen Platz in meinem Herzen. Es gab wohl keine loyalere Person als sie. Bei Luzifer angekommen, wusste ich nicht wo ich Anfangen soll. Er war grausam, liebte Schmerz und Zerstörung, doch war er mehr. Er war ein Ausgestoßener, welcher sich mehr als jeder andere danach gesehnt hatte, geliebt zu werden. So sehr, dass er bereit war sich in Rache zu ertränken, gewissermaßen hatte er das getan. Sie alle machten mir mehr denn je bewusst, dass nichts scheint wie es ist. Für sie. Für Ben und Rhiannon, die hoffentlich ihren Frieden gefunden hatten. Für diesen Planeten und seine Bewohner, würde ich wohl alles geben. Ist es nicht grotesk, dass ausgerechnet ich, die die alles zerstörte, alles retten wollte?
„Ich bin bereit." sprach ich schließlich mit fester Stimme. Und wie bereit ich war.
„Hast du dieses Opfer gebracht, wirst du die reinste Lieber aller zeigen. Dunkler Friede, du wirst wiedergeboren, reiner und mächtiger. Mit dieser Tat werden die Sünden der Menschen verblassen und die Toten können in den Himmel fahren." sprach der Blonde, wurde von einem anderen abgelöst.
„Die Menschen werden eine neue Chance bekommen, die Tore der Hölle versiegelt. Du musst dich entscheiden, welchen Pfad du weiterschreitest. Doch, davor wird dein Herz verlangt, da es Ursprung alles Bösen ist." Ich hatte keine Ahnung was sie meinten, wie sollte ich mein Herz opfern? Würde ich tatsächlich sterben müssen und warum sah Luzifer mich an, als würde er etwas akzeptieren? Alle Fragen verblassten, als die Engel einen Weg bildeten, damit jemand durchschreiten konnte. Jemand, den ich für Tod gehalten hatte.
„Ben?" hauchte ich ungläubig und wollte auf ihn zu laufen, wurde jedoch von Luzifer zurückgehalten. Wütend funkelte ich ihn an.
„Wähle meine Tochter. Wählst du Dunkelheit, zwingst du uns zu einem zweiten Krieg zwischen Himmel und Hölle und zerstörst dabei die Möglichkeit für einen Neubeginn der Menschheit. Doch entscheidest du dich für Liebe und Licht, dann wird Gott dir entgegenkommen und deine Macht der Zerstörung in eine Macht der Wiedergeburt wandeln. Du würdest die Erde wiederherstellen, damit neues Leben erwecken." Uriel sagte das ohne jegliche Emotion, sein Blick wanderte beim Sprechen immer wieder zu Inanna, welche erneut in die Leere starrte. Was war nur mit ihr los?
„So oder so, verlangt er ein Opfer. Ein Opfer der Liebe." er sprach mit Nachdruck, als stünde eine versteckte Botschaft in ihr, die ich nicht verstand und anscheinend an Inanna gerichtet war.
Uriel kam auf mich zu, übergab mir sein flammendes Schwert und sprach: „Wähle, Luzifer oder Ben." Mein Herz sackte in die Hose. Das konnte man nicht von mir Verlangen niemals.
„Was?" flüsterte ich und starrte ihn aus großen Augen an, während Luzifer meine Hand losließ und einen Schritt zurück ging.
„Es ist okay Fia." sprach er leise. Nein, nein nichts war okay.
„Ich wähle mich selbst!" schrie ich aus, wobei beide, Ben und Luzifer, nein brüllten. Niemals könnte ich zwischen einen von beiden wählen. Das, das konnte man nicht verlangen.
„Das geht nicht." erklärte Uriel.
„Wieso sollte das nicht gehen? Ich soll die reinste Liebe zeigen, was beweist dies mehr, als mein eigenes Leben für die, die ich liebe, zugeben?" Ich war verzweifelt, wütend und am Ende. Mir war bewusst, dass ich indirekt zugab, Luzifer zu lieben. Ihm war es wohl auch aufgefallen, denn er starrte mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen.
„Weil in dir Leben heranwächst und unsere Seher, befürchten, dass falls dieses Licht erlischt, alles in Dunkelheit getränkt wird." Ich erstarrte, war damit nicht die einzige, denn sowohl Luzifer als auch Foras verkrampften sich. Ben sah aus Augen so groß wie Untersätze zwischen mir und den König der Hölle hin und her. Was Uriel von sich gegeben hatte, konnte nicht Stimmen.
„Was?" hauchte ich ungläubig, fasste mir auf den Bauch. Das konnte nicht sein.
„Ich kann mich nicht Fortpflanzen." erklärte Luzifer.
„Dennoch wächst dein Kind in ihr." erklärte ein anderer Engel.
Es war Ben, der mir anschließend den Boden unter den Füßen wegzog und sprach: „Fia, scheiß auf den Untergang, den Krieg und die Menschheit. Scheiß auf mich und alles andere. Das...das ändert alles. Du brauchst ihn, nicht mich."
Nein, nein, nein. Das Schwert lag schwer in meinen Armen und ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich konnte keinen von beiden Töten, konnte mein eigenes Leben nicht nehmen, wenn ein Kind, Luzifers Kind, in mir heranwachst.
„Wie kann das Möglich sein?" hauchte ich und brach in Tränen aus.
„Du bist es. Keiner kann sagen, wie machtvoll du eigentlich bist."
„Wo ist meine Macht, wenn ich sie brauche?" schluchzte ich. Ich kann, dass einfach nicht machen.
„Fia," flüsterte Luzifer, drehte mich zu ihm um und sah mich aus ebenfalls tränenden Augen an.
„Ich liebe dich und ich liebe das Licht in dir, doch befürchte ich, dass ich dieses kleine Wesen verderben würde. Ich lebe schon sehr lange und dachte, niemals dieses Gefühl erleben zu können, dennoch steh ich hier und bin unglaublich glücklich und traurig zugleich. Ich platze vor Liebe zu dir und ich weiß, dass ich das zwischen uns bereits zerstört habe. Du hast selbst gesagt, dass es zu spät wäre also bitte ich dich, das Schwert zu heben, und es mir in die Brust zu rammen. Ich verspreche, dass ich dich dabei die ganze Zeit halten werde und erst loslasse, wenn mein Leben erloschen ist."
Ich ließ das Schwert fallen, stürzte zu Boden und schrie mir die Seele aus den Leib. Mein ganzer Leib zitterte während ich mich verlor. Nein, nein, nein. Nichts von all dem konnte ich machen. Nichts.
„Was, wenn ich nichts der gleichen unternehme?" wimmerte ich leise.
„Dann sterben alle beide, und mehr." erklärte der blonde Engel. Luzifer setzte sich ebenfalls auf den Boden, zog mich auf seinen Schoss und strich mir mein kurzes Haar aus dem Gesicht.
Ich schluchzte, schüttelte meine Kopf und brach. Er würde mich zwingen, dass wusste ich. Luzifer verlangte von mir, dass ich ihn opfere, weil er glaubt, bereits verloren zu haben.
„Ich liebe dich!" schrie ich aus. Seine Tränen tropfen auf mein Gesicht, während er mich glücklich anlächelte. Scheiße, ich liebte ihn und ich konnte das nicht.
„Du wirst eine gute Mutter," haucht er, beugte sich und gab mir einen Kuss, der alles in mir sprengte. Er war sanft, liebevoll und schrie nach Abschied. Seine Zunge streichelte mich, prägte sich wohl alles ein letztes Mal ein. Nein, nein, so durfte das nicht enden. Ich schwor alles zu tun, doch, doch das konnte ich nicht. Ich konnte nicht die beiden Opfern, die ich mehr als mein eigenes Leben liebte.
Luzifer griff nach den Schwert und legte es mir in die Hand, legte seine anschließend darüber.
„Nein!" schrie ich, versuchte mich ihm zu entziehen. Doch er hielt mich fest, führte das Schwert zu seinem Herzen und lächelte mich ein letztes Mal an. „Ich liebe dich!"
Plötzlich passierte alles auf einmal. Der Boden unter unseren Füßen bebte, die Engel schrien und Uriel tat das Unmögliche. Noch ehe sich das flammende Schwert durch Luzifers Brust bohren konnte, zog er einen Dolch hervor. Er sah den, den Lilith mir überreicht hatte ähnlich, den, welchen Inanna schlagartig in ihrer Hand hielt. Bevor auch nur irgendjemand reagieren konnte, rammten sie sich die Dolche gegenseitig in die Bäuche. Ich schrie entsetzt auf, während ihre Leiber zu Boden stürzten. Chaos brach aus, doch war es noch nicht vorbei. Der schwarzhaarige Engel pirschte nach vorne, schmiss sich auf Foras, welcher seine Axt wegschmiss. Er schmiss seine einzige Waffe weg!

„Foras!" schrie ich panisch, zog mich auf meine Füße. Ich war zu spät, Ambrose hatte ihn aufgespießt.
„Nein!" brüllte ich entsetzt, stürzte zu dem Wüstendämon und zog seinen schweren Leib auf meinen Schoss. Was ging hier vor sich?
„Foras?" weinte ich und sah ihn schockiert an. Seine Atmung ging unregelmäßig, sein Puls war schwach und schwarzes Blut quoll aus der Wunde in seiner Brust. Wie in Trance, zog ich das Schwert mit goldener dünnen Klinge heraus, schmiss es in die Ferne und presste meine Hände gegen die Öffnung.
„Foras!" schrie ich, da seine Brust sich kaum noch hob.
„Uriel, er sagte, So oder so, verlangt er ein Opfer. Ein Opfer der Liebe."
„Ich versteh nicht? Bleib bei mir okay, bitte verlass mich nicht!" Benommen stellte ich fest, dass Ben auf der anderen Seite von Foras saß und ohne zu zögern die Hand des Wüstendämons nahm. Er stand ihm bei, obwohl er ihn nicht kannte, denn egal wie fest ich meine Hand gegen die Wunde drückte, tief in mir wusste ich, dass es nicht helfen würde.
„Gott verlangte, ein Opfer der reinsten Liebe, doch gibt es keine Messlatte, wenn es um Liebe geht." Foras lächelte, sah gen Himmel, während eine einzelne Träne aus seinen Augen über seine Wange rollte, dann stoß er ein letztes Mal einen Atem aus.
„Nein!" schrie ich, während er von uns ging. Auf eine Reise, die er wohl alleine beschreiten muss.

Foras, Inanna und Uriel hatten sich geopfert, unwissend ob ihr Plan funktionieren könnte. Deshalb hatte Foras mit meiner Mutter geheimnisvoll geflüstert, hatte Uriel die versteckte Botschaft ausgesprochen. Gott verlangte, dass ich mich entscheide und meine Freunde beschloss mir dies abzunehmen. Du, Herold, bist das Kind des Lichts und der Dunkelheit, trägst beides gleichermaßen in dir und nun musst du, um alles zu retten, alles opfern. Das hat die Rothaarige gesagt und obwohl ich theoretisch nicht diejenige war, die das Schwert gezuckt hatte, hatte ich alles geopfert. Die Engel waren voreilig, dachten, dass Luzifer und Ben, die einzigen waren, denen mein Herz gehörte. Es war Foras, ein Dämon der Hölle, der wohl mehr als wir alle auf diesen Berg, das Konzept der Liebe verstanden hatte. Und es waren Inanna und Uriel, meine Eltern, ein Sklave der Dunkelheit und ein Ritter des Lichts, die zusammen starben. Die beiden liebten sich trotz der jahrelangen Feindschaft, es war eine Liebe, die letztendlich mit den Tod endete. Gott wollte ein ultimatives Opfer, er hatte wohl die größten der Geschichte bekommen und ich würde lernen müssen zu schwimmen, denn der Kummer zog mich brutal in das tiefe Meer des Verlusts. 

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt