Kapitel 19

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Aufgeregt lief ich neben Foras her, welcher das alles so schnell wie möglich erledigen wollte. Leider bedeutete dies, dass keine Zeit zum umziehen blieb. Jeder versuch meinerseits wurde ignoriert, da er nicht verstand was mit meiner Kleidung falsch war. Mein Argument, dass es mehr Schlafkleidung war, hatte ihn irritiert und so fand ich bedauerlicherweise heraus das er nackt schläft. Ich beäugte ihn verstohlen. Er sah gar nicht so schlecht aus. Okay, nein dies nahm eine falsche Richtung. Mit ihm Schritt zuhalten entpuppte sich als Sport, da er riesige Schritte machte und mir nichts anderes übrig blieb als zu joggen. Vor den Höllenportal blieb Foras stehen.
„Diesmal denk auf gar keinen Fall an Inanna, verstanden?" erklärte er mit Nachdruck. Verdutzt runzelte ich die Stirn. Er selbst hatte mir gesagt, dass das Höllenportal so funktionierte und wir wollten doch zu ihr.
„Denk an mich, okay. So kommst du mit mir an den richtigen Ort."
„Ich verstehe nicht aber okay?" Ich würde ihn umbringen, wenn wir in der Hölle verloren gehen, umschloss aber trotzdem seine große Hand, die er mir entgegenhielt. Er sah auf meine kleine Hand in seiner großen Pranke, wie wenn sie das Zerbrechlichste wäre, was er jemals hielt. Plötzlich hatte ich Angst, dass er mir unabsichtlich die Hand brechen würde. Beim Niesen zum Beispiel.
„Bevor wir gehen musst du Wissen, dass alles seinen Grund hat." damit zog er mich durch das Höllenportal. Wie beim letzten Mal wiederholte ich panisch einen Namen, diesmal allerdings einen anderen. Als ich meine Augen öffnete, welche ich vor Angst geschlossen hatte, sah ich Steinmauern. Waren wir in einer Höhle? Zu meinen Füßen war dunkle Erde, die Wände bestanden aus Stein und vor uns erstreckte sich ein langer dunkler Tunnel, hier und dort war eine Fackel angebracht. Foras zog mich unbeirrt einfach mit in den unterirdischen Gang. Umso tiefer wir gingen, desto wärmer wurde es. Wehmütig vermisste ich kühle Winterbrisen, da ich kalte Temperaturen bevorzugte. Mein neuer Freund beschleunigte seinen Gang und brachte mich damit fast zum Stolpern.
„Foras, mach mal langsamer!" zischte ich. Der Dämon lachte auf, verringerte aber sein Tempo auf Fia-Niveau. Wir gingen still immer weiter, bogen zweimal ein und kamen schlussendlich in einer größeren Höhle zu stehen.
„Ach du heilige Scheiße." stammelte ich meine Umgebung bestaunend. Die größere Höhle war nicht nur größer, sondern gigantisch. Flüsse von Lava durchbrachen an manchen Stellen den Boden aber am erschrecklichsten waren die Geysire, welche aus Feuer bestanden und wie es schien überall waren. In der Mitte der Höhle war ein See, der anstelle von Wasser einen bläulichen Dampf hatte. Brennendes Gas, schoss mir eine Erinnerung durch den Kopf.
„Willkommen im Gefängnis der Dämonen." verkündete er. Fassungslos drückte ich die große Pratze fest, da die Schreie, welche ich die ganze Zeit schon gehört hatte, hier am lautesten waren. Weniger mutig als zuvor ließ ich mich von Foras durch die Höhle führen, bedacht mich nicht grillen zulassen. Ich musterte die Höhle genauer und sah an manchen Stellen Löcher an der Wand, welche gerade so groß waren, dass ein Mensch, in diesem Fall Dämon, hindurch passte. Man konnte allerdings nicht hineinsehen, da grünes Licht wie eine Mauer hervorgezogen war. „Das sind Zellen, in denen die Gefangenen hin und wieder Illusionen ausgesetzt oder gefoltert werden, ehe sie letztendlich im Fegefeuer landen. Das grüne Licht ist ein Zauber, besser als jedes Schloss." erklärte er, da er wahrscheinlich meinen verwirrten Blick sah. In den Moment, wo sich unsere Blicke trafen, wurde wir so einiges klar. Foras war hier nicht zum ersten Mal, dies gab der schwere Unterton seiner Stimme, sowie der verschlossene Gesichtsausdruck, preis. Meine Augen wanderten auf der Stelle zu seiner zerfetzten Gesichtshälfte. Er selbst meinte, dass man in diesen Zellen gefoltert wurde. Ich wollte etwas sagen, entschied mich dann doch dagegen. Nur weil ich Neugierig war, sollte er seinen Schmerz nicht noch einmal durchleben. Das wäre nicht fair.
„Vergiss nicht. Alles hat seine Gründe. Gute Gründe," erinnerte er mich und hielt vor einer dieser Zellen. Was nur bedeuten konnte, dass Inanna eine Gefangene war. Idiotisch, wie ich war, hatte ich bisher nicht hinterfragt wieso wir ausgerechnet hier waren. Mir wurde augenblicklich schlecht.
„W-wie kommen wir dort hinein?" wisperte ich. Er zwinkerte mich an, zog mich dichter an ihn und flüsterte mir etwas ins Ohr: „Ich weiß so gut wie alles, auch den Spruch um uns unversehrt in und aus diese Zeller zu bugsieren." Damit zog er uns in die grünen Flammen. Bilder von verbrennenden, zu Staub fallenden bösen Hexen tauchten in meinem Kopf auf und brachten mich hysterisch zum Lachen. Luzifer würde es sicher nicht gefallen, wenn ich zu Staub zerfalle. Mein Lachen erstickte unmittelbar nachdem wir uns heil in der Zelle befanden und ich eine an der Mauer angekettete Gestalt sah. Die Arme wurden weit nach oben gestreckt, die Füße waren in kurzen Ketten, welche seltsam schimmerten, am unteren Ende der Mauer befestigt. Ihr Kopf hing schlaff vom Körper und das lange dunkle Haar zog ihn wahrscheinlich schwer nach unten. Sie war größer als ich, trotzdem galt sie nicht als groß, wahrscheinlich 1.65 Meter. Inanna trug ein dreckiges mehr braun als weißes Kleid, das ihr teilweise zerfleddert vom Körper hing. Ihre Figur einst vielleicht filigran erinnerte an ein Skelett, trotzdem sah ich gewisse Ähnlichkeiten. Ich konnte nicht leugnen, dass wir Verwand waren.
„Inanna!" spuckte Foras verächtlich. Irritiert sah ich meinen höllischen Freund an. Diesen Ton kannte ich bei ihm nicht. Die angesprochene hob ihren Kopf, sah Foras argwöhnisch an, dann ließ sie ihre Augen, die gelb und nicht dunkelbraun waren, zu mir wandern. Erschrocken holte sie tief Luft und nuschelte gehetzt etwas in einer fremden Sprache.
„Hallo." gab ich überfordert von mir. Das war also die Frau, die mich zur Welt gebracht hatte um mich in einer Babyklappe zurückzulassen.
„Wie habt ihr sie gefunden?" Sie hatte einen sonderbaren Akzent, wenn sie sprach, ihre Stimme klang rau, weniger freundlich und passte nicht zu ihrer zierlichen Gestalt. Wütend funkelte sie Foras an, welcher ihren Blick wiederum neutral erwiderte.
„Der Schutzzauber war nicht sonderlich stark." Schutzzauber? Inanna gab ein Knurren von sich, spuckte ein fremdes Wort, wahrscheinlich eine Beleidigung, aus und wandte ihren Blick anschließend wieder zu mir. Ich wusste nicht was ich von ihr halten sollte, immerhin wollte sie mich nicht und war zu allem Übel auch noch ein Dämon. Trotzdem gefiel mir nicht, dass sie angekettet war und wie mir scheint Schmerzen litt.
„Wieso ist sie angekettet?" fragte ich Foras. Er wollte gerade antworten wurde aber von Inanna unterbrochen.
„Weil ich dich zur Welt gebracht habe." erklärte sie emotionslos. Autsch. Wenigstens wusste ich damit mit Sicherheit, dass etwas gewaltig faul war. Ohne Grund hätte Satan meinen Tod nicht gewollt, Luzifer mich nicht mitgenommen und sie nach meiner Geburt keinen Schutzzauber ausgesprochen. Zum ersten Mal in meinen Leben fragte ich mich, ob sie mich vielleicht gar nicht weggeben wollte und ihr einfach nichts anderes übrig blieb.
„Wir sollten wieder gehen. Du wolltest sie sehen und das hast du jetzt, komm." sprach er und legte eine seiner großen Hände auf meine Schulter, welche ich von mir abschüttelte. Entschlossen ging ich einen Schritt zu ihr nach vorn.
„Was hat das zu bedeuten?" fragte ich sie, während Foras fluchte.
„Er hat dir seine Augen geerbt." flüsterte sie und diesmal sah ich sogar eine Gefühlsregung, Verachtung. Oje, ich war wohl ein Scheidungskind. Sie sprach weiter, wie wenn sie das nie gesagt hätte: „Hör mir gut zu, Kind. Glaub ihnen kein einziges Wort. Lerne dich und zu was du Fähig bist kennen. Jetzt wo der Schutzzauber gebrochen wurde ändert sich alles." Sie sprach so hektisch, dass ich Mühe hatte mitzukommen. Foras packte mich entschloss am Arm und zog mich zum Ausgang. Ich stemmte meine Füße mit voller Kraft in den Boden, erfolglos. Er strengte sich nicht einmal an, während er mich durch die grünen Flammen nach draußen zog. Dennoch hörte ich Inannas letztes Wort. Es war ein Name. Uriel.
„Was sollte das!" fauchte ich den Dämon wütend an.
„Du sagtest sehen, nicht sprechen," erklärte er teilnahmslos.
„Uriel." Ich wiederholte den Namen mehr für mich selbst, doch Foras Gesichtsausdruck, warf die Sache in ein anderes Licht.
„Wer ist das?" Keine Antwort. Stattdessen ging er ohne auf mich zu warten weiter.
„Foras?" versuchte ich erneut und minderte den Abstand zwischen uns.
„Niemand. Fia, du darfst unter keinen Umständen vor Luzifer diesen Namen erwähnen, verstanden?" Nachdrücklich sah er mich an. Diesmal antwortete ich nicht. Wenn er mir keine Erklärung gab, dann holte ich mir die Informationen von Luzifer. Aufgrund meines Schweigens begann er vor Wut zu zittern. „Fia! Im Gegensatz zu dir hat mein Leben für ihn keinen Wert. Erwähnst du diesen Namen bei Luzifer lande ich schneller als du Fegefeuer sagen kannst in genau dem." Und so war mein Entschluss dahin. Foras blühte schon eine große Gefahr, weil er mich hierher gebracht hatte. Ich könnte mir nicht verzeihen, wenn ihm etwas wegen mir zustoßen würde.
„Ich verspreche diesen Namen nicht wieder zu erwähnen. Er bleibt ein Geheimnis zwischen zwei Freunden." erklärte ich ergeben und beobachtete den überraschten Zug in seinem Gesicht.
„Freunden," wiederholt er leise das Wort, nahm meine Hand in seine und führte uns wieder aus der großen Höhle. Zurück zu Luzifers Anwesend, wo unser kleiner Ausflug schon für große Aufmerksamkeit sorgte.

Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt