22.| Schwarzes Loch

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Emely

Es fühlt sich an, als würde ich in einem schwarzen Loch in einer klebrigen Masse schwimmen und vergeblich versuchen, herauszukommen. Ich drücke und presse mich dagegen, doch ich schaffe es nicht. Alles um mich herum ist schwarz. Ich höre ein nervtötendes Piepen, kann meine Körperteile ausfindig machen, sie spüren, aber nicht bewegen. Eine Barriere legt sich zwischen den Willen und die Kraft. Ich spüre einen leichten Druck und Wärme auf meiner linken Hand. Oder ist das die Rechte?

In meinen Ohren rauscht es, mein Kopf dröhnt, plötzlich höre ich eine dunkle, warme Stimme.

,,Emely. Isabella. Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen, ich hätte dir hinterher rennen müssen. Wäre ich nicht so ein Idiot gewesen, wären wir jetzt nicht hier. Du wärst-", seine Stimme bricht und er räuspert sich. ,,Du wärst beinahe gestorben. Es hat nicht mehr viel gefehlt. Du hattest Recht. Auf meiner Kappe sind schon so viele unschuldige Menschenleben und fast wäre es noch eins geworden"
Lange ist es still und ich höre wieder nur das Piepen und Rauschen. Ich will etwas zu dieser Person sagen. Ihr klar machen, dass sie keine Schuld trifft, sie fragen, wer sie ist. Doch ich kann nicht. Ich komme nicht aus diesem schwarzen Loch hinaus.

Das Gefühl auf meiner Hand, dessen Seite ich noch immer nicht angeben kann, verlässt mich. Sie wird kalt, die Wärme ist weg. ,,Es tut mir so leid. Ich werde niemals ein Vater für dich sein, aber ich werde bei dir bleiben, auf deiner Seite stehen. Was ich verpasst habe, kann man nicht nachholen. Ich verspreche, dir zu helfen und für dich da zu sein. Aber bitte... wach wieder auf!"

Ich spüre einen Kuss auf meiner Schläfe. Sanfte Lippen. Schritte. Stille. Dröhnen. Rauschen. Ich will schreien, die Luft aus meiner Lunge lassen. Wut hat sich in mir angestaut. Ich will zeigen, dass ich zuhöre- zeigen, dass ich da bin. Ich will diese Menschen sehen, die da an meinem Bett sitzen und mit mir reden- meine Hand halten- weinen, meine Stirn küssen, mir übers Haar streichen. Die dunkle, warme Stimme kommt immer wieder, aber ich kann sie niemandem zuordnen, genausowenig wie die Zeit, die vergeht. Ich sehe kein Gesicht, keinen Namen. Mein Kopf ist leer. Ich höre so viele Stimmen, aber kenne keine Einzige mehr.

Plötzlich nimmt das Dröhnen zu. Ich drehe mich. Meine Trommelfelle drohen zu platzen, zu zerreißen, herauszuspringen. Das nervige Piepen nimmt zu, wird lauter, schriller, energischer. Schreit, so wie ich es tun will. Es schreit so lange mit wenigen Abständen, bis es keine mehr hat. Ein einziger Schrei. Immer dieselbe Tonlage, ohne Pause, ohne Abstand. Keine Pause, kein Abstand. Das Dröhnen nimmt zu. Keine Pause, kein Abstand. Das Dröhnen verschwindet. Das Rauschen hört auf. Das Schreien verblasst.

Ich habe keine Schmerzen- versinke in der klebrigen Masse, in dem schwarzen Loch. Es frisst mich auf und alles wird still.

Steve

Ich stehe am Kaffeeautomaten des Krankenhauses und warte auf meinen doppelten Espresso, als eine Menge Leute in Krankenhaudkleidung an mir vorbeirennen. Sie spurten in einen Raum und beim Öffnen der Tür schallt ein einziges Piepsen zu mir. Ich brauche kurz, um zu begreifen, dass es Isabella's Zimmer ist, aus dem das Piepsen kommt. Sofort vergesse ich die heiße Brühe und renne in den Raum.

Dort liegt sie. Immernoch regungslos, aber etwas ist anders. Sie liegt da in dem Bett, um sie herum Ärzte und Schwestern und- sie atmet nicht. Hinter mir kann ich Danny, Chin, Lou und Kono ausmachen. Eine Schwester kommt auf mich zu und will mich aus dem Raum bringen, doch ich wehre mich.

,,Lassen Sie mich los! Ich will zu Emely! Was ist mit ihr? Warum atmet sie nicht! MACHT DOCH WAS!"

Tränen strömen über meine Wangen. Sie darf nicht sterben, ich hatte doch keine Zeit mit ihr. Sie ist zu jung. Ich werde an den Schultern gepackt und aus dem Raum gezogen. Die Tür geht zu. Das Piepsen verstummt. Es ist ruhiger. Ein Schluchzen entfährt meinen Lippen. Jemand dreht mich um und nimmt mich in den Arm. Es ist Danny.

Doch so dankbar ich ihm auch bin, ich will das nicht. Ich reiße mich von ihm los, verspüre Wut, Trauer und Hass, stapfe auf die Wand mir gegenüber zu und schlage einmal rein. Schmerz durchfährt meine rechte Hand. Ich sehe auf sie hinab. Sie blutet. Es gibt mir Genugtuung, doch weder beruhigt es mich, noch lässt es den Hass verblenden.

,,Ihr bleibt hier und ruft sofort an, wenn etwas ist. Danny, mitkommen!", und ich laufe los, auf Danny's Camaro zu und steige ein. Danny steigt dazu. ,,Steve, was...?"- ,,Nicht jetzt, Danny!"

Ich trete auf's Gas und nach fünfminütigem Rasen sind wir am Hauptquartier angekommen. Sofort steige ich aus und gehe in den Verhörraum. Danny folgt mir. Ich reiße die Tür auf. In der Mitte des kühlen Raumes sitzt Rico Garcias. Ich laufe auf ihn zu und schlage ihm eine mit der Faust rein. Dann nochmal, nochmal, nochmal und nochmal. Bis mir die Rechte Faust wehtut und ich auf die linke zugreife.

Als mir beide Hände wehtun, höre ich auf, sehe in Rico's blutendes Gesicht und muss bei diesem Anblick lachen.

,,Was zum Teufel?!", Flucht der angekettete Mann auf dem Stuhl ,,Was soll das?!"

,,Was das soll? WAS DAS SOLL?!", schreie ich aus voller Kehle, ziehe meine Waffe aus dem Holster und schieße ihm in den Oberschenkel. Ohrenbetäubend laut schreit er auf. Erbärmlich.

,,ISABELLA HABEN SIE AUCH NICHT GESAGT, WAS DAS SOLL UND JETZT IST SIE IM KRANKENHAUS UND STIRBT!" Ich schieße nochmal und nochmal. Rico schreit um Hilfe, Tränen strömen aus seinen Augen. Seine Hilferufe kann er sich in den Arsch stecken. Ich habe keinerlei Mitleid mit diesem Menschen, der den Begriff Mensch nicht verdient hat. Monster würde eher passen.

Danny steht hinter mir und sieht zu- stoppt mich nicht. Innerlich danke ich ihm.

Ich laufe ganz nah an dieses Ekelpaket von Monster heran und flüstere ihm in sein blutunterlaufenes Ohr: ,,Ich will, dass Sie verbluten. Ich will, dass Sie die selben Schmerzen haben, wie Emely. Ich will, dass Sie leiden"

Dann schieße ich ihm in den Bauch, wie er es bei Emely getan hat. Ich stecke meine Waffe zurück ins Holster und drehe mich zu Danny. ,,Ruf das HPD. Bis die da sind, ist er tot und können ihn wegbringen"

Danny nickt und wir beide gehen aus dem Verhörraum. Mein Partner läuft mir hinterher und ich laufe wieder zum Auto, steige ein und starte wieder den Wagen. Dann fahre ich ebenso schnell wie davor ins Krankenhaus.
Emely darf nicht tot sein!

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