23.| Gedanken

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Steve

Keine vier Minuten später renne ich wieder durch die Gänge des Hospitals. Danny versucht, mit mir Schritt zu halten. Als wir an Emely's Zimmer ankommen ist fast alles so, wie vorher. Meine Ohana sitzt auf dem Boden.

,,Und?", Frage ich. ,,Nichts. Die sind da immernoch drin, ihr wart aber nur eine Viertelstunde weg"- ,In einer Viertelstunde sterben so einige Menschen!", entgegne ich und entschuldige mich sofort wieder.

Kono winkt ab und sieht auf meine blutunterlaufenen Hände. Ihr Blick verdüstert sich. ,,Was hast du gemacht?!"- ,,Rico getötet"

Entgegen aller meiner Erwartungen nicken alle, als hätten sie es schon erwartet. Danny setzt sich zu den anderen auf den Boden und atmet laut aus. Ich bleibe stehen und Blicke auf meine Freunde.

Sie alle haben Emely in ihr Herz geschlossen, sonst würden sie jetzt nicht hier sein und innerlich vor Ungeduld und Angst sterben. Auch, wenn sie uns viel vorenthalten hat, haben Chin und Danny Recht. Keiner hätte in so einer Situation anders gehandelt, warum also Emely?

Emely. Isabella. Meine Tochter. Gott, das ist doch absurd! Unmöglich kann ich Vater sein. Das passt überhaupt nicht zu mir. Ich bin Lieutnant Commander Steve McGarett, Ex-Navy-SEAL, Leiter einer Special-Taskforce. Vater sein ist nicht meine Welt, das wird es auch niemals sein, dafür ist es zu spät.

Aber womöglich könnte ich das auch garnicht mehr sein, selbst, wenn ich wollte. Sie ist achtzehn Jahre lang ohne einen Vater ausgekommen, warum sollte sie mich jetzt brauchen? Dennoch fragt sich dann, warum sie mich aufgesucht hat.

Ich habe auch immer einen Vater gebraucht und tue es jetzt noch, geht es mir durch den Kopf.

Stimmt. Es ist niemals zu spät dafür. Emely braucht mich- uns. Ich sehe zu den anderen. Lou starrt regungslos an die Wand. Er hat Emely besonders tief und von allen am Meisten ins Herz geschlossen. Er war am Anfang, als sie dazukam, nicht mal richtig misstrauisch. Eine Träne fließt aus seinem Auge und tropft auf das bunte Hawaii-Hemd.

Dann sieht er zu mir. Er sieht wütend, traurig und niedergeschlagen aus. Gibt er mir die Schuld? Gut, ich gebe sie mir auch, aber ich würde trotzdem gerne wissen, was er gerade denkt.

,,Wenn sie überlebt", beginnt Lou und steht auf, um auf mich zu zugehen. ,,Dann wirst du ihr ein guter Vater sein und sie verdammt nochmal in diese Taskforce aufnehmen. Sie hat alles verdient, aber nicht, zu sterben, McGarrett!"

Während er auf mich zu läuft, zeigt er drohend mit dem rechten Zeigefinger auf mich.
Ich nicke. ,,Ich kann kein Vater für sie sein, dafür ist es zu spät. Aber ich werde alles für sie tun, so wie mein Vater es für mich tat"- ,,Besser ist es, sonst erschieße ich dich und adoptiere sie", knurrt er, bevor er mich in eine feste Umarmung zieht.

Als wir uns lösen, sehe ich zu Kono und Chin. Auch die beiden haben Emely gerne. Wie kann man auch nicht? Kono hat ihren Kopf auf Chins Schulter gelegt, welcher gedankenverloren an die gegenüberliegende Wand sieht und seine Handknochen knacken lässt.

Dann schaue ich zu Danny. Auch er scheint, in den Gedanken ganz woanders zu sein. Denkt er an seine Tochter Grace? Sie ist ein paar Jahre jünger als Emely. Ich habe das Gefühl, dass Danny das ganze besonders mitnimmt und kann es ihm auch nicht verübeln. Er weiß, wie es ist, Vater zu sein. So etwas ist auch schlimm und dann noch zu wissen, wie diese Liebe sein kann, macht alles nur schlimmer.

Ich schaue zur Wand, an die alle anderen auch starren. Da hinter dieser Wand liegt Emely. Oder Isabella. Und sie kämpft um ihr Leben.

Dann spüre ich es. Ein heftiger Stich macht sich in meiner Brust breit und treibt mir Tränen in die Augen. Ich lasse mich gegen die Wand knallen und rutsche an ihr herunter. Die Augen kneife ich zusammen. Tränen schießen weiter aus meinen Augen. Schmerz, ganz viel Schmerz. Er breitet sich durch meinen Körper aus und trifft alle meine Nerven. Ich höre mich schluchzen und kauere mich zusammen. Der Schmerz soll sich eindimmen, aber er breitet sich trotzdem aus.

Dazu kommt Angst. Die Angst, um meine Tochter, die ich gerade erst kennengelernt habe und sie doch nicht kannte. Ich will Zeit mit ihr, ich will ihr Vater sein. Sie darf nicht sterben. Nein!

,,NEIN!", schreie ich immer und immer wieder. Arme schließen sich um mich und ziehen mich in eine Umarmung- wollen mich beruhigen. Ich habe meine Augen zusammengekniffen und schluchze einfach vor mich hin.
So fühlt es sich also an, wenn man richtige Schmerzen hat.

Irgendwann beruhige ich mich und lehne mich gegen die Wand. Meine Augen halte ich geschlossen. Ich will niemanden sehen- außer Isabella, aber lebend.

Ich dämmere leicht weg, als ich das Öffnen einer Tür höre. Schnell reiße ich meine Augen auf und sehe zur Tür. Ein Arzt kommt heraus und sieht mich erschöpft an. Sein Blick sieht mitleidig aus. Er sagt nichts, sieht mich nur aus traurigen Augen an.

Bis ich realisiere was vor sich geht, vergehen ein paar Sekunden.

,,Nein", hauchte ich. ,,Nein, Nein. Bitte nicht! NEIN!"

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