27.| Geständnis

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Steve

Isabella hat mir gerade von ihren Erlebnissen mit Alesha erzählt und wie sie vor dem Feuer stand und ihre Mutter darin brennen sehen musste. Sie war doch erst fünf Jahre alt und doch schon so erwachsen. Das ist verrückt, was eine Hochbegabung nur ausmachen kann.

,,Daher also die Narbe und das Brandmal am Arm...", schlussfolgere ich. Sie nickt und reibt über ihren rechte Unterarm, dann redet sie weiter.

,,Naja, um ehrlich zu sein habe ich mir um Unterlagen keine Gedanken gemacht und es kam auch keiner auf die Idee mich nach irgendwas zu fragen. Ich meine... ein fünfjähriges Kind, das ist doch voller Fantasie und erfindet gerne was. Ich kann es niemandem verübeln. Ich hätte ihnen sagen können, dass ich hochbegabt bin, aber ich habe mich nicht getraut.

Auf jeden Fall kam ich dann ins Kinderheim und lebte dort auch die nächsten elf Jahre in Frieden mit allen. Ich vermisste Mum und tue es auch heute noch. Aber ich habe gelernt mit dem Schmerz umzugehen. Tatsächlich bin ich nie auf die Idee kommen, nach meinem Vater zu suchen. Bis jemand aufgetaucht ist und mein Leben veränderte und auch deines jetzt. Obwohl... dich und dein Leben hat sie vorher schon beeinflusst"- ,,Wer war diese Person?", frage ich ungeduldig.

,,Ihr Name war Catherine Rollins. Sie kam jeden Dienstag und Donnerstag vorbei und wollte und Kindern aus dem Heim erklären, wie man sich verteidigen kann... sie wollte uns wirklich helfen und auf das schutzlose Leben da draußen vorbereiten. Du musst wissen, vor zwei Jahre, als ich sechzehn war, da sah ich die Welt noch ganz anders, hatte Angst vor ihr. Ich habe mich immer nur in meinen Büchern versteckt, mich nicht um die Außenwelt gekümmert und als Catherine kam und Emely, meine Freundin, mich überredet hat, dazu zu kommen, dachte ich, ich könnte sowas nie schaffen.

Ich dachte, ich würde wie so oft nur die Theorie können, aber nichts in die Praxis umsetzen. Hätte man mir gesagt, dass ich nichtmal ein halbes Jahr später gegen Drogenbekiffte Kerle kämpfen und gewinnen würde, hätte ich gelacht.

Jedenfalls... Catherine kam jeden Dienstag und Donnerstag. Sie zeigte uns die Basics, die man zur Selbstverteidigung eben braucht. Doch ich wurde immer wissbegieriger und wollte mehr lernen. Catherine erkannte mein 'Talent', wie sie es nannte.

Oft kam sie auch am Wochenende zu mir und wir übten gemeinsam. Sie brachte mir so viel bei, erzählte mir Dinge, über die SEALs. Ich war so fasziniert davon, was man als Mensch alles tun konnte, dass ich bald schon gefühlt eine halbe Ausbildung hinter mir hatte. Das Kämpfen, de Selbstverteidigung... das alles machte mich mutiger. Ich erhob meine Stimme, ließ mich nicht mehr Ärgern und sagte meine Meinung. Catherine gab mir Selbstvertrauen"

Alles ergab plötzlich einen Sinn. Ihr Verhalten, ihre Erscheinung, ihre Umgangsweise. ,,Deshalb konntest du so viel. Deshalb die Handschellen, die Wortwahl, deine Haltung, auch gegenüber mir"

,,Ja...", haucht das Mädchen vor mir peinlich berührt und sieht auf die Hände. ,,Auch das mit dem Kaffee habe ich gemerkt, Steve. Ich wusste schon von Anfang an, dass du misstrauisch gegenüber meinem Verhalten bist und als du mir den Kaffee mit Butter gemacht hast und deine Reaktion dementsprechend ausfiel, wusste ich sofort, was los war. Catherine hatte mir erzählt, dass man das bei den SEALs trinkt, da es die Nervenzellen ankurbelt. Besseres Reaktionsvermögen und bessere Konzentration. Ich trinke das schon seit drei Jahren und so schlimm ist es garnicht mehr... Ich habe mich an genau solchen Dingen festgehalten, weil ich versucht habe, jemand zu sein. Ich wusste nie, wer ich bin und wohin ich gehörte. Alle Kinder in meinem Alter fanden mich komisch und merkwürdig, sie wollten nichts mit mir zu tun haben und ich ehrlichgesagt auch nichts mit ihnen. Sie waren keine guten Gesprächspartner..."

,,Okay, das klingt ja alles ganz... glaubwürdig", beginne ich. Emely's Augen ziehen sich augenblicklich zusammen. ,,Aber deine Akte?"- ,,Du hattest von Anfang an Recht, Steve. Ja, die ist gefälscht. Jedenfalls nur das Bild, ein paar Randdaten und der Zweitname"

Isabella, das ist ihr Zweitnahme in der Akte gewesen.

,,Stopp, von vorne. Wie kam es erst dazu, das du die Akte gefälscht hast?", Isabella seufzt auf.

,,Naja, Catherine und ich wurden ziemlich gute Freunde, weil wir auf der selben Augenhöhe waren. Ich konnte mich immer besser mit älteren Menschen unterhalten. Sie hat mir oft aus ihrem Leben erzählt und auch dich erwähnt. Als ich das erste mal deinen vollen Namen hörte, wusste ich, dass das nicht nur ein Zufall sein konnte. Ich meine, wie viele Menschen auf dieser Insel heißen so? Ich habe mich schlau gemacht, Catherine weiter ausgefragt über dich und ob sie etwas von einem Kind wüsste. Daraufhin hat sie mich nur komisch angesehen. Sie kannte meinen Nachnamen nicht, da sie vom Kinderheim nicht genannt wurden"

Ich kratze mich am Kopf. Das alles wird mir zu viel, aber trotzdem will ich mehr wissen. Einfach ALLES.

,,Ich habe dir ja gesagt, dass ich eine Freundin namens Emely hatte. Wir waren abends noch zusammen draußen und auf dem Heimweg wurden wir von diesen Drogenkerlen angegriffen. Stichwort 'James Simmons'.
Ich konnte gegen sie ankommen, aber Emely wurde fünfmal erstochen. Ich musste wegrennen, da ich sonst auch gestorben wäre. Niemand hat Emely gefunden und das Jugendamt hat rein garnichts unternommen, da sie aus dem Ausland kam und es dort keinen Interessierte.

Als ich achtzehn wurde, zog ich aus und in meine Wohnung. Da lebte ich einige Zeit, bis ich mich auf die Suche nach dir begab. Ich wusste, dass Emely in ihrer Akte noch lebte, also hackte ich mich in die Systeme und fälschte meine Akte. Naja, im Prinzip, hab ich ja nur die Bilder ausgetauscht und Texte umgefügt. Mehr war es ja eigentlich nicht"

,,Wieso zum Teufel hast du deine Identität geändert?", Frage ich rat- und auch ein wenig verständnislos. Ihr Blick gleitet solangsam in die Verzweiflung, doch ich bleibe starr und will nicht realisieren, was gerade passiert.

,,Ich wollte nach dir suchen, dich kennenlernen, wissen, wer du bist. Ich hatte nie vor, mich als deine Tochter vorzustellen. Ich wollte nur einmal in meinem Leben meinen Vater sehen, der nichts von mir wusste. Verübeln kann ich dir das ja nichtmal. Meine Mum hat nie etwas zu dir oder mir gesagt. Sie ist mit einem Geheimnis gestorben und hat mich zurückgelassen. Ich hätte nicht ins Heim müssen, hätte eine Hoffnung gehabt- Familie.

Aber andersherum denke ich, dass es nie soweit gekommen wäre. Five-0 wäre wahrscheinlich nie so, wie es jetzt ist, wenn ich früher dagewesen wäre. Und ich wäre auch nicht hier, wo ich jetzt bin. Mit dem Wissen und diesen Fähigkeiten."

Mir geht ein Licht auf. ,,Warte. Warum genau warst du damals am Clarke-Anwesen?"- ,,Ich wusste, wenn alles so läuft, wie ich es geplant hatte, dann würde ich den Mörder meiner Mutter dranbekommen. Also habe ich mich von euch festnehmen lassen"

Ich atme laut aus und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Als ich wieder aufsehe, hat Isabella ihren Blick abgewandt, aber ich sehe, dass sie weint. Ich laufe zu ihr und nehme sie in den Arm.

,,Emely... Isabella. Wie auch immer. Keiner macht dir Vorwürfe, ganz besonders nicht ich. Ich bin zwar geschockt aber wirklich stolz auf dich und auf das, was du alles durchgestanden hast.
Ja, ich kann vielleicht kein Vater für dich sein, jedenfalls nicht so, wie es Danny oder Lou sind. Aber ich kann es versuchen. Ich kann versuchen, das Beste daraus zu machen, dir die Liebe zu geben, mich wie jemand zu verhalten, der ein Vater sein könnte. Ich bin für dich da und ganz Five-0 ist es auch. Du bist nicht mehr alleine, Isabella. Alles wird gut"

,,Danke", ist das einzige, was sie sagt, bevor sie ihr Gesicht wieder in meiner Halsbeuge versteckt. ,,Immer", antworte ich leise und streiche ihr über den Rücken.

Meiner Tochter.

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