Kapitel 2

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Es war der Abend vor meinem Flug. Das Flugzeug würde in genau 15 Stunden und 5 Minuten starten und mein Herz wollte sich seit einer Woche alleine wegen dem Gedanken daran, nicht beruhigen.

Ich saß vor meinem Laptop und aktualisierte immer wieder die Seite mit den Tickets für das Fansign von 3RACHA.

Es wäre meine einzige Möglichkeit, ihn nochmal zu sehen, da er als öffentliche Person sicherlich nicht Mal eben mit mir reden würde.

Ich war seit dem ersten Tag ihres Debüts ein großer Fan von ihnen.

Ich war damals so erleichtert, dass es ihm gut geht und er tatsächlich seinen Traum erfüllen konnte. Wenigstens einer von uns.

An dem Abend, an dem JYP bekannt gab, dass sie 3RACHA debütieren lassen, habe ich mich lächelnd in den Schlaf geweint und war hin- und hergerissen zwischen Trauer und Freude.

Es war meine Chance, ihn wenigstens von einem Bildschirm aus zu sehen.

Mich machte es glücklich und traurig zugleich, Videos oder Vlives von ihnen zu sehen.

Glücklich, weil er in all der Zeit sich selber Treu blieb und so glücklich mit seinen beiden Membern aussieht.

Traurig, weil sein Gesicht mich an alles, was wir erlebt haben, erinnert.

Vielleicht ist da auch ein wenig Eifersucht dabei, wenn Chan oder Jisung ihm Mal etwas näher als mir lieb ist kommen.

Die ersten Lieder von ihnen hörte ich auf Dauerschleife und konnte nicht anders, als jedes Mal, wenn ich Changbins Stimme hörte, dieses tiefe Verlangen zu spüren, zu ihm zu gehen.

Obwohl er seinen Traum erfüllen konnte, und eine beachtliche Reichweite mit seiner Musik hatte, sah ich, wie ihn irgendetwas belastete.

Ich denke, es ist wegen dem Business, weil man wirklich nichts Gutes über die K-Pop Welt hört. Es muss hart sein, jeden Tag zu tun, als wäre alles perfekt, auch wenn nichts gut läuft.

Meine Finger reagierten blitzschnell, als die Tickets endlich zum Verkauf standen und ich tatsächlich eine Karte ergattern konnte.

Nun war es offiziell. Ich würde ihn sehen.

Ich wusste nicht wieso, aber ich spürte, wie sich eine Träne wieder den Weg über meine Wange bahnte.

Nach einer Stunde hatte ich mich wieder ansatzweise beruhigt und griff nach meinem Handy. Ich hatte bereits damit gerechnet, ich würde einige Nachrichten von Jeongin haben.

Er konnte leider nicht mit zum Fansign, weil er an dem Tag seinen ersten Jahrestag mit Hyunjin hatte.

Ich war so froh, als die beiden zusammenkamen, schließlich macht er Jeongin so glücklich und der Junge hat jedes Glück der Welt verdient.

Natürlich hatte ich zu Beginn Angst, er würde mich durch Hyunjin vergessen, jedoch bewies er mir das Gegenteil, denn er blieb genauso wie er war, und alleine diese Tatsache erleichterte mich ungemein.

Ich schrieb ihm schnell, dass ich eine Karte bekommen konnte, und ging anschließend direkt offline, denn ich musste meine Tasche zu Ende packen.

Ich schob es in der letzten Zeit immer vor mich hin, da meine Angst mich daran hinderte. Meine Tasche zu Ende zu packen, wäre der letzte Schritt für mich, nach Korea zu fliegen.

Als ich auch damit fertig war und schweren Herzens meinen Koffer schließte, schaute ich auf mein Armband.

Changbin und ich hatten uns damals gegenseitig ein Armband gemacht und er war wirklich grottenschlecht in Feinarbeiten.

Ihm war es so peinlich gewesen, mir dieses Armband zu überreichen, doch für mich war es das beste Armband der Welt. Ich trug es bis heute, auch wenn mich meine Freunde immer wieder fragten, wieso ich dieses 'hässliche Ding' noch trage. Nichts auf dieser Welt könnte mich von diesem Armband trennen.

Viele fanden unser Armband während der Schulzeit total uncool, da sowas mehr bei den Mädchen gemacht wurde, aber uns störte es überhaupt nicht. Wir sind jeden Tag stolz damit durch die Schule gelaufen.

„Ich liebe dich“, flüsterte ich und sah gedankenverloren auf das abgenutzte Stück Band.

Ein kleiner Teil von mir glaubt immernoch, dass er sein Armband noch hat, auch wenn er es nie auf der Bühne trägt.

Ich nahm mir wieder mein Handy zur Hand und sah direkt auf meinen Sperrbildschirm.

Ich hatte mich entschieden, dass mein Hund ein besserer Sperrbildschirm für mich als Changbin wäre, da ich dann nicht automatisch traurig werden würde.

Meinen Hund habe ich bei meinen Eltern untergebracht, da sie ihn schon immer liebten. Es war auch schwer, ihn nicht zu lieben.

Ich vermisste ihn bereits, weil ich gerne durch sein weiches Fell fuhr und ihm alles erzählt habe. Auch wenn er selbstverständlich nie antwortete, hatte ich das Gefühl, er würde mir zuhören.

Es war noch vor null Uhr, als ich Jeongin befahl, endlich ins Bett zu gehen, da der Kleine vorhatte, solange wach zu bleiben wie ich, damit er mich von meiner Aufregung ablenken kann.
Ich würde mich aber nur schuldig fühlen, wenn er wegen mir so spät ins Bett geht.

Ich war nicht nur Aufgeregt, Changbin wiederzusehen, sondern auch, Jeongin zum ersten Mal in meinem Leben in Echt zu sehen.

Nach all der schweren Zeit blieb er immer bei meiner Seite und diesen Menschen endlich zu sehen, ist ein unglaubliches Gefühl für mich. Er ist für mich wie ein kleiner Bruder, den ich nie hatte. Ich will ihn um jeden Preis der Welt beschützen.

Ich war mehr als müde, denn ich hatte in den letzten Tagen noch weniger geschlafen als sonst. Meine Müdigkeit konnte dabei nie den Kampf gegen meine Gedanken gewinnen und so blieb ich auch dieses Mal wieder wach.

Um kurz nach null Uhr gab mein Handy einen kurzen Ton von sich und ich rechnete fast damit, dass Jeongin nicht auf mich gehört hat, doch als ich sah, dass es ein neues Vlive auf dem Account von 3RACHA gab, klickte ich mit schnell schlagendem Herzen darauf.

Es war sehr selten, dass Changbin Mal alleine ein Vlive machte, weshalb ich umso aufgeregter war, als ich sah, dass er alleine auf meinem Bildschirm erschien.

Ich hätte nicht damit gerechnet, dass jetzt noch irgendwas von 3RACHA kommt, weil es schon nach 23 Uhr in Südkorea war und sie am selben Tag noch ein Konzert hatten.

Leider konnte ich nur sehr schlecht Koreanisch, obwohl ich selber Koreaner bin. Meine Eltern hielten nie etwas davon, mich zweisprachig aufwachsen zu lassen. Sie hatten Angst, dass mich zwei Sprachen auf einmal verwirren würden, und ich dann keine der beiden vernünftig sprechen könnte.

Das hat mir auch nie wirklich etwas ausgemacht, obwohl ich es tatsächlich damals mit Changbin geübt hatte.

Wieso auch? Wofür bräuchte ich Koreanisch in Australien?

Zum Glück hatte ich neben zahlreichen Koreanischbüchern auch noch Jeongin, der mir ab und zu etwas beibringen kann.

Obwohl ich Angst hatte, ihm damit auf die Nerven zu gehen, meinte er, dass es ihm total Spaß machen würde, denn es seie so, als würde man einem kleinen Kind eine neue Sprache beibringen.

Meine Augen waren aber gerade immernoch auf mein Handydisplay geklebt und ich bewunderte wieder jedes kleinste Detail von Changbin.

Momentan hatte er etwas hellere Haare als seine Naturhaarfarbe, jedoch stand ihm jede Farbe und jede Frisur.

Er sah so süß aus mit unordentlichen Haaren. Damals in der Schule kam er öfters mit nicht gemachten Haaren, da er zu müde dafür war.

Ich musste plötzlich daran denken, wie ihm damals jemand als Wichtelgeschenk eine Bürste geschenkt hat und er total ausgerastet ist. Er hat die darauffolgenden Tage sich kein einziges Mal die Haare gebürstet aus Prinzip und sein Wichtel war auch unten durch bei ihm.

Ich fand diese Situation total lustig und muss auch jetzt noch ein wenig lächeln. Wie sehr ich mir diese Zeit doch zurückwünsche..

'Things change. And friends leave. Life doesn't stop for anybody.'

~ The Perks of Being a Wallflower by Stephen Chbosky ~

Forgotten Love | ChanglixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt