Ich drückte mein Gesicht so fest gegen die Gitterstäbe des Treppengeländers, dass es schmerzte. Und dennoch erkannte ich nahezu nichts. Harry hatte sich bedrohlich vor Eleazer aufgebaut, sodass von diesem, außer seinem Haaransatz, nicht mehr viel zu sehen war.
Eine unangenehme Stille herrschte. Entweder sie sprachen unfassbar leise, oder sie starrten sich nur an, denn kein Ton schaffte es bis zu mir.
Aus dem Nichts, setzte Harry sich in Bewegung. Er packte Eleazer am Arm und verschwand mit ihm, im Bruchteil einer Sekunde, nach draußen.
Coroline tauchte am Rande meines Wahrnehmungsfeldes auf.
Auf leisen Sohlen tapste ich zu ihr nach unten. „Was ist los?" wisperte ich, noch ehe ich bei ihr zu stehen kam. Sie hob ihren Zeigefinger an ihre Lippen und stieß ein kaum hörbares „psssscht" aus. Ich verstummte, hielt sogar meinen Atem an. Doch außer den schweren Zeigern, der Pendeluhr, die im Kaminzimmer ihren Platz gefunden hatte, herrschte immer noch Stille. Coroline schien ebenfalls nicht viel zu hören, weshalb sie mit großen Schritten auf das Fenster neben der Tür zu steuerte. Minimal schob sie den Vorhang beiseite.
„Was siehst du?" flüsterte ich.
„Nichts. Ich sehe weder Harry, noch Eleazer."
Mehrere Minuten verstrichen, in denen wir regungslos da standen und lauschten.
„Was denkst du, was machen sie?", durchbrach ich die Stille. Coroline konnte mir keine Antwort mehr geben. Sie wurde von der Tür, welche plötzlich aufflog, unterbrochen.
Erschrocken fuhren wir zusammen.
Es war Harry. Von Eleazer schien jede Spur zu fehlen.
Sofort ließ ich meinen Blick, nach irgendwelchen Kampfspuren suchend, über Harrys Gesicht und Körper gleiten. Doch seine Kleidung saß perfekt, jedes Haar floss ordentlich, in schönen Locken sein Haupt hinab und ich konnte auch keine Schrammen, oder sonstige Verletzungen ausmachen. Lediglich sein Gesichtsausdruck bereitete mir Sorgen. Es war schwer in ihm zu lesen. So viele Emotionen kamen zum Vorschein. Es war, als besäße Harry zwei Gesichter.
Das eine war wutentbrannt. Die Zähne waren gefletscht, die Augen finster und gnadenlos.
Doch das andere Gesicht war in Traurigkeit gehüllt. Die Mundwinkel hingen nach unten, die Augen waren groß, aber trüb. Die Augenbrauen waren leicht zusammengezogen und nach unten gebogen.
Ich bildete mir ein, sein Gesicht wechselte in Sekundenschnelle zwischen diesen beiden Ausdrücken und absoluter Leere. So schnell, dass es für das menschliche Auge nur schwer zu erkennen war.
Ich sah zu Coroline. Sie schien davon nichts mitbekommen zu haben. Bildete ich mir alles nur ein?
Eine Bewegung von Harry ließ mich wieder zu ihm sehen. Er war einen Schritt weiter in das Innere des Schlosses und somit auf uns zu getreten. Ich machte mich auf alles gefasst. Auf einen möglichen Wutausbruch, genauso wie darauf, dass er mich plötzlich wieder ignoriert und einfach an mir vorbei läuft, als stünde ich nicht direkt vor ihm.
Doch ich sollte mich irren.
„Warum bist du hier unten?" fragte er mich mit fast schon übertriebener Ruhe. Seinen Kopf legte er leicht schief.
Ich wollte zu einer Antwort ansetzten, da schnitt mir Coroline das Wort ab. „Das ist meine Schuld, Harold."
„Deine Schuld also?" fragte er. Sein Blick lag dabei schwer auf mir. Ich konnte förmlich fühlen, wie die Dunkelheit seiner Augen, über meine Haut kroch. Ich ließ ihn genauso wenig aus den Augen, wie er mich.
„Ja" hörte ich Coroline sagen.
Man konnte Harrys Zähne knirschen hören, als er sie aneinander rieb. „Das hier ist mein Grundstück. Mein Anwesen. Du hast auf mich zu hören. Nur so kann das hier funktionieren." Sein Blick lag weiterhin erbarmungslos auf mir, als er antwortete, weshalb ich nicht sagen konnte, ob er nun zu Coroline oder zu mir gesprochen hatte.
„Geh!"
Diesmal hatte ich keine Zweifel. Diese Aufforderung galt mir.
Ich fühlte, wie Coroline ihre Finger mit meinen verschränkte und dabei war, mit mir zusammen nach oben zu gehen.
„Du nicht Coroline. Ich muss mit dir reden", ertönte Harrys tiefe Stimme.
Sie sah mich mitleidig an, ehe sie meine Hand aus ihrer befreite und zusammen mit Harry von der Bildfläche verschwand.
Langsam schob ich meinen Körper die Treppe nach oben, zurück in mein Zimmer.
Was war nur passiert? In dem einen Moment, waren wir uns so unglaublich nahe. Und auf einen Schlag sah Harry mich wieder mit diesem undefinierbaren Blick an. Er sagt, er will mich beschützen, doch dann lässt er mich alleine. Wovor will er mich überhaupt beschützen? Und was wollte Eleazer? Was hat Harry getan, dass er so schnell wieder verschwunden war?
Diese Gedanken terrorisierten mein Hirn.
Ich lag auf meinem Bett und starrte in die Dunkelheit, als sich meine Zimmertür einen Spalt breit öffnete.
Ich hoffte auf Harry.
Die Gestalt die ich erblickte, war mindestens 40 cm kleiner als der Lockenkopf.
„Habe ich dich geweckt?" flüsterte Coroline.
„Nein."
„Darf ich heute Nacht bei dir Schlafen? Ich möchte nicht alleine sein", sagte sie nach kurzem Zögern.
Ich antwortete nicht, sondern schlug symbolisch die Decke zurück. Man konnte Corolines Schritte hören, wie sie langsam näher kamen.
„Du bedeutest mir unheimlich viel, Louis. Ich hoffe, du weißt das", sagte sie, als sie sich an meine Schulter kuschelte.
„Und du mir erst", erwiderte ich mit einem Schmunzeln.
Wir gähnten nahezu synchron. Gleich darauf glitt ich in einen traumlosen Schlaf.
Spät in der Nacht erwachte ich. Der Mond tauchte das Zimmer in sein schwaches Licht. Coroline lag schlafend neben mir. Ihre Arme hatte sie von sich gestreckt, einer lag dabei quer über ihrem Gesicht. Die Decke war zu den Füßen gerutscht und ihr Schlafshirt leicht nach oben.
Etwas, das direkt über ihrem Hüftkochen war, gewann meine Aufmerksamkeit. Standen da Zahlen? Es sah wie eine 819 aus. Wo hatte ich so etwas schon mal gesehen? Ich rieb mir meine Augen, doch ehe mein Blick fokussiert und mein Gehirn vollständig erwacht war, zog der Schlaf mich wieder mit sich.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, behielt ich nicht einmal eine blasse Erinnerung daran.
Es war, als wollte Etwas, dass ich es vergaß.
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Der Graf || Larry Stylinson
FanfictionSeine langen Finger umschlossen meine Handgelenke. Er drückte mich gegen den Baum. Er kam meinem Nacken immer näher. Ich fühlte seine kalten Lippen, wie sie, auf der Suche nach meiner Halsschlagader, über meine erhitzte Haut glitten.