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Das Schloss war wie leer gefegt. Coroline musste etwas in der Stadt erledigen und der Graf war wie immer vom Erdboden verschluckt. Es war ernüchternd. Hier war nichts wie es sein sollte. Meinen Dienst als Haushälter habe ich noch immer nicht angetreten. Und bis jetzt hatte ich noch nicht die Möglichkeit, herauszufinden warum.

Das Geräusch meiner Füße hallte durch den leeren Korridor. Schon seit einiger Zeit lief ich planlos durch das leere Schloss. Hinter dem Anwesen, befand sich laut Coroline ein wunderschöner Garten, mit den schönsten Blumen, die in den schönsten Farben erstrahlten, die das menschliche Auge zu erfassen vermag. Doch bis jetzt, bin ich noch nicht dazu gekommen ihn mir anzusehen. Ich kenne nur das Schloss und den düsteren Wald der es zu Nord- und Westseite umgab.

Ich stieg die Treppe nach unten. Die zweite Stufe karrte. Ich hasste dieses Geräusch.

Ich ging auf das Zimmer zu, indem ich Harry am häufigsten verschwinden sah.

Ich erwartete ein Schlafzimmer. Doch stattdessen musste es etwas wie ein Ankleidezimmer sein. An einer der Wände war eine Metallstange horizontal befestigt. Auf ihr hing sorgfältig und nach Farben sortiert, die teuerste Kleidung. In einem Regal standen Schuhe und gegenüber befand sich eine Kommode. Ein Stuhl fand in einer der Ecken des Raumes Platz.

Ich war nicht sonderlich erstaunt, dass das Zimmer sonst leer und Harry nicht hier war. Stattdessen ließ ich meinen nach Informationen hungrigen Blick weiter den Raum durchforsten. Keine Bilder. Keine Porträts von Familienmitgliedern. Und auch sonst keine Gegenstände, die das ganze hier wohnhafter und persönlicher machten.

„Was suchst du?" unterbrach mich eine wohlklingende Stimme.

Als ich mich umdrehte, blickte ich in das schöne Gesicht des Grafen.

Wenn er sprach, dann tat er das mit einer Ruhe, die ich noch nie erlebt hatte. Seine Worte verließen nur langsam seinen Mund. Aber dennoch war seine Stimme laut und kraftvoll. Es stand außer Frage, dass er mich einschüchterte.

„I-ich ich Ähm ich.." ertappt stotterte ich drauf los.

„Sprich gefälligst deutlich, Louis."

Ich räusperte mich. „Ich habe dich gesucht."

Er zog eine Augenbraue nach oben. „Glückwunsch, du hast mich gefunden." Wohl eher du mich, dachte ich mir, sprach es aber nicht aus.

„Darf ich nun auch erfahren, warum du mich gesucht hast?" fragte er mich, nachdem ich nur stumm zu Boden sah.

„Wegen einer Unterredung."

„Natürlich, was denn sonst" er verdrehte die Augen und klang genervt. Er ließ sich in dem Stuhl nieder, schlug die Beine übereinander und bettete seine ineinandergefaltenen Finger auf seinem Knie.

Wie ein kleiner Schuljunge, der seine Hausübung nicht gemacht hatte, stand ich vor ihm. Ich starrte geradewegs in die Finsternis, die er seine Augen nannte. „Warum bin ich hier?"

„Weil du ein zuhause gebracht hast" gab er mir kühl als Antwort.

„In der Annonce stand, dass du einen Haushälter suchst."

Harry legte seinen Kopf schief und blickte mich aus verwirrten Augen an. „Welche Annonce?"

Meine aufkommende Verwunderung, machte es mir unmöglich, sofort zu antworten.„D-die die in der Zeitung, im Expressblatt.."

Er begann zu lachen. Eine himmlische Melodie. „Ich veralbere dich nur."

Ich blieb still. Nicht weil ich überrascht war, dass er sich einen Spaß erlaubte, sondern weil der Klang seines melodischen Lachens immer noch in meinen Kopf nachhallte. Ich genoss es, das war gewiss. Aber warum ich dies tat, blieb für mich verborgen.

„Es stand, dass du..", ergriff ich erneut das Wort, nachdem ich mich wieder gefasst hatte.

„Ich weiß was darin stand, immerhin hatte ich sie geschrieben" unterbrach er mich. „Komm auf den Punkt, Louis."

„Ich bin schon einige Zeit hier und bis jetzt hast du mir noch keine Aufgaben gegeben." Ich spielte mit dem Saum meines Shirts zwischen den Fingern.

„Das stimmt." Harry lehnte seinen Oberkörper nach vorne. Schütze sich mit seinen Unterarmen auf seinen Knien ab. "Du solltest eigentlich Coroline ersetzten, aber du bist so klein und zerbrechlich. Du bist vermutlich kaum stärker als sie." Er zuckte mit seinen Schultern.

Beschämt blickte ich auf meine Füße.

Ich merkte gar nicht, dass Harry aufgestanden war. Doch plötzlich spürte ich seine Finger unter meinem Kinn, die sanft meinen Kopf anhoben. „Habe ich dich jetzt etwa gekränkt?" Seine Augen huschten über mein Gesicht und versuchten jegliche Gefühlsregung einzufangen.

Ich gab mein bestes mir nichts anmerken zu lassen. Gekonnt ignorierte ich seine Frage.

„Also soll ich einfach nur hier rum sitzen und nichts tun?"

Harry ließ mein Kinn los. „Du tust doch etwas."

„Ach ja und was?"

Ein süffisantes Grinsen trat auf seine Lippen, während er seinen Blick an mir hinabgleiten ließ. „Du bist hübsch anzusehen."

„Bin ich dein Porno auf zwei Beinen oder wie?", schnaubte ich. Ich konnte nur schwer überspielen, dass ich sauer war und Harry meinen Stolz verletzt hatte.

Er trat einen Schritt zurück und drehte sich von mir weg. "Du solltest froh sein, dass ich dich von der Straße geholt habe und dir ein Zuhause gebe."

"Toll, soll ich jetzt hier warten bist du mir dieselben Verletzungen zufügst wie Coroline?" zischte ich ihn wütend an.

Sofort erstarrte er in seiner Bewegung. Ein tiefes Knurren ertönte. „Was hast du gerade gesagt?" presste er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. Langsam drehte er sich zu mir um. Sein Blick lag schwer auf mir.

Plötzlich wirkte er noch größer und furchteinflössender. Seine Augen waren nicht mehr einfach nur rabenschwarz. Sie zeigten die unendliche Tiefe, die sie verbargen. Ich spiegelte mich in ihnen. Fast so, als wollten sie mir ein letztes Mal zeigen, wie ich lebendig ausgesehen hatte, bevor sie mich in die ewige Stille entließen.

Ich atmete tief ein. Sein Duft und die deutlich kühler gewordenen Luft, krochen durch meine Nase. „Du hast ihr das zugefügt, habe ich recht?" Ich klang so leise, als wär ich mir selbst nicht mehr so sicher. Er schaffte es, mir meine eigene Überzeugung zu nehmen.

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. "Ich halte dich hier nicht als meinen Gefangen, du kannst durch die Tür gehen, durch die du auch gekommen bist." Plötzlich bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen. Harry beugte sich ein Stück zu mir nach unten. "Aber ich weiß, dass du das nicht tun wirst" flüsterte er mir ins Ohr. Die Kälte seines Atems, vermischt mit seinem Duft, ließ meine Knie weich werden.

Harry lehnte sich wieder von mir weg und beäugte mich. "Das ist das Ende der Unterredung."

Ich wollte noch so vieles Sagen, aber stattdessen lief ich rückwärts auf die Tür zu, ohne Harry aus den Augen zu lassen und ging.

Ich trampelte zurück in mein Zimmer. Die Tür riss ich schwungvoll auf, doch statt einzutreten, blieb ich wie angewurzelt an der Türschwelle stehen.

In meinem Zimmer stand ein Mann.

Ein fremder Mann.

Er verzog sein Gesicht zu einer Fratze. Nur mit Mühen erkannte ich, dass es ein Lächeln darstellen sollte.

Der Graf || Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt