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„Waren deine Worte ernst gemeint?" Seine Stimme war leise und dennoch verstand ich ihn klar und deutlich. Sofort drehte ich mich zu ihm um. Er stand immer noch mit dem Rücken zu mir.

„Ich dachte du erkennst es, wenn ich Lüge."

Endlich bewegte Harry sich. Zögernd drehte er sich in meine Richtung und blickte mich an. „Eigentlich kann ich das. Gute Menschenkenntnis. Aber du hast es geschafft mich auszutricksen." Seine Mundwinkel zuckten nach oben und formierten sich zu einem schwachen, aber traurigen Lächeln.

Langsam machte ich einen Schritt auf ihn zu. „Meine Worte waren nicht gelogen und sind es auch jetzt nicht."

Wir standen uns nun unmittelbar gegenüber. Vorsichtig nahm Harry meine Hand. Ich fühlte seine kalten Finger, wie sie über meine Haut strichen. Er hob sie an, doch er betrachtete sich nicht, stattdessen sah er mir tief in die Augen. „Es tut mir so unendlich leid. Ich wollte dir nie weh tun." Er ließ seinen Blick sinken. Sein Hauptaugenmerk lag nun auf meiner Hand, die er zärtlich in seiner hielt. „Und dabei wollte ich dich immer nur beschützen." Ich sah, wie sich sein Kiefer anspannte, als er die Zähne zusammen biss.

Harry hob meine Hand ein Stück höher und beugte gleichzeitig seinen Kopf ein Stück nach unten. Seine Lippen lagen nun kaum merklich auf meiner verletzten Haut. Zaghaft formten sie sich zu einem Kuss.

Tief sah er mir in die Augen, als er meine Hand wieder los ließ. Ich war nicht bereit dazu, das Gefühl, dass seine Haut auf meiner auslöste, wieder aufzugeben, also hielt ich meine Hand immer noch in der Luft. Ich wollte sie ausstrecken, um ihn nochmals zu berühren. Er war nur wenige Zentimeter von mir entfernt.

"Ich hatte gehofft, wir könnten vielleicht da weiter machen, wo wir letztens aufgehört haben." Mit jedem Wort wurde meine Stimme leiser. Ich war so unsicher in seiner Gegenwart.

Leicht schüttele der den Kopf. "Ich hätte dich nie so nahe an mich rankommen lassen dürfen."

Seine kühlen Worte, schmerzten mich auf eine ganz eigene Art und Weise. Es war ein neuer Schmerz für mich. Stechend. Es begann in meinem Herzen und breitete sich fortlaufend in alle Gliedmaßen aus.

"Es tut mir leid, ich..ich dachte, zwischen uns..", setzte ich an, wusste jedoch selbst nicht was ich dachte.

Sarkastisch lachte er auf. Harry wollte seine Hand nach mir ausstrecken, zog sie jedoch zurück, bevor er mich berühren konnte. "Du siehst mich immer mit diesem Blick an. Als wäre ich wunderschön und perfekt. Als wäre ich etwas Besonderes. Aber das bin ich nicht."

"Warum hast du solch eine schlechte Meinung von dir selbst?" Undurchdringlich sah ich ihm in die schwarzen Augen.

Er drehte sich leicht von mir weg. "Ich weiß was/... wer ich bin."

Ich ignorierte seinen Versprecher, griff nach seiner Hand und zog ihn mit mir. Ich ging mit ihm den Korridor hinunter. "Was hast du vor?" fragte er mich, folgte mir jedoch ohne großen Widerstand.

Seine Frage verhallte unbeantwortet.

Ich zog ihn in mein Zimmer. Dort angekommen, schloss ich die Tür, denn hinter ihr verbarg sich, was ich brauchte. Ein Spiegel. Er war beinahe so groß wie die Tür.

Der Gedanke, dass Harry eventuell kein Spiegelbild hatte, kam mir auf, als ich ihn davor positionierte. Wurde jedoch sofort wieder vertrieben, als mich seine dunklenen Augen durch den Spiegel ansahen und fragend musterten. Ich lachte innerlich auf. Ich wusste nicht, warum ich dachte, ich würde gleich nur mich selbst sehen. Ich hatte doch bereits meinen Beweis, das Harry ein Mensch war.

"Das, Harry.." ich deutete auf sein Spiegelbild, "...ist Perfektion."

Ich sah, wie er sich auf die Unterlippe biss und den Kopf schüttelte.

"Du kannst mich nicht vom Gegenteil überzeugen" sagte ich leise, aber bestimmend.

Zaghaft öffnete ich sein Hemd. Ich konnte durch den Spiegel sehen, wie er mich dabei beobachtete. Sanft fuhr ich mit meinem Zeigefinger über seine kalte Haut. Zu meiner Überraschung, bekam davon ich Gänsehaut und nicht er. "Ich sehe nichts, das nicht perfekt ist" flüsterte ich.

„Ich auch nicht" erwiderte Harry. Ich sah ihn durch den Spiegel an. Zu meiner Überraschung lag sein Blick nicht auf seiner Silhouette, sondern glitt stattdessen mit einem leichten funkeln in den Augen, über meine zierliche Gestalt. Meine Wangen verfärbten sich in eine leichte Röte, als ich verstand, was er mir sagen wollte.

Er drehte sich zu mir, um mich direkt ansehen zu können. Ein unwiderstehliches Lächeln lag auf seinen vollen Lippen.

Schüchtern strich ich ihm die Hosenträger von den breiten Schultern. "Deine Haut sieht aus als wär sie aus Stein und dennoch ist sie so unglaublich zart und weich" sagte ich gedankenverloren. Mein Finger glitt dabei über sein Schlüsselbein, über seinen Bauch und strich seine Seite hinab. Dabei schob ich sein Hemd stückweise zurück. Erforschend ließ ich meine Augen über seinen schönen Körper wandern.

Harry schien sich diesmal nicht so unter meinen Berührungen entspannen zu können, wie das letzte mal. Ich hatte ihn mit meinem Misstrauen schwer getroffen. Dennoch entging mir nicht, dass er seine Augen mittlerweile geschlossen hatte. Wodurch ich ihn noch ungenierter betrachten konnte. Mein Blick folgter derselben Spur, die mein Finger soeben genommen hatte.

Jeder Zentimeter an ihm, war perfekt.

Doch dann entdeckte ich etwas.

Eine Zahl.

Die Ziffern 289 waren an seiner linken Seite, knapp über dem Hüftknochen in seine Haut eingebrannt.

Sofort strich ich mit meiner Hand wieder nach oben. Ich sah zu ihm hoch. Seine Augen hielt er noch immer geschlossen und schien von meiner Entdeckung nichts mitbekommen zu haben. Mein Kopf suchte nach einer plausiblen Erklärung dafür. Vielleicht eine Jugendsünde und Freunde von ihm, trugen dasselbe Mal? Vielleicht sollte es ihn an etwas erinnern? Oder  wurde es ihm vielleicht doch gegen seinen Willen eingebrannt? Niemand, würde sich freiwillig ein glühend heißes Brandeisen in die Seite stoßen. Möglicherweise war es eine Makierung. Aber was hatten die Zahlen zu bedeuten? Eine Jahreszahl? - unwahrscheinlich. Eine Adresse?

Ich musste es ausblenden. Er würde merken, wenn mich etwas beschäftigt. Ich verbannte meine Gedanke, in die letzte Ecke meines Verstandes. Ich würde noch früh genug erfahren, was die Zahlen zu bedeuten hatten.

Statt weiter nachzudenken, strich ich ihm über seine perfekt geformten Lippen. Sein langes Haar schmiegte sich samtig um meinen Arm. Ein entspanntes Seufzen entkam seiner Kehle.

Instinktiv rückte ich mit meinem Gesicht näher an seines. Nur noch ein kleines Stück und unsere Lippen würden sich berühren. Er schaffte es mit Leichtigkeit mir Schmerzen zu zufügen und trotzdem hatte ich keine Angst. Im Gegenteil. Ich fühlte mich gerade so sicher, wie noch nie. Es war ein perfekter Moment in einer perfekten Welt, in der es nur Harry und mich gab. Mit jeder Faser meines Körpers wollte ich ihn fühlen. Wie weich mussten sich wohl seine Lippen anfühlen, wenn schon seine Haut so geschmeidig war. Ich schob mein Gesicht noch weiter nach vorne. Gleich würde ich es wissen.

Doch schlagartig verkrampfte Harry sich. Er riss seine Augen auf und schob mich von sich weg. Sein Körper bebte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und bereit zu zuschlagen.

So schnell, war meine perfekte Welt wieder zusammengebrochen.

Keine Sekunde später, ertönte ein lautes Gepolter von unten.

"Du bleibst hier, Louis" sagte Harry, als er sich auf zur Tür machte. Sein Hemd hatte er bereits wieder geschlossen.

"Was ist los?" Meine Stimme war brüchig.

"Eleazer" knurrte Harry, ehe er die Tür öffnete und auch schon verschwunden war.

Befehlen folgen gehörte nicht zu meinen Stärken.

Vorsichtig tappste ich auf den Korridor hinaus. Ich machte mich klein und kroch zur Treppe, um zwischen den Striemen des Geländers hindurch spähen zu können.

Und Tatsache: Eleazer stand wutentbrand im Eingangsbereich des Schlosses.

Aber wie konnte Harry das nur wissen?

Der Graf || Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt