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"Warum wacht sie nicht auf?" Liv hört Leons besorgte Stimme und eine unbekannte, die ihm anwortet. Langsam öffnet sie ihre Augen und sieht sich um. Sie ist nicht mehr in der Hütte, aber das Zimmer, in dem sie liegt, ist ihr unbekannt. Ihr Kopf dröhnt und sie fühlt sich elend. "Leon", flüstert sie, ihre Stimme nur ein Hauch, aber er hört sie, dreht sich um und stürmt zu ihrem Bett. "Olivia!" Leon zieht sie an sich und sie merkt, dass er weint. "Leon?" Sie drückt ihn von sich und schaut ihn an. Er hat tiefe Augenringe und gerötete Augen, in denen immer noch Sorge steht. "Wie geht es dir, mein Herz?" - "Nicht so gut, ich hab Kopfschmerzen und irgendwie dreht sich alles" - "Gegen die Schmerzen geb ich dir gleich was, Luna, aber ich muss dich untersuchen", kommt da von der anderen Seite des Bettes. Sie sieht dort Konstantin stehen, der sie aufmerksam mustert. "Untersuchen?" - "Du warst fast zwei Tage weg", sagt Leon. "Wie ... weg? Welchen Tag haben wir heute?" - "Montag" Liv fährt hoch, lässt sich aber gleich wieder zurückfallen. "Ich muss zur Arbeit" - " Nein, bestimmt nicht. Du bist diese Woche krankgeschrieben" - "Wie kann ich krankgeschrieben sein, wenn ich bei keinem Arzt war?" Leon schmunzelt und schaut zu Konstantin, der ebenfalls grinst. "Wie gut, dass wir unseren eigenen Arzt haben, der auch für Menschen praktiziert" Verwirrt sieht Liv zwischen den Männern hin und her. "Könnt ihr mal aufhören in Rätseln zu sprechen?" Sie hält sich ihren Kopf und sofort hält Leon sie wieder im Arm. Konstantin nimmt ihren Arm und fühlt ihren Puls, was Leon zum knurren bringt. "Jetzt beruhig dich mal, soll ich ihr helfen oder nicht? Raus mit dir!" - "Konstantin!", grollt Leon und sieht ihn finster an. "Leon", flüstert Liv und sofort wird er ruhiger. "Ja, mein Herz?" - "Lass ihn seine Arbeit machen und warte draussen" - "Ab..." - "Bitte". Grummelnd steht er auf und geht zur Tür wo er nochmal zurückschaut. Liv winkt ihm schmunzelnd zu und er verlässt das Zimmer. "Boah, bleibt das so anstrengend?", fragt sie Konstantin, der sie jetzt lächelnd anblickt. "Ach, du hast ihn schon ganz gut im Griff, finde ich. Aber jetzt zu dir - du hast Kopfschmerzen?" - "Ja, und irgendwie dreht sich alles und ...", sie stutzt, "... ich hab das Gefühl, als ob ... wie soll ich das erklären? Hmmm, als ob ich in der S-Bahn stehen würde, so Gemurmel, das man hört aber nichts davon versteht". Überrascht sieht er sie an. "Leon - sag mal allen, die sollen leise sein" - "Warum denn?" - "Frag nicht, mach einfach!"
"Aaaah - himmlisch", seufzt Liv nach ein paar Sekunden, lässt sich ins Kissen fallen und schließt die Augen.
"Und jetzt sprich mit ihr, nur du"
"Olivia, mein Herz", verdutzt reißt sie die Augen auf und sieht sich um. "Versuchs mal, du kannst auch mit ihm reden", meint Konstantin, der sie genau beobachtet hat. "Leon? Was machst du in meinem Kopf?" - "Ich rede mit dir, mein Herz. Ich habs dir doch erklärt, sobald ich dich markiert habe, können wir das. Seid ihr schon fertig?" - "Nein, ich glaube, wir fangen gerade erst an. Ich hab noch viele Fragen". Sie spürt, das er sich wieder ärgert, und wendet sich an Konstantin. "Was meinte er mit 'ich war zwei Tage weg'?" - "Du hast zwei Tage durchgeschlafen. Ich vermute, das hängt mit der Markierung zusammen, aber so heftig hab ich das noch nicht erlebt. Ein paar Stunden, ja, das ist normal. Darf ich?" Er hebt ein Stethoskop hoch. Liv nickt und schiebt ihr T-Shirt hoch, damit er sie abhorchen kann. Im Gang hört sie etwas umfallen. "LEON! Hör auf damit!" Sie hört sein tiefes Knurren, aber Konstantin grinst nur und misst noch ihren Blutdruck, dann spritzt er ihr ein Schmerzmittel. "Also, körperlich gehts dir gut. Dieses Gemurmel vorher war das Rudel, du musst lernen, das auszublenden und nur das für dich Wichtige zu hören" - "Und wie mach ich das?" - "Das musst du selber rausfinden. Normalerweise hören Menschen das Rudel nicht. Aber bei dir ist alles irgendwie anders. Sicher, dass du nicht irgendwann mal einen Werwolf in der Ahnenreihe hattest?" - "Ähm ..." Neugierig schaut er sie an. "Also ... najaaaa ... meine Oma väterlicherseits erzählte früher immer Werwolfgeschichten und warnte uns davor. Werwölfe sind böse, haben kein Herz, zerbrechen uns Menschen und so. Ich kann mich auch noch erinnern, dass sie irgendwann mal zu mir gesagt hat, ich könne weit wegrennen, aber meiner Bestimmung würde ich nicht entkommen. Ich hätte das gleiche Schicksal wie ihre Großmutter. Oma war immer schon sehr schrullig, ich hab das nie geglaubt". Liv massiert ihre Schläfen. "Meinst du wirklich, da steckt mehr dahinter?" - "Wir beide nehmen uns die nächsten Tage mal deinen Stammbaum vor, einverstanden? Und jetzt lassen wir Leon wieder rein, der flippt sonst noch vollkommen aus", schmunzelt der Arzt und öffnet die Tür. Leon stürmt herein und drückt Liv an sich, dann schaut er zu Konstantin. "Und?" - "Es geht ihr gut und sie wird jeden Tag fitter, Alpha. Ausserdem habe ich einen Verdacht und dem werde ich mit der Luna in dieser Woche nachgehen. Sie sollte viel trinken und vielleicht die ersten Mahlzeiten nur leichte Sachen zu sich nehmen. Ansonsten - gute Pflege ist alles", zwinkert er Leon zu und verlässt das Zimmer.

Leon legt sich zu Liv ins Bett und zieht sie an sich. "Und wie gehts dir wirklich?", fragt er nach einer Weile. "Jetzt gut, das Schmerzmittel wirkt und du liegst neben mir" - "Ich mach mir solche Vorwürfe" - "Leon ..." - " Hätte ich dich nicht gebissen, wär das nicht passiert" - "Leon ..." - "Ich hätte noch ..." - "LEON. Hör auf damit!" - "Aber ..." Liv stützt sich auf ihn und verschliesst seine Lippen mit einem Kuss. Erst reagiert er nicht, aber letztendlich seufzt er und erwidert ihn zärtlich. "Es ist okay, Leon. Das wäre sowieso passiert, und jetzt habe ich es hinter mir" - "Ich hätte dich vorwarnen sollen" - "Ich hab geschlafen, der einzige, der hier vermutlich alle verrückt gemacht hat, bist du". Liv hört zustimmendes Gemurmel in ihrem Kopf und schmunzelt. Leon sieht sie überrascht an. "Warum lachst du?" - "Weil mir dein Rudel gerade zugestimmt hat" - "Was? Wieso? Ich glaub ich spinne, die haben mich gerade aus dem Mindlink ausgeschlossen und mit dir kommuniziert?" Wütend will er aus dem Bett springen, wird jedoch zurückgehalten. "Ich find das toll. Sie haben mich gleich akzeptiert. Und auch eine Luna braucht Unterstützung, meinst du nicht?" Liv schmiegt sich wieder in seine Arme. "Leon, das ist alles so neu für mich - neu, aufregend, verwirrend, manches macht mir Angst. Ich werde jede Hilfe brauchen, nicht nur deine, oder die von Linus, Malte, Konstantin". Leon setzt zu einer Antwort an, da klopft es an der Tür. "Ja", sagen beide gleichzeitig und eine kleine Frau betritt das Zimmer, in den Händen hält sie ein Tablett, auf dem ein dampfender Teller, eine Tasse und eine Kanne stehen. "Konstantin meinte, die Luna braucht etwas Flüssigkeit?" Die Frau hält ihren Kopf gesenkt und stellt das Tablett auf einem Tisch ab. "Wer bist du?", fragt Liv. "Ich heiße Viktoria" - "Ich danke dir, Viktoria. Aber ..." - "Du kannst gehen", unterbricht sie Leon mit harter Stimme und Viktoria huscht aus dem Zimmer. "Was soll das?" - "Sie ist nur ein Mensch, der für uns arbeitet, niemand, der wichtig ist" - "Nur ein Mensch?" Fassungslos schaut Liv ihn an. "Ich möchte, dass du mich alleine lässt" - "Was?" - "Du hast mich schon verstanden". Liv setzt sich auf, wartet kurz, bis der Schwindel vorbei ist und geht dann zum Tisch. Sie dreht Leon den Rücken zu und beginnt, langsam zu essen. "Olivia ..." - "Nein, lass mich allein". An der Tür sieht er nochmal zu Liv, die mittlerweile gedankenverloren aus dem Fenster schaut. Er versteht nicht, was gerade passiert ist. "Mein Herz, ich ..." - sie verschliesst sich und wirft ihn aus ihren Gedanken.

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt