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Langsam geht Liv die Treppe wieder nach unten. Leon steht abwartend in der Haustür und sieht ihr entgegen. „Lass uns gehen", sagt sie leise, woraufhin er sie kurz in die Arme schließt und ihr einen Kuss in die Haare drückt. "Kann ich bei dir mitfahren?" - "Klar, wie bist du denn hergekommen?" - "S-Bahn und den Rest zu Fuss". Leon öffnet die Beifahrertür und lässt sie einsteigen, sein Blick ruht besorgt auf ihr, als er hinters Lenkrad rutscht. "Wohin?" - "Zu mir". Leon nickt und fährt los. Immer wieder schaut er zu Liv, die ihren Kopf an den Sitz  gelehnt und die Augen geschlossen hat. "Wir sind da, mein Herz", hört sie an ihrem Ohr und schreckt hoch. Leon hat ihre Tür bereits geöffnet und hockt vor ihr. "Wie lange hast du schon nicht mehr richtig geschlafen, Olivia?" - "Seit ... Marco", antwortet sie leise und Leon atmet tief ein, dann zieht er sie an sich. "Komm, ich bring dich hoch". Er nimmt ihre Hand und geht neben ihr die Treppe nach oben. In ihrer Wohnung merkt Leon, dass sie sich immer wieder abstützt und bleibt dicht hinter ihr. "Mein Herz, bitte leg dich hin". Liv nickt, doch bevor sie weitergehen kann, sackt sie zusammen. Leon fängt sie auf und bettet sie auf die Couch. "Tino! Ich brauch dich, sofort! Olivia ... " - "Was ist mit Liv?" - "Sie ist umgekippt" - "In ihrer Wohnung? Bin gleich bei euch".

Kurze Zeit später kommt Konstantin ins Wohnzimmer, Leon ist Olivia nicht von der Seite gewichen. Er hält ihre Hand und streicht ihr immer wieder liebevoll über die Wange. Konstantin misst ihren Blutdruck und nickt. "Dacht ich mir, der ist total im Keller" - "Sie isst ja fast nichts und geschlafen hat sie schon lange nicht mehr richtig" - "Das weißt du?", fragt Tino verwundert. "Ja, ich bin ja nicht blind. Also, was fehlt ihr?" - "Ich würde sagen, sie ist einfach total erschöpft. Leg sie in ihr Schlafzimmer und bleib bei ihr. Du weißt ja selber, dass wir am besten schlafen, wenn unser Mate in der Nähe ist" - "Ich weiß nicht ..." - "Dann setz dich hier aufs Sofa, dann bist du hier, aber wirkst nicht aufdringlich. Leon, sie braucht dich!" Tino zeigt Leon noch das Schlafzimmer, dann verabschiedet er sich. Leon hebt Liv hoch und trägt sie in ihr Bett. Er deckt sie vorsichtig zu und setzt sich neben sie an die Bettkante. Immer wieder sucht er Körperkontakt, streicht ihr über den Kopf, nimmt ihre Hand, fährt ihre Gesichtskontur nach. Irgendwann ist er aber selber so müde, dass ihm die Augen zufallen. "Gute Nacht, meine Königin", flüstert er und gibt ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, dann geht er ins Wohnzimmer und schläft schnell ein.

Liv wird mitten in der Nacht wach, weil sie schrecklichen Durst hat. Sie muss sich kurz orientieren, sie hat keine Ahnung, wie sie in ihr Bett gekommen ist. Sie steht auf und tapst den Gang entlang in ihre Küche, vor dem Wohnzimmer stutzt sie. Unter dem Türspalt dringt ein leichter Lichtschein hervor. Liv runzelt die Stirn. Dann bemerkt sie, dass Leons Duft in der Luft liegt, was sie sofort beruhigt. Sie öffnet die Tür und sieht ihn auf der Couch liegen. Liv geht zu ihm und streicht ihm seine wirren Haare aus dem Gesicht. "Meinst du nicht, im Bett wärs bequemer, Leon?", sagt sie leise zu ihm. Er macht seine Augen auf und schaut sie schlaftrunken an. "Hmm?" Dann registriert er erst, dass sie vor ihm kniet und setzt sich auf. "Warum schläfst du nicht?" - "Ich wollte mir was zu trinken holen" - "Setz dich, ich mach das" - "Bleib da". Liv setzt sich neben ihn und lehnt sich an ihn an. "Ich hab dich vermisst, Leon. Auch wenn mir jeder Gedanke an dich weh getan hat, hast du mir gefehlt. Ich hätte nie gedacht, dass Liebe so verletzlich macht", flüstert sie. Leon schließt sie fest in seine Arme. "Es tut mir leid, mein Herz" - "Mir auch, Leon. Ich war ja nicht besser, durch meine Zurückweisung hab ich uns beide verletzt. Ich bin froh, dass du so gute Freunde hast, die haben mich ein paar Mal von schlimmen Sachen abgehalten" - "Das sind auch deine Freunde, Olivia, sonst hätten sie das nicht getan. Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als mir Tino erzählte, dass du versucht hast dich umzubringen". Er setzt sich gerade hin und schaut ihr fest in die Augen. "Versprich mir, dass du in Zukunft nicht mal an sowas denkst! Es gibt immer eine bessere Lösung als den Tod". Liv nickt. "Olivia, du solltest dich wieder hinlegen" - "Wie bin ich eigentlich in mein Bett gekommen? Ich weiß nur noch, dass ich die Tür aufgeschlossen habe" - "Du bist umgekippt. Tino meint, du bist vollkommen erschöpft" - "Konstantin war hier?" - "Ja, ich wusste ja nicht, was los ist. Du solltest dich echt wieder hinlegen, cuore mio". Leon gibt ihr einen Kuss auf die Stirn und steht auf. "Ich bring dir was zu trinken. Wasser?" - "Nein, ich brauch jetzt Zucker. Im Kühlschrank müsste noch Limonade sein". Leon nickt und geht in die Küche. Als er wiederkommt, sitzt Liv immer noch auf der Couch, total in Gedanken versunken. "Hier, mein Herz" - "Danke". Liv nimmt das Glas und trinkt es aus, dann stellt sie es auf den Tisch. Leon steht unschlüssig neben ihr. Sie steht ebenfalls auf, schlingt ihre Arme um seinen Bauch und schmiegt sich an ihn. Er schließt seine Augen und erwidert die Umarmung.

Lange stehen sie so, bis Leon die Stille unterbricht. „Mein Herz, leg dich bitte wieder hin" – „Nur wenn du mitkommst"; murmelt sie an seiner Brust. Er schiebt sie leicht von sich und schaut sie prüfend an. „Wirklich?" – „Ja, bitte". Liv dreht sich um und geht ins Schlafzimmer, in der Tür dreht sie sich um und sieht Leon an, der noch abwartend im Flur steht. „Jetzt komm schon". Er geht zu ihr und legt sich mit etwas Abstand neben sie. Leon liegt ihr seitlich zugewandt und Liv rutscht zu ihm, so dass sie mit ihrem Rücken an seinem Bauch liegt. „Halt mich fest, Leon, und lass mich nie wieder los!", flüstert Liv und zieht seinen Arm um sie herum. „Nie wieder, mein Herz", antwortet er leise und beide schlafen schnell ein, die Wärme und Nähe des anderen genießend.

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt