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Liv nimmt ihren Koffer und zieht ihn hinter sich her, als sie Leon auf dem gepflasterten Weg folgt. Sie ist so beschäftigt damit, die Landschaft zu betrachten, dass sie ihm in den Rücken läuft, als er vor ihr stehen bleibt. „Nicht so stürmisch, junge Frau", lacht er und legt einen Arm um sie. Mit der anderen Hand sperrt er den Bungalow auf, vor dem er steht. Er stößt die Tür auf und deutet ihr an hineinzugehen. Leon bleibt dicht hinter Liv, die beschlossen hat, diesen Urlaub einfach zu genießen und den Koffer im Flur stehenlässt, um das Innere des Hauses zu erkunden. Der Bungalow ist relativ klein, mit einer Wohnküche, einem Wohnzimmer, einem Bad, extra WC und ... „Nur ein Schlafzimmer?", fragt sie. „Ja, es gibt kein Haus mit zwei. Aber ich kann auf der Couch schlafen, wenn dir das lieber ist, Olivia" - „Wir werden sehen", murmelt sie und geht durch das Wohnzimmer, um die Terrassentür zu öffnen. Sie tritt auf die Terrasse, von wo sie einen fantastischen Ausblick auf den Pazifik hat. Der Wind bläst ihr um die Nase und sie ist sprachlos. Leon umarmt sie von hinten und legt seinen Kopf auf ihre Schulter. „Schön, oder?" - „Das ist herrlich" - „Ich sagte doch, ich hab auch schöne Häuser", grinst er und löst sich wieder von ihr, um ins Haus zu gehen.

Zwei Tage später haben sie den Jetlag einigermaßen überstanden und Leon schlägt einen Ausflug nach Auckland vor. Sie flanieren durch die City, lassen sich am Strand den Wind um die Nase wehen und spätnachmittags bestaunen sie die Stadt von oben aus dem Sky Tower, wo sie auch im Restaurant Orbit essen. Leon legt immer wieder einen Arm um Liv's Schulter, was sie auch zulässt, aber nur selten erwidert. „Und wie gefällt es dir?", will er wissen, als sie auf ihr Essen warten. „Es ist wundervoll. Diese Luft, die Vulkane, die Menschen – einfach ganz anders als daheim" – „Ja, das stimmt". Leon wirkt sehr nachdenklich. „Ich wollte früher immer ganz hierher ziehen. Ich habe viele Freunde hier, aber die Verpflichtung für mein Rudel war größer als mein Privatleben. Und alle mitnehmen kann ich ja leider nicht. Ich würde dich ihnen gern vorstellen, Olivia. Wir treffen uns nächsten Donnerstag Abends hier in Auckland" - "Du ... nein, Leon. Das sind deine Freunde, was soll ich denn da?" - "Olivia, du gehörst zu mir und das sollen alle sehen. Bitte, mir zuliebe". Olivia hat ein schlechtes Gefühl, aber als sie sieht, wie bittend er sie anschaut, stimmt sie schließlich seufzend zu.

Auch die nächsten Tage machen sie Ausflüge, sehen sogar Delfine und haben Spaß beim Sandboarding. Morgens gehen sie gemeinsam laufen und Alara und Kieran tollen wie frisch verliebt durch den Wald, der an das Hotel angrenzt. An einem Abend sitzen sie kuschelnd auf der Terrasse. "Olivia?" - "Hmm?" Leon richtet sich auf, nimmt ihr Gesicht in seine Hände und gibt ihr vorsichtig einen Kuss. "Ich vermisse dich", flüstert er und sieht sie liebevoll an, dann senkt er seine Lippen wieder auf ihre und vertieft den nächsten Kuss, bis er sie irgendwann hochhebt und mit ihr ins Schlafzimmer geht. Er legt sie sanft aufs Bett und vor jedem Kleidungsstück, das er ihr auszieht, schaut er sie fragend an. Als sie schließlich nackt vor ihm liegt, entledigt er sich seiner Kleidung bis auf die Boxershorts, dann küsst er sie am ganzen Körper, die Fesseln entlang, den Unterschenkel hoch, über die Oberschenkel und den Bauch, zwischen den Brüsten hindurch zum Schlüsselbein, ihr Kinn entlang zum Ohr. "Schlaf mit mir"  flüstert er rau in ihr Ohr und beißt sie leicht ins Ohrläppchen, was sie aufstöhnen lässt. Liv schlingt Arme und Beine um ihn und die beiden lassen sich von ihrer Leidenschaft mitziehen.

Am nächsten Abend sitzt Liv  mit Leon  in einem Club, lauscht den Männergesprächen und nippt an ihrem Drink, als sich einer seiner Freunde zu ihr beugt. "Du hast ihm also den Kopf verdreht?" Liv schaut kurz zu Leon, der sie prüfend ansieht, ihr zuzwinkert und sich wieder ins Gespräch ziehen lässt. "Ja, sieht so aus", meint sie dann zu Jim, der sie genau mustert. "Du bist so gar nicht sein Typ" - "Will ich wissen, wie sein Typ aussieht?" - "Du wirst sie sogar kennenlernen, sie kommt auch". Jim lehnt sich zurück und lässt seinen Blick über die Menge schweifen. Liv schließt kurz die Augen, trinkt aus und steht auf. Leon nimmt ihre Hand. "Wo willst du hin?" - "Mich kurz frischmachen" - "Okay. Lass mich nicht zu lange allein". Sie lächelt ihn an und drängt sich durch die Leute. Bevor sie wieder zurückgeht, schaut sie sich lange im Spiegel an und holt dann tief Luft. Sie zwängt sich wieder durch die Menschenmenge und bleibt wie angewurzelt stehen, als sie Leon sieht - engumschlungen tanzend mit einer blonden Schönheit, seine  Hände auf ihrem Po, versunken in einem innigen Kuss. Sie starrt die beiden an und Leon öffnet die Augen, sieht genau in ihre. Erkenntnis schleicht sich in seinen Blick, als er ihren Schmerz fühlt. Er schiebt die Frau von sich und läuft ihr nach, als sie sich umdreht und verschwindet. Sie taucht draußen unter, es fällt ihr leicht, da viele Menschen unterwegs sind und sie findet ein Taxi, das sie in ein Hotel bringt ... weg von Leon, der ihr wieder das Herz gebrochen hat.

"Verdammt Scheiße, wo ist sie bloß?" Leon rauft sich die Haare, Olivia ist seit Tagen untergetaucht, er kann sie nicht in Gedanken erreichen und ihr Handy ist aus. Plötzlich läutet sein Handy und er geht dran, ohne nachzusehen, wer es ist. "Olivia? Wo bist du?" - "Ich bin nicht Liv, aber du bist ein Vollidiot", hört er Linus sagen. "Linus - wo ist sie?" - "Bei Tino, wie immer gibt er ihr Halt, wenn du sie schlecht behandelst. Ich versteh es nicht Leon. Warum machst du das immer wieder? Ich würde dir am liebsten eine reinhauen, so wütend bin ich!" - "Da war nichts" - "Ach, knutschen ist nichts? Ich kann nicht mal eine andere Frau ansehen ohne schlechtes Gewissen Marie gegenüber und du gehst wieder und wieder fremd? Leon, was soll das? Ich dachte wirklich, du willst sie zurück - aber deine Taten sprechen dagegen. Ich werde sie nicht mehr zurückhalten, und auch die anderen stehen zu ihr. Du bist echt ein Riesenarschloch!" - "Li...", Leon will noch antworten, aber Linus hat aufgelegt.

Am nächsten Tag steht Leon todmüde im Rudelhaus in seinem Büro. Er hat den nächstbesten Linienflug genommen, um schnell in der Heimat zu sein. Er linkt Konstantin an. "Tino, ich bin wieder da. Bring bitte Olivia zu mir". Es dauert eine Weile, bis dieser antwortet. "Nein" - "Wie, nein?" - "Ich hab keine Zeit". Und schon sperrt er Leon aus seinen Gedanken aus. Verblüfft lässt sich Leon in seinen Stuhl sinken, er erreicht auch keinen der anderen, Olivia erst recht nicht. Erschöpft lässt er seinen Kopf sinken und fällt in einen unruhigen, kurzen Schlaf. Als er wieder aufwacht, steht er auf und geht durch ihr gemeinsames Schlafzimmer ins angrenzende Bad, um zu duschen. Erfrischt steht er dann vor dem Spiegel und stutzt - Olivia's Sachen fehlen. Er geht ins Schlafzimmer, öffnet den Kleiderschrank und steht vor ... Nichts - all ihre Kleidung ist weg, nur ein paar Abendkleider, die er ihr geschenkt hatte, hängen noch da. "Olivia", haucht er und fällt auf die Knie. Er schüttelt fassungslos den Kopf, dann beginnt er mit den Fäusten auf den Boden einzuschlagen, bis sie bluten und lässt seine Verzweiflung mit einem lauten Brüllen heraus, das die Mauern erzittern lässt. Schließlich überlässt er Kieran die Führung und er läuft in den Wald, an alle Plätze, an denen er mit Olivia war, zur Hütte, die leersteht, zum Haus von Linus und Marie, die aber verschwunden sind, zu Tinos Wohnung, wo ebenfalls niemand ist, zurück zum Teich, wo Kieran sich hinsetzt und anfängt zu heulen.

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt