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Liv schliesst die Augen und denkt nach. Leon spielt noch immer mit ihren Fingern, allein diese Berührung wirkt sehr intensiv auf sie. Irgendwann steht sie auf und geht ins Schlafzimmer. Sie muss jetzt allein sein, was Leon instinktiv spürt und sich aufs Sofa setzt. Er grübelt auch, lenkt seinen Blick nach draussen und lässt seine Gedanken offen für Liv, die aber verschlossen bleibt. Stundenlang bleiben sie so, Alerio, Stefano und Greta haben sich verabschiedet und sind zurück ins Rudelhaus gefahren. Als es dunkel wird, klopft Leon leise an ihre Tür. "Hast du Hunger, Olivia?", fragt er durch die geschlossene Tür. Als er keine Antwort bekommt, öffnet er sie einen Spalt und sieht Liv schlafend auf dem Bett. Lächelnd geht er in die Küche, schaut in den Kühlschrank und nimmt ein paar Sachen heraus. Vor sich hin pfeifend beginnt er zu kochen.

Liv wacht auf, als sie aus der Küche Geräusche hört. Leicht verwirrt setzt sie sich auf, doch dann erinnert sie sich, dass Leon bei ihr ist. Sie steht auf und bleibt im Türrahmen der Küche stehen, um ihn zu beobachten. Er hat sie noch nicht bemerkt und erschrickt ein wenig, als er sich umdreht und sie sieht. "Hunger, mein Herz?", grinst er sie dann an. "Ein wenig" - "Gut. Nehmen Sie Platz, Signora". Er zieht ihr einen Stuhl hervor und sie setzt sich. Sofort stellt er ihr einen Teller mit dampfenden Gnocchi und ein Glas Wein hin, bevor er sich selber bedient und zu ihr setzt. "Buon appetito". Still essen sie, immer wieder wandern ihre Blicke zueinander und treffen sich. "Danke, das war sehr gut" - "Hab ich gern gemacht, Olivia" - Leon ...", fängt sie an, bricht aber wieder ab. Er lässt ihr Zeit und räumt den Tisch ab. "Ich weiß nicht, ob ich dir nochmal vertrauen kann", sagt Liv leise, als er wieder neben ihr sitzt. "Lass uns nochmal von vorne anfangen, Olivia. Ich würde gern mit dir wegfliegen, nur wir beide, auf einer Insel, ohne Termine, Verpflichtungen, anderen Menschen. Uns neu kennenlernen und Seiten an uns finden, die wir noch nicht kennen - da gibts bestimmt noch einiges. Ich weiß, dass wir wieder eine gemeinsame Grundlage brauchen und das dauern wird. Aber ich glaube, das schaffen wir". Er gibt ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, zieht sich dann wieder zurück. Er merkt, wie sie mit sich ringt und will sie nicht drängen. "Ich muss da eine Nacht drüber schlafen, Leon". Er nickt. "Darf ich hierbleiben? Ich nehm das zweite Gästezimmer?" Liv zögert, doch dann nickt sie.

Am nächsten Morgen wird sie von Kaffeeduft geweckt. Sie schlüpft in eine Strickjacke und geht in die Küche. Dort bleibt sie überrascht stehen. Leon hat den Tisch gedeckt, frische Semmeln geholt und sogar eine einzelne dunkelrote Rose steht dort. "Guten Morgen, mein Herz". Leon umarmt sie kurz und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. „Guten Morgen" - „Setz dich, Olivia". Er bringt ihr eine Tasse Kaffee und setzt sich dann mit seiner eigenen neben sie. Schweigend frühstücken sie, er schaut sie immer wieder an und überflutet sie mit seinen Gefühlen, doch von ihr kommt nichts zurück. Nachdenklich sieht er auf die Tasse in seiner Hand. Hat er überhaupt noch eine Chance? Er weiß, wie sehr er sie verletzt hat, aber er weiß auch, wie sehr er sie vermisst hat. „Leon?" - „Ja, mein Herz?" - „Ich geb dir einen Monat, in dem du mir zeigen kannst, wie ernst es dir ist. Aber unter einer Bedingung" - „Die wäre?" - „Du darfst die Markierung nicht nutzen" - „Das geht klar, wollte ich ja auch nicht, bevor du verschwunden bist, Olivia". Sie sehen sich an und während Leons Augen wieder strahlen, ist ihr Blick immer noch traurig. „Olivia, ich will deine Augen wieder leuchten sehen, dein Lachen wieder hören und dein Herz wieder im Einklang mit meinem schlagen lassen. Wir schaffen das!" Zuversichtlich nimmt er sie in die Arme und atmet auf, als sie ihre ebenfalls um ihn schlingt.

Lange sitzen sie so, schweigend, Leon überglücklich, Liv immer noch zweifelnd, ob es die richtige Entscheidung war. Irgendwann schiebt er sie leicht von sich. "Was hältst du davon, wenn wir morgen gleich losfliegen, Olivia?" - "Wohin?" - "Lass dich überraschen, mein Herz". Sanft gibt er ihr einen Kuss auf die Stirn und sieht sie fragend an. "Ja, ich arbeite ja nicht im Moment und du bist dein eigener Herr, also ..." - "Schön, dann regel ich das gleich". Leon steht auf und geht aus der Küche. Liv schaut ihm kurz hinterher, dann stützt sie ihre Ellbogen auf den Tisch und legt den Kopf in ihre Hände. Sie bemerkt nach einer Weile, dass er wieder ins Zimmer kommt, rührt sich aber nicht. "Du wirst es nicht bereuen", flüstert Leon hinter ihr und beginnt ihre Schultern zu massieren. Liv lässt sich fallen und genießt die Berührung und auch die liebevollen Küsse im Nacken, die er ihr zwischendurch gibt.

Den Rest des Tages verbringen die beiden am Strand. Liv ist immer noch distanziert, aber Leon gibt nicht auf. Er versucht sie mit seiner guten Laune anzustecken, denn er freut sich auf die nächsten Wochen. Sie schlafen wieder in getrennten Schlafzimmern, was ihm wirklich schwer fällt, und am nächsten Tag bringt sie ein Taxi nach Pisa zum Flughafen, wo bereits ein Privatjet bereit steht. „Und sagst du mir jetzt, wohin es geht?", will Liv wissen, als sie angeschnallt auf ihrem Platz sitzt und der Jet durchstartet. „Nein. Aber es dauert einige Stunden, mein Herz" – „Einige Stunden?" – „Japp. Also lehn dich zurück und genieß den Flug. Hier ...", er reicht ihr eine Tasche und Liv schaut hinein. „Du hast meine Bücher dabei?", fragt sie verwundert. „Ja, ich weiß ja, wie gern du auf Flügen liest" – „Danke", sagt sie leise und nimmt sich das Buch, in dem sie als letztes gelesen hatte. Sie vertieft sich in den Inhalt und bemerkt nicht, dass Leon sie immer wieder nachdenklich ansieht. Nach einigen Stunden schläft sie ein und er nimmt ihr lächelnd das Buch ab. Er gibt ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und inhaliert ihren Duft – das hat ihm gefehlt die letzten Wochen. Zärtlich fährt er ihre Gesichtskonturen nach, dann beugt er sich über sie und schnallt sie an, da die Landung kurz bevorsteht. Sie stehen bereits am Gate, als er sie vorsichtig aufweckt. „Olivia? Wir sind fast da". Verschlafen sieht sie ihn an und streckt sich. Dann wirft sie einen Blick aus dem Fenster. „Wo ist 'da', Leon?" – „Auckland". Mit großen Augen schaut sie zu Leon. „Neuseeland?" – „Mhmm. Wir fliegen jetzt mit dem Heli weiter und dann gehört ein Bungalow uns für die nächsten zwei Wochen" – „Wow". Liv ist sprachlos. Leon schiebt sie schmunzelnd aus dem Jet zu einem Helikopter, der nur ein paar Meter weiter steht. „Na komm!" Leon steht bereits im Heli und reicht ihr seine Hand. Als sie dann sitzt, bekommt sie noch einen Kopfhörer. Leon setzt sich neben sie und zeigt nach draußen. „Schau hin, du wirst es lieben". Der Heli hebt ab und Liv kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Viel zu kurz dauert der Flug und sie sieht bereits den Landeplatz inmitten einer großen Anlage. „Wem gehört das, Leon?" – „Meiner Familie. Wir haben das vor zehn Jahren gekauft, die Bungalows werden vermietet, bis auf zwei, die sind immer frei für uns, naja, eigentlich sind meine Eltern fast immer hier. Und dort ist ein Hotel, darin gibt's auch Zimmer zu mieten" – „Das ist ... krass", flüstert Liv und dann stutzt sie. „Deine Eltern sind hier?" – „Nein, im Moment nicht, keine Sorge. Ich sagte doch, nur wir beide – und ein paar Gäste, die uns aber mit Sicherheit nicht stören."

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt