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Als es dunkel wird, spürt Liv, dass Leon sie wieder beobachtet. Sie hat jeden Abend bemerkt, dass er da war, aber nicht auf ihn reagiert. "Leon?" - Ja, mein Herz?" - "Setz dich zu mir". Zögernd geht er auf sie zu und bleibt vor ihr stehen. Sie nimmt seine Hand und zieht ihn neben sich, dann lehnt sie sich an seine Schulter. Leon wagt es kaum zu atmen. "Leon ... ich hab keine Ahnung, warum uns das alles so schwergemacht wird. Aber ich brauche dich wie die Luft zum atmen, ohne dich geh ich kaputt" - "Ich auch, Olivia. Ich brauch dich mehr als du dir vorstellen kannst". Er legt ihr seinen Arm um die Schulter und drückt ihr einen Kuss auf die Haare. "Hat Konstantin schon mit dir gesprochen?" - "Mit mir? Nein, warum?" - "Frag ihn doch mal, er soll dir eine Kurzfassung von dem geben, was er mir vorher erzählt hat". Es dauert eine Weile doch dann sieht er Liv mit großen Augen an. "Du bist auch ein Werwolf, ohne es zu wissen?" Liv nickt und schaut angestrengt zu Boden. Er dreht ihr Gesicht zu sich und gibt ihr einen sanften Kuss. "Wir schaffen das, mein Rudel ist auch deins und alle werden dir helfen. Die haben dich doch jetzt schon ins Herz geschlossen und verfluchen mich gerade, weil ich dir gegenüber so Scheiße war. Auch wenn ich jetzt irgendwie verstehe, warum das so war. Ich hab mich nicht angenommen gefühlt, ohne eine Markierung von dir. Deshalb konnte auch Tatjana wieder an mich ran. Ach, mein Herz, es tut mir so leid, ich bin eigentlich kein Mann, der Frauen schlecht behandelt" - "Du wirst es wieder tun müssen, bis ich meinen Wolf unter Kontrolle hab" - "Nein, meine Königin, ich werde dich nicht schlecht behandeln sondern dich führen und anleiten und NIE irgendwo alleine lassen".

Marie wirft einen Blick nach draußen, es ist unheimlich ruhig geworden, aber als sie Liv und Leon aneinandergekuschelt sitzen sieht, atmet sie erleichtert auf. Kurz darauf poltern Linus, Malte, Mio, Aron und Konstantin in die Küche und sie schaut sie überrascht an. "Leon wollte, dass wir kommen", sagt Linus und begrüßt seine Mate herzlich. "Der sitzt mit Liv auf der Veranda" - "Okay, ich weiß, um was es geht, ich klär euch mal auf, lassen wir den beiden noch etwas Zweisamkeit", meint Konstantin und erzählt ihnen die Vergangenheit von Liv. Als er fertig ist, sind erst Mal alle still. "Das ist ja krass", kommt irgendwann von Mio. "Ja, allerdings", antwortet Leon, der gerade mit Liv im Arm in die Küche kommt. "Ich ... WIR brauchen eure Unterstützung, ihr seid die Stärksten im Rudel. Ich hab keinen blassen Schimmer, was auf uns zukommt, aber ich möchte, dass ihr alle mit ins Rudelhaus kommt. Malte und Aron, eure Mates bitte auch, ich glaube, auch weibliche Hilfe wird benötigt. Konstantin, du bist ja soweit ausgestattet im Krankenzimmer?" - "Ja, ich hoffe aber, ich brauche nichts davon". Neugierig schaut Liv ihn an. "Ist das anders als normal?" - "Ja, etwas. Ich zeigs dir mal, wenn alles vorbei ist, okay?" - "Okaaaaay". Leon umarmt Liv von hinten. "Also, wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich gleich wieder mitnehmen, in unser Schlafzimmer und Operation Livs Wolf starten", flüstert er ihr ins Ohr. Liv prustet los. "Also, Decknamen aussuchen kannst du aber nicht wirklich", lacht sie und dreht sich in seinen Armen um. Leicht gekränkt sieht er sie an, doch sie zieht seinen Kopf zu sich und küsst ihn liebevoll, was ihn sofort besänftigt. Liv holt nochmal tief Luft. "Gut, irgendwann müssen wir ja anfangen" - "Das hört sich ja sehr begeistert an", kichert Marie, die aber sofort von Linus einen kleinen Klapps auf den Po bekommt. Leon grinst kurz, dann richtet er seinen Blick wieder auf Liv. "Bereit, meine Königin?", fragt er leise. "Bereit", nickt Liv. "Malte, ich nehm dein Auto, du fährst mit Konstantin. Seid einfach im Rudelhaus, wenn ich euch brauche". Seine Freunde und Marie nicken, dann geht er mit Liv nach draußen.

Schweigend fahren sie zurück, Leon ist sehr angespannt und Liv im Moment keine große Hilfe. "Was meinst du, wie mein Wolf aussieht?", unterbricht sie irgendwann die bedrückende Stille im Auto. "Wunderschön" - "Davon geh ich aus", versucht sie ihn aufzuziehen und er schmunzelt leicht. "Ich weiß nicht ... Mates haben oft total gegensätzliche Farben oder genau die gleiche. Du könntest weiss sein oder schwarz, weiss mit schwarzen Haaren dazwischen oder andersrum. Ich glaube aber, dass du nicht sehr groß bist, das bist du ja als Mensch auch nicht" - "Tut es weh?" - "Was?" - "Das Verwandeln?" - "Olivia, das kann ich dir nicht beantworten. Wenn sich Werwölfe das erste Mal verwandeln, sind sie Kinder, die Knochen noch elastisch und es macht fast keine Schmerzen. Und mit jedem Verwandeln wird es besser. Wir erwachsenen Wölfe spüren nichts mehr" - "Aber weil ich mich noch nie verwandelt habe, wird es mir vermutlich schon wehtun ... oder?" Leon schließt kurz die Augen, bevor er nickt. "Ich befürchte es, mein Herz" - "Wie alt bist du eigentlich wirklich?" - "34" - "Leon, ich will dein richtiges Alter wissen" - "374 Jahre". Liv ist sprachlos. "Dann müsstest du ja meine Ur-Ur-Oma kennen?", fragt sie, als sie sich gefasst hat. "Nein, zu der Zeit waren wir nicht hier. Durch unsere Unsterblichkeit wandern wir immer wieder weiter, bevor auffällt, dass wir nicht altern. Oder wir suchen uns Berufe, bei denen wir das gut kaschieren können - ich trete im Moment als mein eigener Sohn auf, der mein Büro übernommen hat", lächelt Leon. "Warum habt ihr nicht alle das gleiche Alter? Also, das was ihr vorgebt zu haben" - "Ich fand 34 toll, da hat man schon etwas gelebt, ist kein Jungspund mehr und trotzdem noch nicht alt" - "Ihr könnt das selber steuern?" - "Japp".
Leon fährt in die Garage und steigt aus. Liv bleibt sitzen, ihr ist grade sehr mulmig zumute. "Na komm, mein Herz, so schlecht war der Sex doch gar nicht", grinst er sie an und zieht sie aus dem Auto. "Hey", flüstert er zärtlich, "lass dich fallen, ich fang dich auf" - "Mir gehts echt mies grad" - "Ich merke es, mein Herz. Komm mit". Leon zieht Liv ins Haus und ins Badezimmer, wo er sie vor den großen Spiegel stellt. "Was siehst du da?", fragt er sie. Liv mustert sich. "Eine kleine, pummelige Frau mit langweiligen Haaren, hinter der ein großer, gutaussehender Mann mit eisblauen Augen steht" - "Ach, mein Herz. Ich sehe eine kleine Frau, deren Augen immer leuchten, die eine süße Stupsnase hat und Lippen, die mich ins Verderben stürzen. Eine Frau, die Hände hat, die heilen können und einen Körper, der genau zu meinem passt. Eine Frau, die mich nur durch einen Blick oder eine Berührung beruhigen oder in den Wahnsinn treiben kann. Die Frau, mit der ich meine Ewigkeit verbringen will und werde - meine Königin!"

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt