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Ein nervtötendes Piepsen dringt an Olivias Ohr, als sie wieder zu sich kommt. Langsam öffnet sie die Augen. „Na endlich!", hört sie einen Mann neben sich sagen. Sie dreht den Kopf zu ihm und sieht Tino neben ihrem Bett stehen. Liv greift sich an den Kopf, sie hat ziemliche Schmerzen, auch im Brustbereich. „Was ist passiert?", fragt sie leise. „Ein Lastwagen ist auf eure Seite gekommen und euch reingekracht. Du hast ein Schleudertrauma, eine Gehirnerschütterung und eine geprellte Brust vom Gurt. Ich hol dir gleich den behandelnden Arzt". Tino verlässt das Zimmer und Liv kommt kurz zum Nachdenken. Mit wem war sie unterwegs? War sie allein im Auto? Aber Tino sagte ‚ist euch reingekracht", also war sie nicht allein. Wer war mit ihr im Auto? Die Tür öffnet sich und Tino kommt mit einem Arzt wieder ins Zimmer. „Frau Roth, ich bin Dr. Mertens, der behandelnde Arzt. Wie geht es Ihnen?" – „Bis auf die Schmerzen ganz gut". Dr. Mertens sieht auf die Kartei in seiner Hand und nickt. Er zieht eine kleine Lampe aus dem Kittel und überprüft ihre Pupillen, dann schreibt er kurz etwas auf. „Die Schwester gibt ihnen gleich noch ein passendes Mittel. Ich würde sie gerne noch eine Nacht hierbehalten, auch um sicherzugehen, dass mit dem Baby alles in Ordnung ist. Aber im Moment sieht alles gut aus. Wir sehen uns morgen nochmal". Liv nickt und als sie registriert, was der Arzt gerade gesagt hat, ist er bereits aus dem Zimmer. Sie schaut zu Tino, der sie ebenso verdutzt ansieht. „Hat der gerade was von Baby gesagt?", fragt sie überrascht. „Bist du schwanger?", kommt gleichzeitig von ihm. Da klopft es an der Tür und Linus betritt den Raum. „Hey, du bist ja wach", freut er sich, merkt dann aber die komische Stimmung und schaut zwischen den beiden hin und her. „Was ist los?" Fragend sieht Tino zu Liv. „Sie ist schwanger", sagt Konstantin dann und schüttelt den Kopf. „Das kann doch jetzt nicht euer Ernst sein?" Linus setzt sich zu Liv aufs Bett und nimmt sie in die Arme. „Hey", sagt er sanft, als er merkt, dass sie beginnt zu weinen. „Ich kann doch jetzt kein Baby von ihm bekommen, das geht nicht. Was soll die Scheiße?" Wütend löst sie sich von ihm und wirft ein Kissen durchs Zimmer. „Beruhig dich, Sweetheart" – „Wieso? Wo steckt er überhaupt? Wieder bei einer seiner Tussen?" Linus und Tino werfen sich einen Blick zu. „Er war mit dir unterwegs", sagt Linus vorsichtig. „Und?" – „Ihn hat's schlimmer erwischt, er liegt im Koma. Der LKW fuhr genau in seine Seite" – „Was?", haucht Liv und lässt sich im Bett zurückfallen. Bereits am nächsten Tag lässt sie es sich nicht nehmen, zu Leon zu gehen. Sie führt viele Gespräche mit Tino, Linus und Marie und beschließt, Leon noch nicht aufzugeben und das Baby zu behalten.

Tage und Nächte verbringt Liv neben Leon am Krankenbett, nur zum Duschen fährt sie kurz ins Rudelhaus. Auch heute sitzt sie neben ihm, liest ihm aus der Zeitung vor und hält seine Hand. Doch irgendetwas ist anders. Grübelnd schaut sie ihn an, als er plötzlich seine Augen aufschlägt und verwundert im Zimmer herumsieht. „Wo bin ich?", fragt er mit heiserer Stimme. „Im Krankenhaus, Leon". Er wendet ihr seinen Blick zu. „Und wer sind Sie?". Liv schließt kurz ihre Augen und holt tief Luft. „Ich hole einen Arzt". Sie steht auf und verständigt Tino über den Mindlink, während sie ins Ärztezimmer geht. Der diensthabende Arzt läuft sofort zu Leon, Liv setzt sich vor dem Zimmer auf den Boden und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. Als sie Schritte hört, sieht sie auf. Tino geht sofort ins Krankenzimmer, während Linus vor ihr stehen bleibt. „Was ist los, Liv?" – „Er erkennt mich nicht", antwortet sie leise. Linus schließt sie in seine Arme. „Das wird schon wieder. Auch mit Amnesie fühlt er die Bindung, Liv. Das braucht halt seine Zeit" – „Ja", stimmt ihm Tino zu, der gerade wieder zu ihnen kommt. „Es werden jetzt noch einige Untersuchungen gemacht, Liv. Du solltest heimgehen und dich ausruhen. Im Moment kannst du eh nicht zu ihm" – „Na komm, ich fahr dich", sagt Linus und gemeinsam gehen sie nach draußen. „Ich hol dich morgen gegen neun ab, dann fahren wir zusammen ins Krankenhaus, vielleicht sieht die Welt dann schon besser aus". Linus ist zuversichtlich und Liv nickt nur – sie weiß, dass eine Amnesie auch sehr lange dauern kann.

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt