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"Ich weiß nicht, ob ich das kann, Aurora", sagt Liv leise am Telefon. Es geht um den Frühlingsball, der demnächst ansteht und den sie mit Leon besuchen soll. Sie ist wieder in einer kleinen Wohnung, nur Konstantin und Marie wissen, wo sie lebt, zu Leon hat sie den Kontakt abgebrochen. Sie weiß, dass er sie sucht und den beiden immer wieder droht, aber sie halten zu ihr und verraten nichts. "Liv ... du bist dort nicht allein, Alerio und ich sind da, Greta und Stefano und auch eure Betas sind da, neben vielen anderen. Du gehst dort hin, in einem Traum von Kleid, verzauberst die Leute und zeigst Leon, was er verloren hat. Machs für dein Rudel, Liv. Und am nächsten Tag fährst du mit uns und wir lösen eure Bindung". Liv zögert lange, Aurora wartet geduldig, und schließlich stimmt sie zu. "Das ist eine wahre Königin! Ich bin stolz auf dich!", sagt Aurora. "Ich hoffe, ich bereue das nicht", murmelt Liv. "Wirst du nicht, Liebes. Der einzige, der bereuen wird  ist Leon".

Am Tag des Balls ist Liv sehr nervös. Sie hat keine Ahnung, wie Leon reagieren wird. Tino hat ihm gesagt, dass sie kommt. Gerade steht Konstantin hinter ihr. Er trägt, wie alle Männer an diesem Abend, einen schwarzen Frack, den er mit einem schwarzem Hemd kombiniert hat. "Du siehst wahnsinnig sexy aus, Sweetheart", raunt er und dreht Liv einmal um ihre Achse. "Er wird ausflippen", grinst er dann. Liv trägt ein langes, tiefrotes Kleid mit etwas weiterem Rock, das rechts einen Schlitz bis zu Mitte des Oberschenkels hat. Das Oberteil ist über der Brust gekreuzt mit Neckholder, der Rücken und ein kleines Dreieck unter ihrer Brust liegt frei. Ihre Haare hat sie locker hochgesteckt, ein paar Strähnen fallen lockig über ihre Schultern und ihre Lippen haben den gleichen Rotton wie ihr Kleid. Der einzige Schmuck, den sie angelegt hat, ist das Armband, das ihr Leon geschenkt hat. "Also, der erste Tanz muss mit Leon sein, Liv, dann werden wir anderen dich nicht mehr aus den Armen lassen. Du schaffst das, du bist nie allein, ja?" Olivia nickt, holt tief Luft und hakt sich dann bei Tino ein, der sie nach unten zu seinem Auto führt.

Leon schluckt, als Liv an Konstantins Arm den Saal betritt. Er bemerkt die starrenden Blicke der anwesenden Männer und eilt zu ihr. "Olivia, mein Herz, du siehst einfach bezaubernd aus". Er zieht sie in eine Umarmung, die sie nur widerstrebend zulässt. "Nenn mich nie wieder mein Herz, denn das bin ich nicht mehr", flüstert sie ihm ins Ohr und wendet sich dann strahlend dem Alphapaar zu, das neben ihnen steht. Sie spielt ihre Rolle perfekt und Leon schöpft trotz ihrer Worte wieder Hoffnung. Dann wird der erste Tanz aufgerufen und Leon und Liv schreiten mit den anderen Alphapaaren zur Mitte des Saales. Er zieht sie an sich und sie beginnen zu tanzen. Leon und Liv sehen sich schweigend an, und während Liv immer noch Liebe in seinen Augen sieht, ist in ihren eigenen nur noch Kälte zu finden. "Darf ich um den nächsten Tanz bitten?" Alerio steht neben Liv und Leon will schon ablehnen, doch sie kommt ihm zuvor, neigt kurz den Kopf und dreht sich in Alerios Arme. Immer wieder versucht Leon, zu ihr durchzudringen, aber sie wird von einem zum anderen durchgereicht - gerade so, als wollten alle, dass er nicht mehr zu ihr kommt. Verzweifelt geht er zur Bar und als er sich wieder umdreht  ist Olivia von der Tanzfläche verschwunden. Suchend schaut er sich um.

"Können wir kurz rausgehen?", fragt Liv Matteo, der gerade mit ihr tanzt. "Natürlich, etwas frische Luft kann ich auch brauchen". Die beiden treten durch die große Tür auf die angrenzende Terrasse. Liv stützt sich mit den Händen auf der Balustrade ab, während er sich eine Zigarette ansteckt. "Du rauchst?", fragt sie ihn verwundert. "Ja, ich komm einfach nicht weg von dem Teufelszeug", seufzt er und bläst  Rauch in den Nachthimmel. "Wo ist eigentlich Viola?" Matteo grinst. „Der geht's nicht so gut" – „ Und warum grinst du dann?" – „Naja, das sind die Beschwerden im ersten Schwangerschaftsdrittel" – „Ui, ihr werdet Eltern? Herzlichen Glückwunsch, Matteo". Liv umarmt ihn kurz und wird sofort von ihm weggezogen. Leon steht wütend hinter ihr. „Was soll das?" – „Das frage ich dich, Leon! Verfolgst du mich?" – „Du bist meine Frau". Bitter lacht Liv auf. „Deine Frau? Ich frage mich, ob ich jemals deine Frau war, Leon" – „Matteo, lass uns allein!" Fragend schaut dieser Liv an, die kaum merklich nickt, und Matteo zieht sich zurück, lässt die beiden aber nicht aus den Augen, immer bereit einzugreifen. Liv lehnt sich wieder an die Balustrade vor ihr und legt ihre Hände darauf. Leon stellt sich neben sie und greift nach ihrer Hand, die sie aber sofort wegzieht. „Olivia, bitte. Ich brauche dich" – „Mach dir doch nichts vor, Leon. Du brauchst ein Anhängsel um gut dazustehen, mehr nicht. Das kann jede x-beliebige Frau sein" – „Es tut mir leid" – „Ja, mir auch. Mir tut es leid, dass ich dir immer wieder verziehen und neue Chancen gegeben habe. Ich fahre morgen nach Italien und werde dort mit Hilfe von Alerio die Bindung lösen. Dann kannst du wieder tun und lassen, was du sowieso machst, aber ich habe dabei keine Schmerzen mehr" – „Das kannst du nicht machen" – „Warum nicht? Wir haben keine Zukunft miteinander und ich sehe nicht ein, warum ich mich immer verletzen lassen muss" – „Aber ..." – „Nein, Leon, kein Aber. Mein Entschluss steht fest und du wirst ihn nicht ändern können. Ich hätte das schon vor Neuseeland machen sollen, dann wäre mir einiges erspart geblieben". Liv stößt sich vom Geländer ab und wendet sich zur Tür, als er sie noch festhält. „Darf ich dich wenigstens heute noch nach Hause bringen?", fragt er leise. Liv überlegt kurz, dann nickt sie. Die Wohnung hat sie sowieso schon gekündigt, es ist also egal, ob er weiß, wo sie wohnt oder nicht. Aurora und Alerio sehen ihr schon besorgt entgegen, als sie den Saal wieder betritt. Lächelnd geht sie zu den beiden und beruhigt sie, dann tanzt sie nochmal mit Konstantin und Malte, bevor sie sich verabschiedet und mit Leon zum Auto geht. „Geht das echt in Ordnung?", fragt Tino sie noch und Liv nickt bestätigend. „Er wird mir nichts tun und mein Entschluss steht fest, Tino. Ich schreib dir, wenn ich in meiner Wohnung bin, und der Rest läuft dann so wie abgemacht. Ich danke dir für alles, Konstantin. Wir bleiben in Kontakt". Die beiden umarmen sich noch lange, unter den finsteren Blicken von Leon, und auch von Malte wird sie noch fest in die Arme gezogen. Leon wartet an der geöffneten Beifahrertür, bis sie eingestiegen ist, dann wirft er sie zu und steigt auf der Fahrerseite ein. Schweigend fahren sie die ersten Kilometer, Liv schaut aus dem Fenster, spürt aber immer wieder seinen Blick auf sich. „Ich wollte das nie, Olivia" – „Was?" – „Dir wehtun. Ich weiß nicht, warum ich ... ach, vergiss es. Ich wollte immer nur an deiner Seite sein, mit dir glücklich werden und irgendwann Kinder bekommen. Aber das hab ich wohl verbockt. Ich liebe dich trotz allem, Olivia, und du bist meine Königin, egal, was ich gemacht habe" – „Leon ... wenn man wirklich liebt, handelt man anders. Du hast doch gar keine Ahnung, wie ich mich gefühlt habe, als du da plötzlich mit dieser Frau rumgemacht hast, ein paar Stunden nachdem ich mich wieder für dich geöffnet hatte und eigentlich dachte, alles wird wieder gut". Eine einzelne Träne läuft über ihre Wange und sie sieht in der Scheibe, dass er zu ihr schaut. Plötzlich wird es hell im Wagen, man hört Bremsen und eine laute Hupe, dann kracht es und Liv versinkt in Schwärze ...

Leon & Liv   -   Eine WerwolfgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt