10. „Scars"

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Svenja stellte ihr lächelnd einen Kaffeebecher auf den Tisch und legte einen Kinderriegel daneben. Ella sag hoch und erwiderte das Lächeln. „Womit hab ich das verdient?", fragte sie und ihre Stimme klang brüchiger als sonst.

„Es geht dir nicht gut." Svenja kam um den Schreibtisch herum und legte ihre Arme um Ella. „Ich bin hier, wenn du mich brauchst. Du musst nur etwas sagen." Sie drückte Ella einen Bussi auf die Wange und wandte sich wieder zum Gehen.

Deshalb mochte Ella sie so gern, sie war aufmerksam, aber drängte sich nicht auf. Das Angebot konnte sie dennoch nicht in Anspruch nehmen. Niemand in der Einrichtung durfte wissen, dass sie mit einem Vater geschlafen hatte. Nicht mal eine Freundin. Und was sollte sie schon erzählen? Dass Jace gestern nicht mehr vorbei gekommen war? Dass sie wie eine dumme Kuh auf ihn gewartet hatte? Dass sie ihr Handy angestarrt und auf eine Nachricht gewartet hatte?

Georgina hatte Casper heute morgen gebracht. Vermutlich würde sie ihn auch abholen. Ella schüttelte über sich selbst den Kopf. Heute würde sie mit in die KleinerOnkelGruppe gehen. Bei den Kindern war sie am Ende doch am glücklichsten.

***

Jace stöhnte und hielt sich den Kopf. Das waren gestern definitiv zu viele Biere gewesen. Vorsichtig öffnete er die Augen, auch wenn er die Idee für sehr unklug hielt. Aber er musste dringend pissen und mit geschlossenen Augen fand er niemals sicher ins Bad. Überrascht öffnete er die Augen ein Stück weiter. Seine Bettwäsche war das schonmal nicht, schwarzer Satin war so garnicht seins.

„Du bist wach, Babe." Jace drehte sich um. Am Fußende stand eine nackte dunkelhaarige Frau, mit einem Kaffee in der Hand.

„Fuck." Er wühlte sich aus den Decken heraus und suchte nach seinen Klamotten. „Bad?" Die Kleine wies auf eine Tür zu seiner Linken. Er stürzte in einem Tempo hinein, dass es an ein Wunder grenzte, dass er sich nicht den Hals brach.

Jace hielt seinen Kopf unter den Wasserkran und trank einige Schlucke, um den Hamster aus seinem Mund zu entfernen. Im Spiegel sah er, dass er so abgefuckt aussah wie er sich fühlte. Seine Augen waren rot unterlaufen, der Lippenstift der fremden Frau klebte noch in seinem Gesicht und ihre Nägel hatten Spuren auf seinem Rücken hinterlassen.

„Fuck."

Schnell streifte er sich das schwarze T-Shirt über den Kopf und klopfte seine Taschen nach seinem Handy ab.

„Fuck."

Mittlerweile brüllte er laut. Training, Casper, Ella! Nicht unbedingt in der Reihenfolge. Er stürzte aus dem Bad zurück ins Schlafzimmer der Frau, die sich nackt und breitbeinig auf einem Sessel räkelte.

„Runde vier?" Sie grinste ihn an.

„Handy, wo?"

Er bedachte sie mit keinem zweiten Blick, als sie sagte: „Neben der Tür auf dem Schrank."

Ihr schmollender Unterton war ihm nicht entgangen. Er griff nach seinem Handy nur um festzustellen, dass es natürlich aus war. War ja klar. Wütend griff er nach seinen Autoschlüsseln und war aus der Wohnung verschwunden, ohne auch nur noch ein Wort zu sagen. Er hörte noch ein laut gekreischtes „Arschloch" und etwas gegen die Tür fliegen, aber das war ihm egal. Er rannte die Treppen hinunter und versuchte sich zu erinnern wie er gestern hierher gekommen war.

Marc. Die Jungs hatten ihn auf dem Weg zu Ella abgefangen. Er hatte sich auf ein Bier eingelassen und wollte Ella noch geschrieben haben. Hoffentlich hatte er das wirklich getan. Vor dem Haus sah er suchend die Straße rauf und runter. Wo war sein scheiß Wagen?

***

Müde verstaute Ella den Antrag und klappte anschließend die Unterschriftenmappe zu. Es war bereits weit nach Mitternacht, als sie sich endlich erhob und ihre Sachen zusammenpackte. Jace hatte sich den ganzen Tag nicht gemeldet und sie war nach der anfänglichen Wut und Enttäuschung einfach nur noch müde. Müde von Männern.

Du bist, was ich willWo Geschichten leben. Entdecke jetzt