11. „What if"

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Die Drei waren an ihr vorbei gerannt und hatten sie liegen gelassen. Sie hatte sich unwillkürlich zusammen gerollt, die Arme um ihren Kopf gelegt, die Hände schützend im Nacken.

Wenige Momente später hatte Ella sich mühsam aufgerappelt und war in ihre Wohnung gehumpelt, nur um weinend im Flur zu verharren.

Nach einer Weile und sie wusste wirklich nicht, wie lange sie auf dem Boden hinter ihrer Tür kauerte, klopften zwei nette Polizeibeamte. Sie erzählten ihr, dass ihre Nachbarin Rosalie Evans ausgeraubt worden war und fragten, ob sie etwas gesehen hätte.

Nachdem sie ihre Begegnung geschildert hatte, die Beamten ihre Personalien, ihre Aussage und ihre Strafanzeige aufgenommen hatten, gingen sie wieder und ließen Ella allein. Sie hatte abgelehnt ins Krankenhaus gefahren zu werden, bereute die Entscheidung allerdings, als sie nur mit Mühe bis ins Bad humpeln konnte. Es war nichts gebrochen, zumindest glaubte sie das, aber ihre linke Seite tat höllisch weh, angefangen bei ihrer Hüfte, die beim Auftreten stach, über ihre Rippen, die wie blöd pochten, hin zu ihrer Schulter, die eklig brannte, weil sie sie sich aufgeschürft hatte.

Vorsichtig rieb sie über ihre Wange, die knapp unter dem Auge aufgeplatzt war, um das getrocknete Blut abzuwaschen. Heiße Tränen brannten in ihren Augen und sie wünschte sich so sehr jemanden, der sie in den Arm nahm und ihr sagte, dass alles gut war.

Ihr Smartphone vibrierte. Mit zitternden Finger griff sie danach. Natürlich erkannte das Smartphone ihr verheultes Gesicht nicht. Schmeichelhaft, das hatte ihr gefehlt. Sie tippte ihren Code ein und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Jace: Ella, können wir miteinander reden?

Natürlich. Jace.

Sie ignorierte seine Nachricht und legte das Handy auf den Waschtisch.

Jace: Bitte, Ella.

Ihr Blick blieb an seiner Nachricht auf ihrem Display hängen, bis er wieder schwarz wurde.
Unwillkürlich schluchzte sie und die Bewegung gab ihr das Gefühl zu zerreißen. Verdammt. Sie wollte nicht ins Krankenhaus, ihre Eltern würden sich vermutlich nur einmal mehr darin bestärkt sehen, dass sie es allein eben doch nicht schaffte. Wen sollte sie also aus dem Bett klingeln? Das zwischen Jonathan und ihr war nicht geklärt. Darla würde um die Zeit arbeiten. Alle anderen würden in den nächsten drei Stunden aufstehen und zur Arbeit fahren müssen...

Jace: Es tut mir leid, Ella.

Jace war noch wach.

Eine neuerliche Schmerzwelle fuhr durch ihre Rippen, sie griff entschlossen nach ihrem Smartphone und wählte seine Nummer an.

Er nahm nach dem ersten Klingeln ab. „Ella?"

„Jace, ich brauche Hilfe, da waren diese Männer und ich bin gestürzt und ..."

Er ließ sie garnicht ausreden. „Wo bist du?"

„Zuhause."

„Leg nicht auf Ella, bleib dran. Erzähl mir was passiert ist." Sie hörte wie er mit jemandem flüsterte und begann zu erzählen. Auch als sie geendet hatte, hielt Jace sie am Reden.
Erst als Ella ihm die Tür zwanzig Minuten später öffnete, legte er auf.

Er war gefahren wie ein Irrer. Sein Vater hatte ihn mehrfach ermahnen müssen runter zu schalten und langsamer zu fahren, doch Jace hatte ihn durch den roten Schleier der Wut kaum gehört.

Erschrocken sah er Ella an. Ihr Gesicht war gerötet, die Wunde unter dem Auge brannte feuerrot, Blut verfärbte ihre Bluse. Sie hielt sich völlig krumm und man sah ihr die Schmerzen an.

Frederic schob seinen bewegungslosen Sohn zur Seite und ging auf Ella zu. „Ella? Darf ich mir dich ansehen?"

Ella sah ihn an und blinzelte. Frederic. Jace' Dad. Ihre Gedanken waren unzusammenhängend und es fiel ihr so schwer sich zu konzentrieren.

Sie blinzelte wieder. Jace' Dad. Warum war er hier?

Jace erwachte aus seiner Starre und hob Ella so vorsichtig es ging auf seine Arme. Trotzdem zuckte sie vor Schmerz zusammen und stöhnte leise. Jace ging kaputt an dem Geräusch.

Bevor sein Dad Ella untersuchen wollte, bat er Jace den Raum zu verlassen, wiederholte die Bitte aber nach einem Blick in das Gesicht seines Sohnes nicht.

Jace hatte Ella in ihrem Schlafzimmer aufs Bett gelegt und sich auf die andere Seite gesetzt. Er streichelte sanft über ihren Handrücken und versuchte nicht auf ihre Rippen oder ihre Schulter zu schauen. Sie lag in ihrer Unterwäsche vor ihnen, das Laken bedeckte notdürftig ihre unverletzte Seite.

Ihre Prellungen wurden bereits dunkler und würden bald schon grün und blau werden. Er hatte mehr als einmal geprellte Rippen gehabt und wusste wie weh das tat.

Sein Dad tastete vorsichtig über Ellas Körper, was dafür sorgte, dass immer wieder zusammenzuckte und stöhnte.

„Pass doch auf!", zischte Jace seinen Vater an, entschuldigte sich aber im nächsten Moment.
Fredric schüttelte den Kopf über seinen Sohn.

„Ella, soweit ich ertasten konnte, ist wirklich nichts gebrochen, aber dafür geprellt. Ich denke wirklich, dass du morgen ins Krankenhaus fahren solltest." Noch während er sprach, wusste er, dass er gegen eine Wand redete.

Sie murmelte wie erwartet eine Ablehnung, war schon fast eingeschlafen. „Ich verschreibe dir Schmerztabletten." Ella nickte. An Jace gewandt fragte Frederic: „Kommst du mit heim?"

Jace schickte seinen Dad nach Hause und setzte sich anschließend in den Sessel neben Ellas Bett. Sie sah ihn mit weit offenen Augen an. „Ich lass dich heute nicht allein ok? Ich bleibe hier sitzen, du musst nicht mit mir reden. Ich passe auf dich auf, Baby."

Wieder liefen heiße Tränen über Ellas Wangen. „Kannst du dich vielleicht zu mir legen und mich festhalten?", fragte sie leise und sah verschämt zu Boden.

Er atmete tief ein und aus. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, alles in ihm schrie danach jemanden zu verprügeln.

Unter Auferbietung seiner ganzen Willenskraft nickte er einfach. Er traute seiner Stimme nicht.

Schnell schlüpfte er aus seiner Hose, zog sich sein Shirt über den Kopf und ging um das Bett herum.

Ella musterte ihn in seiner schwarzen Boxershorts, nahm seine definierten Muskeln und auch seinen zerkratzten Rücken wahr.

Jace bemerkte wie Ella seinen Rücken musterte und dachte an die Striemen der Frau aus der letzten Nacht. Zum zweiten Mal binnen 24 Stunden schämte er sich. Er hob die Decken und schlüpfte schnell darunter.

Ella legte ihren Kopf auf seine Brust, ihre Hand auf seine stählernen Bauchmuskeln und kuschelte sich vorsichtig an ihn, während er seinen Arm sachte um sie legte und seine Hand auf ihrem unteren Rücken platzierte. Seine andere Hand verschränkte er mit ihren Fingern auf seinem Bauch. „Versuch zu schlafen, Ella", flüsterte er.

„Du gehst nicht weg, ja?", murmelte sie leise. „Nicht, wenn du nicht willst."

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Das Kapitel ist so kurz ... entschuldigt, aber es ist alles gesagt, glaube ich. ;)
Bei Tageslicht sieht vieles wieder anders aus... was wird Ella zu den Kratzern auf seinem Rücken sagen? Wir sie bereuen ihn angerufen zu haben?

Du bist, was ich willWo Geschichten leben. Entdecke jetzt