Lass uns Freunde werden!

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Simon wurde unter dem regelrecht arroganten Blick von Taddl immer kleiner. Er hatte ja absolut keine Ahnung gehabt, dass er seinen Gegenüber mit seiner Flucht augenscheinlich so beleidigt hatte. Aber im Grunde genommen war die gesamte Erscheinung des Älteren das genaue Gegenteil von dem, was der Blonde erwartet hatte. Die eiskalte und beinahe stählernde Aura schüchterten den Jüngeren sichtlich ein. Das Vampirkostüm, was an jeder anderen Person so albern und unspektakulär ausgesehen hätte, verstärkte diesen Eindruck noch zusätzlich und er wich beinahe einen Schritt zurück. Irgendwie hatte Simon eine, nunja freundlichere oder zumindest neutrale Reaktion auf die Gesamtsituation erwartet. Innerlich straffte er die Schultern und schluckte die Angst herunter, bevor er einfach nur ein kurz angebundenes "Komm ich stell dich Samuels restlichen Freunden vor." herauswürgte. Genauso wie er es am liebsten mit all seinen Emotionen tun wollte, die er irgendwie absolut nicht in den Griff bekommen konnte. "Ich hab dir eine Frage gestellt Simon." knurrte der Größere bedrohlich neben ihm. "Das habe ich mitbekommen. Aber woher sollte ich wissen, dass du anscheinend so eine wichtige Persönlichkeit bist und ich dir die Füße küssen muss?!" Der Blonde wusste nicht, wo dieser Anflug von Selbstbewusstsein, welches gewaltig mit Zynismus gewürzt war, herkam. Manchmal schaffte er es glatt sich selbst zu überraschen. Sein Selbstschutz schien also nach wie vor hervorragend zu funktionieren, was er bei vergangenen Gedanken an den Barkeeper bezweifelt hatte. Stattdessen waren in seiner Fantasie ekelhaft kitschige Situationen entstanden, in denen der Blonde eine Seelenstriptease sondergleichen hinlegte und damit das Herz des Anderen im Sturm eroberte. Von romantischen Dates und vielen Varianten erster Küsse mal ganz zu schweigen. Bullshit, alles nur Bullshit. Er musste den Verstand verloren haben, derart über jemanden wie Taddl so zu denken oder von so etwas zu träumen. Ein genervtes Schnauben und ein gemurmeltes "Was glaubst du wer du bist?!" ,welches allerdings unerwidert blieb, waren die Reaktion.
Entsprechend wortkarg lief die Vorstellung von Jonas, Kim sowie einigen von Samuels Kommilitonen, mit denen sie etwas mehr zu tun hatten, ab. Eigentlich sprachen Taddl und Simon selbst kein Wort mehr miteinander, sondern Letzterer bekam nur noch einige verachtende Blicke zugeworfen und flüchtete zurück an die Bar, als sich die erste Gelegenheit ergab. Um Samuel gehörig anzuschnauzen. Naja und um aus der Ferne zu beobachten ob der Ältere sich nur Simon gegenüber so derart scheiße benahm.
"Vielen Dank für nichts Mr. Masterplan. Das war die größte Blamage überhaupt, aber was hab ich eigentlich erwartet. Als ob sich erstens jemand wie ER für wen wie MICH interessiert, zweitens das er sich nicht beleidigt fühlt von dem was da in dem Club passiert ist oder drittens das ich mein Maul aufkriege und ihn darauf anspreche. Ich bin so ein kompletter Vollidiot einfach was ist denn falsch mit mir verdammt ich-" Simon stockte als er bemerkte das sich bereits einige Tränen von Verzweiflung und Scham in seinen Augen gesammelt hatten. Sofort fokussierte er sich nur darauf, diese mit aller Kraft zurückzuhalten, während Samuel hinter der Theke hervorgekommen war, ihn in seine Arme zog und beruhigend auf ihn einredete bis er sich wieder gefasst hatte. "Taddl ist manchmal etwas...nunja sagen wir speziell. Aber das sind wir alle mal und ich bin mir sicher, dass ihr gerade nur ein paar Startschwierigkeiten habt. Das wird schon."
Der Abend schritt immer weiter voran, die Leute wurden immer ausgelassener und Simon verbrachte die meiste Zeit damit Samuels Arbeitskollegen dabei zu beobachten, wie dieser sich mit wechselnden Tanzpartnern auf dem Dacefloor verausgabte. Es war als würde der Bass, welcher dumpf durch den Keller zog und den Boden leicht vibrieren ließ, Taddl schweben lassen. Er schien eins mit der Musik und bewegte sich so perfekt zum Takt, so elegant aber trotzdem lasziv. Keine Bewegung wirkte übertrieben oder fehl am Platz, es sah beinahe so aus als wäre er dafür geschaffen. Der Blonde kämpfte damit nicht allzu offensichtlich zu starren, um nicht noch weiter in den Bann des Anderen gezogen zu werden. Trotzdem flossen die folgenden zwei Stunden unfassbar schnell davon und er bekam in dieser Zeit kaum irgendwas mit, abgesehen von einem kurzen Gespräch mit Kim. Es ging um diesen Kostümcontest oder so ähnlich. Wirklich zugehört hatte der Jüngere nicht, sondern nur zustimmend genickt als er etwas gefragt wurde.
Gegen Mitternacht war es dann endlich Zeit den Gewinner dieses Kostümwettbewerbs zu kühren. Diejenigen, die ein mehr oder weniger freiwilliges Interesse daran hatten zu gewinnen, fanden sich in der Mitte der Tanzfläche ein. Der Sieger würde durch Applauslautstärke gekührt werden, nachdem er kurz etwas zu dem erzählen musste, was er darstellen wollte. Simon fühlte sich unwohl hier zu stehen, aber Kim hatte ihn dort hingeschleift, weil er schließlich davor noch seine Zustimmung gegeben hatte. Während er Taddl angeschmachtet hatte. Unfaire Taktik. Trotzdem presste er, als er an der Reihe war, irgendwie ein halbwegs vernünftiges Zitat von Jacob Fyre hervor und wirkte dabei sogar recht ernstzunehmend. Tosender Applaus umfing ihn als er die Kapuze zurückschlug und gefährlich in die Menge lächelte, nur um sein Gesicht daraufhin wieder in Schatten zu hüllen und einen Schritt zurück zu machen, als würde er vollkommen in der Dunkelheit verschwinden wollen. Ein Applaus, den bei Weitem keiner toppen konnte. Was bedeutete, er hatte es irgendwie geschafft diesen irgendwie albernen Contest zu gewinnen. Ohne das überhaupt zu wollen. Aber das gab seinem Ego einen unfassbaren Boost und er fühlte sich zumindest für den Moment etwas besser. Vielleicht hatte er ja damit sogar Taddl beeindrucken können und dieser würde ihm jetzt gratulieren oder etwas derartiges. Eine Hoffnung die sofort wieder verflog, als Taddl plötzlich wirklich neben ihm stand. Sichtlich betrunken und mit einer jungen Frau im Arm, die im Alltag das typisch arrogante, oberflächliche und dumme Blondchen sein musste, ihr "sexy" Krankenschwesterkostüm verstärkte den Eindruck noch zusätzlich. Abgesehen davon erinnerte sie Simon auf eine absurde Art an sich selbst. Zumindest was Haar- und Augenfarbe sowie Körperbau, von den Brüsten mal abgesehen, anging. Es fühlte sich wie ein Tritt in die Magengrube an obwohl es dem Blonden weder zustand eifersüchtig zu sein noch sich Gedanken über diese Situation zu machen. Taddl konnte machen was er wollte, sie kannten sich ja nicht mal. Jener kam nun direkt zu ihm, schwankte leicht und grinste schief. "Sorry Si..Simon für die Sache vor..hin. Hier...meine Nummer. L...Lass ma...Freunde werden." lallte er und steckte Simon einen Zettel mit seiner Handynummer zu. Das war unfassbar seltsam. Aber andererseits war der Ältere augenscheinlich so betrunken und daneben, dass er glaubte das wäre eine legitime Art sich zu entschuldigen. Ein Nummernzettel und die Aufforderung Freunde zu werden. Absurd. Aber das war Simon ja nun mittlerweile schon mehr als gewohnt und er ahnte, wenn er Taddl näher kennenlernen und ihm näher kommen wollte, dann würde das definitiv nicht die letzte komplett bescheuerte Situation sein in die er unaufhaltsam hineinschlitterte. Erstaunlicherweise lies ihn dieser Gedankengang schmunzeln.
>Ok Taddl. Lass uns "Freunde" werden.< dachte er bei sich, ohne zu wissen in was für eine Achterbahn der Gefühle er hineinraste. Und das diese ihm ab und zu dss Herz brechen würde.

Seelenpuzzle #SlowbrickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt