Sie schenkten einander ein warmes Lächeln, ihre Augen fixierten einander und alles andere rückte für einen Augenblick in den Hintergrund. Sie sahen nur noch einander und sonst nichts und niemanden. Die Situation war so intim, dass sie Simon einen zarten Rotschimmer auf die Wangen zauberte. Taddl war es, der den Moment verstreichen ließ, sie beide wieder in die Realität zurückholte. "Wärst du bereit mit mir darüber zu reden?" Die Worte klangen vorsichtig, als würde der Ältere austesten wie er auf diese Thematik reagierte. Es lag kein forderner Unterton darin, er fühlte sich weder genötigt dieses Gespräch zu führen, noch darauf überhaupt zu antworten. Eigentlich hatte er sich immer vorgenommen reflexartig mit 'Nein!' auf diese Frage zu reagieren. Aber die Art wie Taddl ihn ansprach, ihn anblickte ließ ihn innehalten. Er war nicht in der Lage ihn abzuweisen, wenn er so sanft zu ihm war. Schließlich nickte Simon. "Aber nicht hier. Das gehört nicht hierher." Ein verständnisvoller Blick. "Wie es dir am liebsten ist. Wir müssen auch nicht heute darüber reden. Wirklich nicht."
"Hör auf damit." Simon wollte genervt klingen. Er versagte kläglich. "Womit denn?"
"Damit so umsichtig und vorsichtig und sanft zu sein. Das steht dir nicht." Ein Schmunzeln schlich sich auf Taddls volle Lippen. Aber es war nicht arrogant wie früher, sondern hatte etwas liebevolles an sich. Der Jüngere versuchte sich nicht anmerken zu lassen wie unfassbar schön ihn dieser Gesichtsausdruck machte. Wie sehr er sich in die Arme des Älteren schmiegen wollte. "Ich glaube nicht das mir das Image des unnahbaren Fuckboys, der weder tiefere Gefühle besitzt noch sich um die seiner Mitmenschen schert, steht mir nicht mehr. Irgendwie bin ich einfach erwachsen geworden und da rausgewachsen. Und außerdem, nur noch 3 Jahre und ich bin 30. Ich bin einfach zu alt dafür."
"Manche können das mit 50 immernoch."
"Ich weiß, kenne mittlerweile genug von dieser Sorte. Aber ich schätze, manche Erfahrungen sind einfach prägend und bringen selbst jemanden wie mich zum Umdenken." Simon klappte fast die Kinnlade herunter. Allein an der Art, wie der Ältere den letzten Satz aussprach verstand er sofort, dass er ganz gezielt auf sie beide und ihre letzte "Konversation" miteinander hindeutete. Oder eher darauf wie sie die Arme nacheinander ausgestreckt und sich plötzlich so weit wie möglich voneinander weggestoßen hatten. Und die Tatsache, dass es ihn genauso getroffen hatten musste ließ das Herz des Blonden erneut regelrecht flattern. Der Ältere stand einfach so vor ihm und erklärte ihm innerhalb weniger Minuten mehr als einmal, direkt und indirekt, das es ihm nicht anders als Simon selbst ergangen war. Er hatte ihm ins Gesicht gesagt, dass er ihn vermisst hatte. Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne rot zu werden. "Warum bist du plötzlich so offen mit dem was in dir vorgeht? Damals warst du so verschlossen und jetzt stellst du dich hin und machst mir solche Geständnisse. Ich verstehe das noch nicht so ganz."
"Erstens, weil es ja offensichtlich zu nichts führt wenn ich so tue als würde es mich nicht interessieren, obwohl es zweifelsfrei so ist. Und zweitens, ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich meine, wenn ich es jetzt wieder verbocke dann ändert sich nicht mehr viel. Es würde mir vielleicht nochmal das Herz brechen, aber damit würde ich klarkommen müssen. Und wenn ich es nicht in den Sand setze dann...keine Ahnung. Die Option hab ich nie durchdacht, deine Worte damals waren eindeutig genug." Er zuckte die Schultern. Simon packte seine Hand und zerrte ihn aus der Wohnung, weg von den lauten Hintergrundgeräuschen und den unruhigen Lichtern. Er hielt es dort nicht mehr aus, das alles war zu viel, überforderte ihn. Er wollte Ruhe, wollte das sonst keiner anwesend war. Es ging schließlich niemanden etwas an, was sie zu besprechen hatten. Instinktiv zerrte er den Älteren zum Rheinufer, ließ die Hand auch erst los als sie dort ankamen. Die Nacht war sternenklar, der Mond spiegelte sich auf der unruhigen Wasseroberfläche. "Gehts dir besser?" Taddl blickte ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Belustigung an, zumindest soweit er das in dem fahlen Licht erkennen konnte.
"Ja. Tut mir leid, aber ich hab doch gesagt das diese Party der falsche Ort ist."
"Alles gut, du brauchst dich nicht rechtfertigen." Schon wieder dieses Lächeln. Es würde ihn noch zur Weißglut treiben. "Hör auf so zu lächeln verdammt nochmal!"
"Ich lache dich nicht aus, wirklich nicht."
"Das ist mir klar, darum ging es mir auch nicht."
"Worum dann?"
"Verdammt erst verlieren wir uns für 4 Jahre aus den Augen und plötzlich stehst du vor mir und bist so ungefähr alles was ich mir immer gewünscht habe und lächelst mich noch so lieb dabei an, wie zur Hölle soll ich denn bitte da in der Lage sein dich jetzt noch bis an mein Lebensende meiden zu wollen?" Die Tränen kamen plötzlich und heftig. Simon war maßlos überfordert mit der Intensität der Emotionen, die in seinem inneren tobten. Er bekam sie einfach nicht unter Kontrolle und das Gefühl diesen in Taddls Gegenwart so schutzlos ausgeliefert zu sein brachte das Fass zum Überlaufen. Jener stand plötzlich dicht bei ihm. "Darf ich dich...in den Arm nehmen?" Der Jüngere klammerte sich als Antwort einfach an ihm fest. Die Körperwärme umfing ihn, starke Arme umschlangen ihn sanft und er wurde vorsichtig hin und hergewogen. Eine Hand verirrte sich in sein Haar und kraulte ihn sanft am Hinterkopf. Sein Geruch schrie nach Geborgenheit und Heimat, er drängte sich nur noch näher an ihn.
"Gehts wieder?" fragte der Ältere, als die letzte Träne versiegt war. Er antwortete lediglich mit einem Nicken. "Simon? Fühlst du dich in der Lage mir kurz zuzuhören? Ich weiß nicht ob ich es hinkriege dir das irgendwann anders zu sagen." Wieder ein Nicken. Sie lösten die Umarmung und standen nun wieder direkt voreinander. "Ich weiß damit kann ich nichts wiedergutmachen, dazu ist es sowieso zu spät. Aber es tut mir leid. Ja, abgedroschene Phrase ich weiß. Aber ich weiß nicht was ich tun könnte außer mich aufrichtig bei dir dafür zu endschuldigen, wie ich mit deinen Gefühlen umgegangen bin und dich um Verzeihung zu bitten. Ich verlange nicht von dir, das du mir wie aus dem Nichts doch nochmal eine Chance gibst und alles vergisst was früher vorgefallen ist. Ich hab Dinge gesagt die ich nie von Herzen so gemeint habe und Dinge getan, die ich dir niemals hätte antun wollen. Die Wahrheit ist, ich war ein egoistischer Feigling. Ich wusste viel zu lange, was ich wirklich für dich empfinde. Aber ich wollte es zunächst nicht wahrhaben und schon gar nicht das du jemals davon erfährst. Ich kann dir rückblickend nicht einmal sagen was zum Teufel mich geritten hat. Und als du mich dann vor die Wahl gestellt und mich mit meinen Gefühlen konfrontiert hast..ich war komplett überfordert. Ich war so wütend auf mich selbst das es so offensichtlich war und ich es trotzdem nicht geschafft habe dazu zu stehen. Wirklich Simon, es tut mir leid. Falls es dir wenigstens ein bisschen Genugtuung verschafft, ich hab die letzten 4 Jahre echt zu kämpfen gehabt. Ich bin nie darüber hinweggekommen. Bitte verzeih mir, dass ich dir das Herz gebrochen habe."
Simon schluckte, versuchte den Kloß aus seinem Hals zu vertreiben. Wie unendlich oft hatte er eigentlich davon geträumt in dieser Situation zu sein? Taddls gesamte Haltung strahlte pure Reue aus, seine Schultern waren nach vorn gesackt und er starrte auf den Boden. "Nein."
"Was...nein?"
"Ich werde dir das nicht einfach so verzeihen."
"Das ist ok. Wirklich. Ich kann damit umgehen."
"Willst du jetzt gehen?"
"Ich würde gern erst sicherstellen das du unbeschadet bei dir zu Hause ankommst. Ich könnte dir ein Taxi rufen oder dich begleiten...also wenn du das möchtest. Ich hab einfach Angst das dir etwas passieren könnte, was ich hätte verhindern können indem ich auf dich aufpasse." Er nahm seine Abfuhr hin, sorgte sich trotzdem um sein Wohlergehen. Taddls Endschuldigung diente nicht, oder zumindest nicht nur, dazu sein Gewissen reinzuwaschen. "Warum die Endschuldigung?" Der plötzliche Themenwechsel zurück dazu ließ den Älteren zusammenzucken. "Ich dachte du kannst dann vielleicht besser damit abschließen, dich auf eine andere Person einlassen oder sowas. Ich weiß das du klare Aussprachen brauchst, damit du es ruhen lassen kannst."
"Warum willst du das ich damit abschließe?"
"Ich will einfach das du glücklich bist. Auch wenn mir kotzübel bei dem Gedanken wird, dass dich jemand anderes so küsst und berührt wie ich es getan habe. Aber das ist ok. Ich komme damit klar. Alles was ich will, ist das du wieder so strahlen kannst wie du es damals getan hast."
"Warum?" Simon wusste genau wieso. Aber er wollte die Worte aus seinem Mund hören. Jetzt endlich, 4 Jahre später. "Weil ich dich liebe. So wie ich niemand anderen lieben könnte. Du bist alles, was ich mir je hätte erträumen können. Deshalb Simon. Ich habe dich von der ersten Sekunde an geliebt. Aber ich wollte es nicht einsehen, ich wollte nicht das du jemals davon erfährst. Und mit dieser egoistischen Einstellung hab ich es nunmal vergeigt." Eine einzelne Träne löste sich aus dem Augenwinkel von Taddl, das Mondlicht ließ sie schimmern wie eine silberne Perle. Simon hatte so oft gedacht der Ältere musste das schönste sein, was es auf dieser Welt gab. Aber in Wahrheit war er nie so wunderschön wie jetzt gewesen. Schutzlos, seine Seele komplett entblößt, obwohl der Körper in Kleidung gehüllt war. "Geh mit mir aus."
"WAS?"
"Geh mit mir aus Taddl Tjarks. Lass uns von vorne anfangen, ohne zu vergessen was damals passiert ist. Es gehört schließlich dazu. Aber kannst du dich daran erinnern was ich damals gesagt habe?"
"Das du glaubst wir wären seelenverwandt?"
"Wir sind es. Du weißt das. Ich weiß das. Wir gehören einfach zusammen. Wir werden niemals ohne einander können. Und um ehrlich zu sein will ich das auch nicht. Jetzt noch weniger als je zuvor."
Sie strahlten heller als das Mondlicht, welches auf sie herabschien. Ihre Arme schlangen sich umeinander und sie versanken in der Umarmung. Ihre Herzen schlugen in einem schnellen Rhytmus in der Brust, sie krallten sich aneinander fest. Sie waren zu Hause.
Taddl löste die Umklammerung als erster und griff vorsichtig nach Simons Hand, um einen sanften Kuss auf den Handrücken zu hauchen. "Werter junger Herr, ich würde sie gern zu einem Rendezvous ausführen, wenn sie nichts dagegen hätten." Ein leises Lachen entfloh beiden. Es war so albern aber gleichzeitig so niedlich. "Diese Einladung nehme ich mit Vergnügen an." Er machte einen albernen Knicks und sie brachen beide in lautes Gelächter aus. Plötzlich so herumzualbern füllte die kühle Nachtluft augenblicklich mit Wärme. Und der nachfolgende Kuss tat das gleiche mit dem Inneren ihrer Körper. Es war nur eine kurze, wahnsinnig zärtliche Berührung ihrer Lippen. Aber alles andere wäre hier und jetzt falsch.
Es würde dauern, bis sich Simon vollends darauf einlassen können würde Taddl wieder so sehr an sich heranzulassen. Aber diesmal war die Situation eine andere. Diesmal lagen ihr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit zugrunde. Eine solidere Basis, als die bloße Schwankung zwischen Sehnsucht und Verlangen.
Vielleicht waren sie einander zum ersten Mal zur falschen Zeit begegnet. Aber man sah sich nicht umsonst zwei Mal im Leben._________________________________________
Hallöchen erstmal. Es tut mir ja fast ein bisschen weh das zu verkünden, aber wir sind an dieser Stelle tatsächlich quasi am Ende angelangt. Ich habe mich noch nicht zu 100% entschieden, ob es nochmal einen Epilog geben wird, weil ich an sich eigentlich ganz zufrieden mit der Art wie es endet bin. Aber andererseits möchte ich den beiden ein echtes Happy End schenken, schließlich haben sie genug mitmachen müssen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle trotzdem schon einmal bei jedem, der diese kleine, naja eigentlich nicht mehr ganz so kleine, Geschichte gelesen hat und ganz besonders bei dem überraschend großen Support, den ich erhalten habe. Tatsächlich hab ich mich hiermit zum ersten Mal an eine etwas längere Erzählung gewagt, um die ich sonst einen Bogen gemacht habe und mich eher an Oneshots gehalten habe.
(PS: Ich hab gefühlt 100 unveröffentlichte Sachen irgendwo auf meinem PC und Telefon rumhängen. Sollte Interesse bestehen kann ich mir ja mal die Zeit nehmen und die ein oder andere Sache aufarbeiten und veröffentlichen.)
Ich bin nicht einmal davon ausgegangen, dass irgendjemand das hier lesen würde. Schreiben und mich da in gewisser Weise kreativ auszutoben ist etwas, was ich in letzter Zeit immer lieber mache da es einen guten Abstand zu meinem sonst ziemlich harten und fordernden Job schafft. Und dann so viele liebe Worte zu erhalten ist einfach überwältigend. Ich danke euch allen vielmals und hoffe das wir uns hier noch das ein oder andere Mal lesen werden.
xoxo und viel Liebe, Cat <3
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Seelenpuzzle #Slowbrick
RomanceSeelenverwandte nach dem Gesetz der Polarität bedeutet, das perfekte Gegenstück zu jemandem zu bilden, sich perfekt zu ergänzen. Keine andere Beziehung kann auf Dauer funktionieren und das Zerbrechen dieser Bindung hinterlässt ewig währende Wunden. ...