Zeit zu Feiern

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Das Gespräch lag nun knapp eine Woche zurück und die Vorbereitungen für die Party liefen auf Hochtouren. Passend zur Jahreszeit würde die ganze Geschichte unter dem Motto "Halloween" laufen, Kostüme waren Pflicht und es würde sogar einen entsprechenden Wettbewerb geben. Kim hatte es irgendwie geschafft in der kurzen Zeit eine Art Partykeller zu mieten, welchen sie zu einer Gruft umdekorieren würden. Schon von außen bot das Gebäude mit seiner leicht zerfallenden Fassade ordentlich Potenzial für eine Halloweenparty und das obwohl es sogar noch bewohnt wurde. Aber die einzige vermietete Wohnung oben im Dachgeschoss war aktuell leer, da die Mieter anscheinend im Urlaub waren. Die restlichen 3 Wohnungen waren mehr oder weniger Abstellräume und eine war zu einem riesigen Badezimmer umgebaut worden. Denn im Normalfall war der "Partykeller" ein kleiner Studentenclub und da unten kein Platz für die Toiletten war, hatten sich die Besitzer etwas einfallen lassen müssen. In den Keller gelangte man über eine alte, knarzende Treppe und die Holztür hatte ihre besten Zeiten auch schon hinter sich gelassen. Diesen Umstand versuchte man mit Stickern aller Art zu vertuschen, was allerdings auch nur mäßig gut funktionierte. Der dahinterliegende Keller mit seinen hohen Wänden war überraschend geräumig musste Simon feststellen, der mit einer riesigen Kiste in den Armen nach Kim den Raum betrat. Mit dem Dekorieren war bereits begonnen worden, aber die Hälfte hatten Samuel und Jonas gestern bei Weitem nicht geschafft. Dafür stand der riesige Sarg aus Pappmaché, den Simon noch aus Schulzeiten hatte, bereits an die Wand gelehnt und war auch befestigt worden.
"Ok Simon lass uns loslegen." Angesprochener nickte und in den nächsten 3 Stunden wurde Dekoration verteilt, aufgehangen und aufgestellt, drappiert, positioniert und verschoben bis Kim zufrieden war. "Was ist eigentlich mit Musiktechnik?" fiel dem Blonden plötzlich ein. "Bringt mein Bruder morgen vorbei und installiert auch alles. Nicht unsere Sorge. Aber danke für deine Hilfe Simon." bekam er als Antwort und wurde in eine Umarmung gezogen. Etwas ungelenk erwiderte er diese, bevor sie sich voneinander verabschiedeten und den Weg nach Hause antraten.
Die nächsten 2 Tage vergingen beinahe in einem Wimpernschlag und ehe Simon sich versah stand er in seiner Wohnung und wurde in sein Halloweenkostüm gehüllt. Das er es geschafft hatte in so kurzer Zeit etwas zu finden war regelrecht beeindruckend. Noch dazu war es ein aufwendiges und handgeschneidertes Stück. Gut es war nicht für ihn speziell angefertigt worden aber es machte fast den Eindruck, denn es saß wie angegossen. Simon schickte ein Dankesgebet gen Himmel, dass er es sich gewagt hatte seinen Kommiltonen anzusprechen und nachgefragt hatte, ob dieser ihm bezüglich des Kostüms helfen konnte. Also nicht Niko selbst aber sein "bester Freund" Ivan, wobei allen klar war das beide füreinander bestimmt waren. Denn dieser war Kostümbildner mit Leib und Seele und hatte sogar schon ein Exemplar vom Traumkostüm des Blonden zu Hause.
"Wieso genau eigentlich Jacob Fyre? Das ist ein ziemlich aufwendiges Kostüm, wenn man nicht gerade eins für 40€ im Internet bestellt. Das ist billiger verarbeitet als Zeug von Primark" meinte Ivan, während er das Kostüm final richtete. "Mag Assassin's Creed, Syndicate ist mein Lieblingsteil und ich hab nur Jacob gespielt damals." Der skeptische Blick des Dunkelhaarigen traf Simon unvorbereitet. "Also nur deswegen. Gut ich hätte erwartet, dass du jemanden beeindrucken möchtest aber du musst nicht darüber reden." War er so leicht zu durchschauen? Naja gut, eigentlich hatte das Kostüm noch einen anderen Vorteil. Sein Gesicht wurde größtenteils verdeckt, vielleicht würde er dann nicht sofort von einem gewissen Jemand erkannt.
Die restliche Zeit, in welcher der Blonde noch zusätzlich eine recht große Wunde quer über das Gesicht bekam, um das Gesamtpaket noch eindrucksvoller wirken zu lassen schwiegen beide. Sie waren sich beinahe fremd und außerdem war der Kostümbildner wahnsinnig konzentriert, damit alles so echt wie möglich aussah. Zum Schluss bekam er die Kapuze aufgesetzt und Ivan richtete sie so, dass sie einerseits nicht so leicht verrutschen würde aber andererseits auch den gewünschten Zweck erfüllte.

Pünktlich um 20:00 Uhr betrat er den Partykeller, wo sich bereits die ersten Gäste versammelt hatten, er sofort von Jonas im Empfang genommen und den noch unbekannten Gesichtern vorgestellt wurde, deren Namen er sowieso bald wieder vergessen hatte. Simon war unendlich nervös, der Barkeeper war noch nicht hier und in seinem Kopf formte sich die Sorge er könnte gar nicht auftauchen, auch wenn die Feier erst vor 10 Minuten angefangen hatte.
Je weiter der Abend voranschritt, desto angespannter und hoffnungsloser wurde Simon. Die Party war in vollem Gange, Leute räkelten sich lasziv auf der Tanzfläche und bewegten sich im Takt der Musik, exten Shots an der Bar oder saßen auf einer zerfledderten Ledercouch und rauchten Joints. Einen Teil der anwesenden Gäste kannte er mehr oder minder ght, viele von ihnen waren dem Blonden allerdings gänzlich unbekannt, da gefühlt jeder Freunde bis zum Umfallen mitbringen konnte. Es war wie auf jeder Feierlichkeit zu der Samuel einlud und für die Kim und er regelrecht berüchtigt waren. Gefühlt die halbe Stadt kam wenn die beiden zum Feiern einluden. Was ihre Partys allerdings noch bekannter machte war die Tatsache, dass es trotz der Exzesse niemals eskalierte, wie auch immer das möglich war. Nie übergab sich jemand außerhalb der Toilettenräume, es gab keine Streitereien und Prügeleien, Stress mit der Polizei hatte es auch noch kein einziges Mal gegeben. Aber vielleicht lag es an Kims unfassbarem Organisationstalent.
Er durchkramte die Taschen seines Mantels nach seiner Zigarettenschachtel und ließ sich am Rande der Ledercouch nieder, mit dem Blick auf den Eingang gerichtet. Das Klicken seines Feuerzeuges sowie der erste Zug an der Zigarette beruhigten ihn zumindest ein wenig. Die Augen fielen zu und er entließ den Rauch mit einem leisen aber entspannten Seufzen. Er hasste seine Nikotinsucht manchmal aber in Momenten wie diesen rettete sie ihn vor dem vollkommenen Durchdrehen.
Als die Tür erneut aufging verflog der Moment der Entspannung jedoch so schnell wie er gekommen war. Sofort drückte Simon seine kaum gerauchte Zigarette aus und ging so normal wie es gerade für ihn möglich war zur Bar, genau neben den jungen Mann auf den er so lang gewartet hatte. "Was darfs sein Simon?" grinste Samuel ihn an, der anscheinend auch hier den Barkeeper spielte, was den Blonden noch nervöser machte. "Bier wär geil" antwortete er und versuchte seine Unsicherheit zu verstecken. "Für mich auch" hörte er neben sich und sein Herz überschlug sich förmlich. Verdammt warum war seine Stimme so angenehm tief, warm und wieso warf sie ihn so aus der Bahn. "Ich kenne hier niemanden Samuel, dachte du hättest wenigstens noch unsere reizende Kollegin eingeladen, damit ich nicht so allein bin." meldete sich die Stimme erneut und der zweite Teil des Satzes traf Simon direkt in die Magengrube. "Erstens, hier das Bier. Zweitens, der junge Herr neben dir ist mein bester Freund und er wird dich sicherlich den Leuten vorstellen die du kennen solltest. Außerdem bleibst DU nie lang allein mein Freund." zwinkerte der Schwarzhaarige und Simon wollte ihm an die Gurgel springen. Er hatte den Verstand verloren, zu viel Alkoholdämpfe eingeamtet, war durch die Kiffer passiv dicht oder was auch immer. Wie zur Hölle kam er auf die Idee, ihm diese Aufgabe reinzudrücken. Trotzdem wandte er sich irgendwiebzu dem Neuankömmling, um nicht komplett seltsam zu wirken, und war Ivan so dankbar dafür, dass die Kapuze des Kostüms ein Großteil seines Gesichts in Schatten hüllte oder verdeckte. So konnte sein Gegenüber die stark geröteten Wangen nicht sehen aber er konnte sein Gesicht trotzdem erkennen. Er atmete tief durch und setzte an: "Hi ich bin Simon, schön dich kennenzulernen. Wer bist du?" "Taddl, kannst mich aber auch T nennen wenns dir leichter fällt. Aber sag mal, kennen wir uns nicht? Also was heißt kennen aber haben wir uns nicht schon einmal gesehen?" Simon geriet noch mehr unter Druck, er hatte ihn wiedererkannt. Also eher seine Stimme oder vielleicht auch seinen Namen aber trotzdem. Der Typ dem er seit einem halben Jahr blind nachschwärmte ohne ihn überhaupt zu kennen, was schon absurd und bekloppt genug war, erinnerte sich an ihn. Verflucht das war unangenehm. "Ähhm...woher denn?" Nun zog Taddl eine Augenbraue hoch, wirkte skeptisch. "Aus der Bar, du bist abgehauen, als ich dich angesprochen habe. Was nebenbei gesagt etwas..nunja unhöflich war. Sowas macht man nicht. Mich lässt man nicht einfach stehen." Fuck, verdammte Scheiße. Konnte es noch peinlicher werden?

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