Er fühlte sich, als wäre er festgefroren. Sein Gesicht war zu einem finsteren Ausdruck verzogen, er wollte diesen Anblick eigentlich nicht ertragen müssen. Trotzdem glitten seine Augen über sein Gesicht, seinen Oberkörper, seine Beine. Das Gesicht wurde nicht mehr länger von blauen, sondern nun von mittelbraunem Haar umrahmt. Die tiefblauen Augen waren von dunklen Schatten umrahmt, seine Hautfarbe als blass zu bezeichnen war bei Weitem untertrieben, er sah aus als wäre sämtliches Leben aus ihm gewichen. Seine Wangen waren eingefallen, sodass seine Wangenknochen scharf hervorstachen und seinem Gesicht ungewohnt scharfkantig aussehen ließen. Generell musste er einiges an Gewicht verloren haben, denn auch die Schlüsselbeine, welche er dank des leicht aufgeknöpften Hemdes zumindest zum Teil erkennen konnte, traten wesentlich stärker in den Vordergrund als noch vor 4 Jahren. Die Tatsache das er hier nicht in einem seiner typischen, viel zu großen Hoodies vor ihm stand betonte die Veränderung zusätzlich. Aber am deutlichsten war es an seiner Körpersprache und seiner Mimik zu erkennen. Das leicht überhebliche Grinsen und die herausfordernd funkelnden Augen waren einem ernsten Zug um die Lippen sowie einem matten Gesichtsausdruck gewichen. Die Haltung wirkte distanzierter, zurückgezogener als damals. Von dem Taddl den er einst gekannt hatte war auf den ersten Blick kaum noch etwas übrig, er wirkte mehr wie ein Schatten seiner selbst. Was aber nichts an der Tatsache ändern konnte, dass allein seine Anwesenheit ihn daran erinnerte, wie sehr er ihn vermisst hatte. Himmel noch eins, selbst nach 4 Jahren war dieses Gefühl noch immer in der Lage seine Sinne kompett einzunehmen. Viel zu oft hatte ihn nur der Gedanke an den Älteren wachgehalten und bis zum erbrechen hatte er sich Gedanken darüber gemacht was aus ihm geworden war. Wie er damit klargekommen war. Und hin und wieder war die Frage danach, ob es Taddl ähnlich ging, in seinem Kopf aufgetaucht. Simon hatte sich in jeder freien Minute in seiner Musik verkrochen und unzählige Texte für und über ihn geschrieben. Jeden hatte er exakt einmal gesungen, bevor er die Blätter ihrem Ende im Feuer überließ. In der Hoffnung es würde ihm leichter fallen loszulassen. Irgendwie war es sogar dazu gekommen, dass er mehrfach den Versuch gestartet hatte jemand anderes zu daten, mit einer anderen Person eine Beziehung einzugehen. Aber jeder dieser Versuche war gleich geendet, jedes Mal war es schiefgegangen. Entweder war es sein schlechtes Gewissen gewesen oder die Tatsache das er nicht in der Lage gewesen war Nähe zuzulassen. Weil niemand ihn so berühren konnte wie er, weil niemand sich verhielt wie er, weil niemand war wie er. Weil sie alle nicht ER gewesen waren.
Simon löste seine Starre, der finstere Blick war schon längst wie von selbst aus seinem Gesicht gewichen. Die abwehrende Haltung konnte er ihm gegenüber noch immer nicht aufrecht erhalten, es war genauso wie damals. Aber wie könnte er auch.
Er trat ein paar Schritte auf ihn zu, räusperte sich kurz, wusste nicht, was er jetzt sagen sollte. Erwartete Taddl jetzt etwas von ihm? War er womöglich sogar hier, um das Gespräch zu ihm zu suchen und endlich mal über sie beide zu reden? Er war verunsichert. Wie genau ging man mit jemandem um, der einem 4 Jahre Liebeskummer beschert hatte ohne das sie jemals offiziell ein Paar gewesen waren? Der einem nicht nur einmal das Herz gebrochen hatte aber den man trotzdem noch immer aus vollstem Herzen liebte? Den man in all der Zeit nicht hatte vergessen können, egal zu welchen Mitteln man versucht hatte zu greifen? Die Situation überforderte ihn maßlos. "Simon?" Der Angesprochene zuckte beim Klang seines Namens zusammen. Taddls Stimme war noch immer tief und warm. Sie hatte sich kein Stück verändert, jagte noch immer die gleichen Schauer über seinen Rücken, ließ sein Herz für eine Sekunde aussetzen und ins Stolpern geraten. "Ich...also wenn du möchtest das ich gehe dann tu ich das sofort. Ich will nicht das du denkst ich hätte beschlossen dir hier aufzulauern oder sowas in der Art." Der Blick, den er zugeworfen bekam war tatsächlich von Unsicherheit geprägt. Er blinzelte mehrfach, brauchte einen Moment bis er den Sinn hinter den Worten verstand. Der Ältere war freiwillig bereit sofort wieder das Feld zu räumen, nur damit er sich wohler fühlte. Irgendwie hatte dieses Angebot etwas sanftes an sich, etwas zärtliches. Simon hatte das Gefühl es würde ihm den Atem rauben und sein Blut überkochen lassen. Er reagierte viel zu intensiv auf ihn. "Nein schon ok. Das wäre albern." Der Blonde senkte seinen Blick. "Rücksicht darauf zu nehmen das du mich nicht sehen möchtest ist nicht albern. Du hast es verdient das ich zur Abwechslung mal nicht komplett egoistisch dir gegenüber bin." Das schiefe Grinsen wirkte traurig, ein kurzer Blick in seine Augen bestätigte den Eindruck. Er sah, was Taddl ihm sagen wollte. 'Es tut mir leid.' strahlte ihm förmlich aus den blauen Iriden entgegen. Simon schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, einfach weil er nicht verhindern konnte das es ihn berührte. "Wir habens einfach beide ziemlich vergeigt damals sind wir mal ehrlich."
"Du hast keinen Funken Schuld daran. Ich war der Arsch."
"Mag sein, aber einfach nicht den Mund aufzumachen sondern dauerhaft abgefuckt zu sein, weil ich nicht das bekomme was ich will ist auch nicht die feine englische Art gewesen."
"Wäre ich nicht-"
"Stop. Keine Schuldzuweisungen hier. Ich hab keine Lust mich mit dir darüber zu streiten." Simons Stimme klang fest. Er wollte das tatsächlich nicht. Das alles spielte jetzt sowieso keine Rolle mehr, dazu lag es schon zu lange hinter ihnen. Sie konnten es eh nicht mehr ändern. "Wie geht es dir?" wechselte er unvermittelt das Thema. Hoffentlich verstand der Ältere, das es bei der Frage nicht nur um Smalltalk gehen sollte. Sondern was wirklich dahinter steckte. "Naja. Ich mag meinen Job ganz gern, hab coole Kollegen und gute Freunde. Keine Ahnung, das Leben zieht trotzdem so ein bisschen an mir vorbei. Irgendwie fehlt mir etwas. Was ist mit dir?"
"Gleichfalls, schätze ich. Irgendwie ist da etwas, was ich seit Jahren ungeklärt mit mir herumschleppe." Sie lachten beide leise, freudlos auf. "Ich hab dich vermisst Simon. Ich tue es immernoch." Eine Hand mit schlanken Fingern strich ihm eine verirrte Strähne aus den Augen. Sie blickten sich direkt in die Augen. Taddl hatte etwas derartiges noch nie so direkt ausgesprochen. Und dieser Umstand ließ das Herz des Blonden aufgeregt flattern. "Ich dich auch." Einen Moment hatte er gezögert, ob er diese Worte wirklich exakt so aussprechen sollte. Aber andererseits, hatte er nichts zu verlieren wenn er diese Worte erwiderte. Wenn er ebenfalls einen Schritt auf ihn zuging, so wie Taddl es gerade eben getan hatte. Vielleicht konnten sie diesmal gewinnen, nachdem sie letztes Mal so kläglich verloren hatten.
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Seelenpuzzle #Slowbrick
RomanceSeelenverwandte nach dem Gesetz der Polarität bedeutet, das perfekte Gegenstück zu jemandem zu bilden, sich perfekt zu ergänzen. Keine andere Beziehung kann auf Dauer funktionieren und das Zerbrechen dieser Bindung hinterlässt ewig währende Wunden. ...