Hoffnung und Enttäuschung

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04.11.
18:50

"Hi. Simon hier.
Du meintest ich
soll mich melden.
Erinnerst du dich?"

Was für eine bescheuerte Frage. Aber wie begann man sonst eine vernünftige Konversation? Sein Mut hatte ihn bereits am Morgen nach der Party verlassen, weshalb er tatsächlich 4 Tage gebraucht hatte um Taddl zu schreiben. Absolut peinlich und albern. In Gedanken betete der Blonde, dass der andere ihm das nicht wieder übel nehmen würde.

18:55

" Hi Simon.
Ja ich erinnere
mich, wie könnte
ich nicht? ;) "

"Bock demnächst was
trinken zu gehen?
Würde mich gern
ernsthaft endschuldigen."

" Also kommt drauf an,
wo und wann
denn genau?"

"Morgen. 20:00 vor der Bar
wo ich arbeite. Werde dich
von dort aus entführen. ;)
Und sei pünktlich!"

Simon spürte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Würden sie etwa ein Date haben? Würde er mit IHM ausgehen? Ein Cocktail aus Emotionen rauschte durch seine Blutbahnen und er musste sich setzen, um nicht gleich nach hinten umzufallen. Freude, Aufregung, Neugier, Verunsicherung und Angst kämpften in Kopf und Körper um die Vorherrschaft. Noch nie hatte jemand solch eine intensive Reaktion bei ihm ausgelöst, schon gar nicht mit einer solchen Absprache. Sein Herz raste, kalter Schweiß bildete sich an seinen Händen, seine Wangen glühten förmlich und er konnte kaum richtig atmen. Taddl brachte ihn jetzt schon um den Verstand. Wie sollte das morgen erst enden? Er ließ sich auf sein Bett sinken und gab sich seinen Träumereien hin.

18.11.
12:45

*4 verpasste Anrufe von: Taddl*

"Kann jetzt nicht.
Habe was zu erledigen.
Vielleicht später."

"Genauso wie die
letzten 2 Wochen auch.
Ich glaube dir
kein Wort. Aber wenn
du nicht reden willst."

"Endschuldigung,
mir ist mein Studium
nunmal wichtig."

"Jaja alles klar,
das wird der Grund sein.
Was ist dein
verdammtes Problem?!"

Die letzte Nachricht wurde gewissenhaft von Simon ignoriert. Das war ja wohl ein schlechter Scherz. Was erwartete denn Taddl für eine Reaktion von ihm, wenn er sich den ganzen Abend nur damit beschäftigte irgendwelche anderen Weiber oder Typen anzuflirten, anstatt sich überhaupt für seinen eigentlichen Begleiter zu interessieren geschweige denn sich wirklich bei ihm zu endschuldigen. Das es doch kein Date gewesen war, nun das war mehr als offensichtlich. Trotzdem hatte es den Jüngeren extrem getroffen, wie wenig sein Begleiter an jenem Abend für ihn an Aufmerksamkeit übrig gehabt hatte.

10.12.
17:34

"Hey Simon, Bock auf
Weihnachtsmarkt?
So mit paar
von meinen Leuten,
wär doch nice
oder nicht?"

"Ja wieso eigentlich nicht."

Nach fast einem Monat Funkstille kam die Einladung beinahe überraschend, auch wenn es Simon nicht passte, dass Freunde mitkommen sollten. Eigentlich wollte er viel lieber endlich mal wirklich etwas mit ihm allein machen, ohne das jemand dabei war. Ihn endlich besser kennenlernen, mehr von ihm erfahren und selbst die letzte Information über ihn aus ihm herauspressen wie den Saft aus einer Orange. Aber eventuell war dieser gemeinsame Ausflug besser als gar nichts.
Auch wenn er beinahe überrascht von sich selbst war, wie sehr er sich über die Einladung freute und welche Gedanken gerade durch seinen Kopf geschwirrt waren. Vorallem nachdem er versucht hatte sich in den vergangenen Wochen einzureden, das er den Älteren eigentlich gar nicht leiden konnte und seine Emotionen ihm einen Streich spielen mussten. Sie und Seelenverwandte, nie im Leben, hatte Simon sich immer wieder zu sich selbst gesagt. Aber im dem Moment wurde ihm wieder bewusst, wie sehr er sich damit belogen hatte.

11.12.
14:07

"Danke für die Einladung."

"Hattest du einen
schönen Abend mit uns?"

"Ja war cool."

Schön und cool waren eine komplette Untertreibung. Der Abend war vorallem gegen Ende hin beinahe atemberaubend gewesen. Anfangs waren sie gemeinsam mit Luna und Ardian, 2 Kommilitonen und gleichzeitig Taddls besten Freunden, unterwegs gewesen aber diese hatten noch eine Verabredung mit Ardians Familie gehabt und waren daher nach nur kurzer Zeit verschwunden.
Also hatten sie die Zeit allein genutzt und Simon hatte sie mehr als genossen. Wie sie mit einem Becher Glühwein in ihren Händen über den Markt schlenderten, sich Schokofrüchte teilten und an einem Stand mit albernen Mützen total bescheuerte aber lustige Bilder machten und allem voran wie Taddls Hand immer wieder die Wange des Jüngeren streifte, wenn dieser ihm eine neue Mütze aufsetzte. Von der Umarmung zum Abschied ganz zu schweigen. Das Herz des Blonden war förmlich aus seiner Brust gesprungen und er war sich sicher, dass es dem anderen nicht besser ging. Sie hatten eigentlich einen Moment zu lang in den Armen des jeweils anderen verweilt. Glaubte er jedenfalls.
Die Vibration seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken und Erinnerung.

"Kannst ja nächste Woche
mal zum zocken bei mir
reinschneien?"

"Ja wieso nicht."

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Vielleicht würde es ja jetzt besser laufen als davor. Vielleicht war das erste Treffen einfach nur ungünstig gelaufen.

18.12.

Simon fühlte sich etwas unwohl, als er tätsächlich genau eine Woche später im Wohnzimmer von Taddls kleiner Wohnung saß. Es war, als wäre er absolut fehl am Platz. Der Blauhaarige wechselte kein Wort mit ihm, starrte nur auf den Bildschirm und war augenscheinlich in das Spiel vertieft. Das sein Gast jenes nicht kannte und deswegen abgelehnt hatte mitzuspielen, schien ihn nicht ein bisschen zu interessieren. Ein extremes Gegenteil zu der Weihnachtsmarktsituation letzte Woche. Fast wie in der Bar.
So zog sich die Situation mindestens 2 Stunden hin bis es dem Blonden zu viel wurde und er es nicht länger aushielt. "Was soll diese Scheiße eigentlich?! Erst willst du mit mir was trinken gehen um dich zu endschuldigen und baggerst dann nur an allem rum was nicht bei 3 auf den Bäumen ist, meldest dich dann ÜBER EINEN MONAT NICHT um mich dann komplett out of Kontext zum Weihnachtsmarkt einzuladen um einen lustigen Abend zu haben und jetzt hocke ich WEGEN DEINER VERDAMMTEN EINLADUNG in DEINER Wohnung rum und alles was du tust ist mich zu ignorieren. Warum lädst du mich dann überhaupt ein?!" Irritiert blickte Taddl ihn an. So als wäre die Art, wie er mit dem Blonden umging absolut normal. Als würde er das mit allen Menschen so machen. "Erstens, du hättest dich nachdem wir in der Bar waren auch melden können, zweitens ich habe dich danach sogar angerufen weil ich wissen wollte warum du so einen auf Diva gemacht hast und drittens was hast du heute erwartet? Das du herkommst und ich dir sofort die Klamotten vom Körper reiße und wir uns stundenlang im Schlafzimmer vergnügen? Ne dafür musst du schon mehr tun." Dem Jüngeren entglitten sämtliche Gesichtszüge. War das alles wofür sich sein Gegenüber interessierte? Mit ihm zu schlafen? "Erstens ich war im Stress, aber das hat dich ja nicht interessiert und zweitens nein, ich hatte nicht vor mit dir ins Bett zu steigen. Schließlich gehört es sich nicht, mit jeder x-beliebigen Person derart intim zu werden." "Oh bitte sag mir nicht das du einer von den Menschen bist, die an diesen Bullshit mit den Seelenverwandten glauben. Mit diesen komischen Gegensätzen und allem. Das ist alles nur Ballast und ich hoffe das ich dem- oder derjenigen die sich für meine bessere Hälfte hält nie im Leben begegnen muss." Simon fühlte wie sein Herz förmlich auf dem Boden aufschlug und in tausend Teile zerbrach. Er hatte sich einfach viel zu sehr in die Vorstellung hineingesteigert, dass sie glücklich miteinander werden würden und das der Ältere diese Verbindung zwischen ihnen gespürt haben MUSSTE. Aber es war alles ein riesengroßer Irrtum. Der Blonde war, ohne es vorher zu ahnen, in eine absolute Sackgasse gerannt. Mit aschfahlem Gesicht und emotionsloser Miene erhob er sich und verließ die Wohnung, ohne Taddl noch einmal anzuschauen.
Erst als er wieder zu Hause war gestattete er es sich, seinen Tränen freien Lauf zu lassen.

Seelenpuzzle #SlowbrickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt