Möge alles besser laufen als bisher..

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Weihnachten war an ihm vorbeigezogen. Neujahr hätte er beinahe ebenfalls kaum mitbekommen, obwohl er mitten am Rhein gesessen war, zwischen unzähligen Gruppen welche sich ein regelrechtes Battle darum lieferten, wer denn nun die lautesten, beeindruckendsten und meisten Feuerwerkskörper zündete. Der Alkohol war auch in Strömen geflossen, wobei einige sicherlich auch zu der ein oder anderen illegalen Substanz griffen. Typisch Großstadt zu irgendwelchen Feierlichkeiten nunmal.
Was genau Simon dazu gebracht hatte seine Höhle zu verlassen, konnte er sich selbst nicht einmal erklären. Vielleicht weil das alles so sehr ablenkte, obwohl er nichts und niemandem wirklich Aufmerksamkeit schenkte. Oder aber auch weil es sich beinahe so anfühlte, als würde all der durch die Feuerwerke verursachte Rauch die pure Energie durch die Straßen tragen, welche die Menschen um ihn ausstrahlten. Energie entstehend aus der Lust am Feiern, der Lust am Leben, guter Laune. Er hoffe zumindest einen winzigen Teil davon in sich aufsaugen zu können und sein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Es konnte ja nun wirklich nicht angehen, dass ihn all das so sehr aus seinem gewohnten Alltag riss und er sich bis Anfang des neuen Jahres hatte krankschreiben lassen müssen, weil ihm die Energie für alles, wirklich ALLES, fehlte.
"Gehts dir gut?" Eine weibliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und lies den Blonden vor Schreck beinahe aufschreien. Irritiert musterte er sie, zögerte einige Sekunden bevor er den Mund öffnete: "Wieso fragst du?" Ein leises Lachen war die Antwort. "Erzähl mir bitte nicht, dir ist nicht bewusst das du hier vollkommen teilnahmslos und geistesabwesend rumsitzt, während fast alle um dich herum so sehr ausrasten mit ihrem albernen Feuerwerk, dass es einem die Trommelfelle beinahe zerfetzt. Es ist schon ziemlich auffällig das du dich offensichtlich gerade in deinen eigenen Gedanken zu ertränken versuchst." Simon hob seinen Kopf und blickte die junge Frau an. Ihre blau-grünen Augen, umrahmt von einem vermutlich aufwendigem Augen Make-Up, funkelten ihn interessiert an, forderten ihn regelrecht dazu auf ihr alles anzuvertrauen. Im Allgemeinen schrie ihre gesamte Aura förmlich danach, dass sie vertrauensvoll sein musste. Ihre prägende Charaktereigenschaft, womit sie vermutlich nicht gerade das große Los gezogen hatte. Jedenfalls spätestens dann nicht, wenn es um die Suche nach ihrem Seelenverwandten ging. Eine perfekte Möglichkeit um abzulenken und eventuell das Gespräch in diese Richtung zu lenken. "Kann man mit solch einem prägenden Grundsatz in einer Beziehung glücklich werden? Ich meine, entweder vertraut niemand deinem Gegenstück oder er vertraut dir nicht oder du ihm nicht. Vielleicht auch alles zusammen. Das kann doch nur komplett beschissen sein, genauso wie dieses ganze beschissene System, dass man überhaupt einen Seelenverwandten hat und der auch noch das absolute Gegenteil von einem ist und noch besser wird es wenn..." Die Stimme des jungen Mannes brach beinahe wie aus dem Nichts ab. Sein Ablenkungsmanöver war offensichtlich gnadenlos gescheitert, um ein Haar hatte er sich einfach offenbart. 'Ich bin so dämlich, scheiße noch eins' verfluchte er sich in Gedanken. "Weißt du dieses System ist nicht perfekt, war es nie und wird es auch niemals werden. Manchmal passt es nicht, manche Gegensätze sind nunmal auch nicht kompatibel und wir sollten auch nicht vergessen das manche durch ihre prägenden Eigenschaften Attribute hinzugewinnen, welche nicht förderlich für eine Beziehung oder auch nur das Erkennen von einer möglichen Bindung sind. Mutige Persönlichkeiten beispielsweise neigen dazu ihr Leben zu riskieren, weil sie einfach zu waghalsig werden. Der zaghafte Gegenpart leidet unter dauerhafter Angst um die geliebte Person aber schafft es zum Teil auch nicht, so etwas anzusprechen. Oder Selbstbewusstsein artet sehr schnell in Arroganz und Überheblichkeit aus, diese Menschen unterschätzen die Bedeutung dieses "Puzzles" und bemerken nicht, wie sehr sie ihrem Gegenstück damit eigentlich wehtun. Zerstören Liebesbeziehungen zum Teil bevor sie überhaupt wirklich blühen konnten.
Im Endeffekt müssen wir alle die Beziehungen trotzdem pflegen und lenken. Es kann keine Bindung entstehen, wenn diese Seelenverwandschaft einfach als etwas selbstverständliches angesehen wird und man aufgibt, sobald die Dinge nicht ganz so laufen wie wir sie uns in der Fantasie ausgemalt und ausgeschmückt, hier und da mit albernen Herzchen ausgeschmückt haben. Wir sind schließlich immernoch alle eigenständige Individuen und keiner würde auf die Idee kommen sein Leben und alles was ihn ausmacht nach einer Beziehung richten. Wir müssen unsere Beziehung an die Gepflegenheiten unseres Lebens anpassen und.." Einen Moment schwieg sie. "Enschuldigung, ich bin etwas abgedriftet, das passiert mir hin und wieder. Vergiss es einfach wieder. Ich bin im übrigen Ann, damit du wenigstens weißt wer dich hier zutextet." "Hi, Simon. Schön dich kennenzulernen Ann. Und du hast mich nicht zugetextet, alles ok. Ich glaube ich hab das gebraucht" erwiderte der Blonde und zum ersten Mal seitdem all das passiert war schlich sich ein Hauch von einem Lächeln auf sein Gesicht.
Die beiden verloren sich in ein lockeres Gespräch über alles und nichts, sprangen zwischen den Themen hin und her. Es tat gut, sich mit einer außenstehenden Person auszutauschen, die Problematik Taddl mal für einige Zeit ruhen zu lassen und sich auf ganz andere Dinge konzentrieren zu können. Die Zeit flog nur so dahin und als Ann neben ihm ein Blick auf ihr Telefon warf, war es bereits 23:45. "Hast du jemanden, mit dem du ins neue Jahr feiern wirst?" fragte sie. "Nicht wirklich, also ich konnte zu meinen Freunden, die wahrscheinlich alle bei dieser albernen Show am Dom sind, aber ich will nicht. Vorallem nicht, wegen...nunja einer ganz bestimmten Person, die ich höchstwahrscheinlich dort antreffen werde. Weil gefühlt jeder davon überzeugt ist, dass es funktioniert mit uns wenn wir uns nur oft genug begegnen. Er würde es dann von selbst merken...oder so." Sie junge Frau schnaubte. "Was ein Schwachsinn. Aber egal. Dann bleib ich halt hier. Es sei denn du möchtest allein um Mitternacht sein." "Nein, alles gut. Es freut mich das du bleibst. Tut gut mal zur Abwechslung nicht ganz so allein zu sein....lange her das ich sowas das letzte Mal gesagt habe." Simon mochte sie, auf eine komische Art. Sie hatte die Attitüde einer großen Schwester, was dazu führte, dass sich der Blonde bei ihr gut aufgehoben fühlte. Und es tat wirklich gut, weil sie ihm das Gefühl gab die Dinge waren in Ordnung wie sie nun einmal waren. Auch das sie ihm Mut gemacht hatte am Anfang ihrer Unterhaltung, das es eine Möglichkeit gab diesen ganzen Schlamassel mit Taddl irgendwie richten zu können, wenn er das was da zwischen ihnen war pflegte und ihm vielleicht einfach langsam klarmachte was sie unter Umständen eines Tages sein konnten. Es war eine vollkommen neue und andere Perspektive, die Simon bis dato nicht einmal wahrgenommen hatte, weil er permanent nur zu einer gezwungen wurde und sich diese auch selbst auferlegt hatte. Leicht lächelte er und blickte Ann an: "Danke übrigens. Schätze ich sollte mir noch etwas zum neuen Jahr vornehmen, auch wenn ich das normalerweise albern finde. Aber eventuell erinnert es mich an das was du gesagt hast, dass man eine Beziehung hinbekommen kann wenn man sie pflegt und sich darum bemüht statt sie als selbstverständlich anzusehen. Ich kann noch 10 Jahre darauf warten, dass er erkennt das wir seelenverwandt sind, sich auf einmal unsterblich in mich verliebt und alles für mich verändert. Aber das wäre nicht er und das wird auch nie passieren. Ich muss die Initiative ergreifen, wenn ich wirklich möchte das wir vielleicht irgendwann eine Beziehung führen werden." "Klingt nach einem guten Ansatz Simon, darauf sollten wir um Mitternacht anstoßen." lachte sie und zauberte 2 kleine Sektflaschen aus ihrer Handtasche. Nun gut eleganz ging anders, aber es reichte aus. Gerade als sie die Flaschen vorsorglich geöffnet hatten, hielten die Feuerwerke kurz inne und die Leute begannen lauthals herunterzuzählen:

"ZEHN..."

"NEUN..."

"ACHT..."

"SIEBEN..."

"SECHS..."

"FÜNF..."

"VIER..."

"DREI..."

"ZWEI..."

"EINS..."

"Frohes Neues Jahr" riefen sich die beiden zu und stießen an, während um sie herum Tausende Feuerwerkskörper in die Luft gingen und bunte Muster in den dunklen Nachthimmel malten. "Möge alles besser laufen als bisher.." murmelte Simon zu sich selbst.

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Hallöchen und an der Stelle auch von mir ein Frohes Neues Jahr! :)
Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich so lange gebraucht habe, um dieses Kapitel ENDLICH fertigzustellen. Aber irgendwie war alles super stressig und ständig 7 Tage hintereinander arbeiten zu müssen, war ein absoluter Motivationskiller. Aber da die Berufsschule ab nächster Woche wieder auf mich wartet habe ich hoffentlich mehr Zeit mich voll und ganz auf diese Story zu konzentrieren. Ich werd jedenfalls mein bestes geben ^^

Seelenpuzzle #SlowbrickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt