3. Dezember

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3. Dezember

Gestern war einer der langweiligsten Tage in meinem Leben gewesen. Ich saß frisch geduscht auf meiner Coach, ein weißes Hemd und eine schwarze Hose an und studierte gerade irgendein Auto Magazin, als ich sie leise meinen Namen sagen in regelmäßiger Abfolge mit Klopfen sagen hörte. Ich wartete darauf, dass sie endlich verschwinden würde. Was hatte sie mir denn jetzt noch zu sagen? Andererseits brauchte sie doch jemanden.

"Hi." Ich schaute auf das Mädchen herab. Sie trug ihre schwarze Brille, ein Karohemd und eine Jogginghose.

"Kann ich reinkommen?", wisperte sie. Ich nickte automatisch und ließ sie eintreten. Wir setzten uns auf die Coach.

Sie räupserte sich kurz und schaute überall außer mir hinzugucken. "Es tut mir leid, dass ich gestern so fies zu dir war. Ich denke, ich bin einfach mit der Situation überfordert. Brad lässt mich nicht in Ruhe und ich bin alleine. Wie ich es hasse alleine zu sein!" Tränen liefen über ihre Wange. "Ich würde es nie zugeben, weil ich nie vor anderen Leuten Schwäche zeige aber ich habe Angst. Angst alleine zu sein. Ich vereinsame in dieser Wohnung."

Ich wischte mit dem Daumen über ihre feuchten Wangen. Sie war so unglaublich.

"Willst du etwas trinken?"

"Tee, bitte." Wenige Minuten nippte sie schon an ihrem Tee.

"Sie wollten, dass ich Urlaub mache."

"Oh. Das ist doch toll." Sie lächelte und knabberte an ihrer Unterlippe.

"Ich finde das schrecklich. Dieser Job war mein Leben." Ich fuhr mir mit der linken Hand durch meine Haare und kickte die Beine auf den Coachtisch.

"Wir könnten doch was unternehmen, wenn du möchtest.", schlug sie auf einmal vor. Darüber hatte ich noch gar nicht so nachgedacht.

"Du" Ich schaute sie mit unglaubigen Augen an. "willst etwas mit mir machen?"

Sie nickte. "Aber Lily, ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Ich habe verlernt wie man mit Menschen umgeht und ich will dir nicht wehtun." Das stimmte. Es war mir die letzten Monate keine Zeit mehr mit Freunden gegeben worden und sie hatten sich nach hunderten Absagen von mir abgewandt. Ich war kalt wie Schnee, der draußen festgetrampelt auf den Straßen lag. Mein Körper, meine Seele, alles schneeweiß.

"Ich glaube daran."

"An was?"

"Ich glaube daran. Du wirst mir nicht wehtun." Ihre Augen glitzerten. Sie räusperte sich und rückte etwas von mir weg. "Würdest du mir helfen?"

"Helfen? Wobei denn?", fragte ich.

"Ich schaffe es nicht die Tanne alleine zu tragen. Ich suche mir jemand anderen, wenn du keine Lust hast, weil ich weiß ja wie die zu Weihnachten stehst..."

"Nein, ich mache bei dir heute mal eine Ausnahme." Das Grinsen, was sie mir zeigte, war atemberaubend.

"In zehn Minuten draußen." Ich raffte mich auf, zog mir Mantel, Boots, Beanie und Handschuhe an und wartete nervös auf ihre Tür starrend. Warum war ich nur so aufgeregt? Da war ein Mädchen und ich stellte mich wie so ein 15 Jähriger an, wobei ich doch schon 22 war.

Auf einmal stand Lily vor mir. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. "Können wir dann?", fragte sie unsicher unter meinem Blick.

"Ja sicher." Wir stiegen in ihr Auto ein. Ein sehr kleiner Wagen aber ich hielt meine Bemerkungen zurück.

"Ich bin so stolz auf sie.", lächelte Lily und fuhr los.

"Wen?", fragte ich verwirrt.

"Meine Sandra." Sie klopfte auf das Lenkrad. "Sie hält dem ganzen Schnee und der Kälte stand. Ich könnte nicht stolzer auf mein Auto sein."

Snowflakes |hs|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt