9. Berufsrisiko

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Der Mann stand hinter der Tür und beobachtete durch das Fenster, wie eine Schwester zuerst die Wunde und anschliessend die Bildschirme überprüfte. Rae-Lynn lag regungslos im Bett, immer noch ausgeknockt von den Schmerzmitteln.

Das beklemmende Gefühl in seiner Brust nahm wieder zu. Sie hätte sterben können. Sein kleines Mädchen hätte sterben können. Laut Arzt war es nur Glück gewesen. Zwei Zentimeter weiter rechts und sie wäre noch dort in dieser Gasse verblutet.

Er wusste, dass dies ein Risiko ihres Berufes war, war es für sie alle. Was aber nicht hiess, dass es das einfacher machte.

Er hörte Schritte hinter sich und kurz darauf erschien sein alter Freund neben ihm.

"Wie geht es ihr?"

"Es war knapp, aber sie wird es überleben."

Johnson seufzte tief und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter, "Es tut mir leid, Phil. Ich weiss, sie ist wie eine Tochter für dich."

Phil riss seinen Blick von der schwarzhaarigen Frau los und schaute zu dem blauäugigen Mann neben sich, "Sie hat gewusst, auf was Sie sich einlässt. Man würde meinen, das würde es leichter machen."

Sein Freund bedachte ihn verständnisvoll, "Sie hat heute einen fantastischen Job gemacht."

Phil war Johnson dankbar, dass er ihn nicht weiter bedrängte und nickte leicht. Und trotz der Umstände überkam ihn Stolz. Ja, seine Rae hatte wirklich Unglaubliches geleistet.

"Wie geht es ihm?"

"Er wird es überleben.", wiederholte Johnson mit seinem üblichen Galgenhumor die gleichen Worte von zuvor.

"Der Streifschuss wird nichts anderes als eine kleine Narbe auf seinem Arm hinterlassen. Ein kleines Übel wenn man bedenkt, wie die Frauen auf solche Makel abfahren."

Zufrieden sah Johnson mit an, wie sich die Mundwinkel des Gründers der BSA tatsächlich etwas hoben. Selbst sie beide hatten das während ihrer Army-Zeit schnell gelernt.

"Er würde sie gerne sehen.", brachte der Blauäugige dann das Anliegen seines Bosses vor, welcher schon vor 2 Stunden nach ein paar Stichen und einem Rezept für Schmerzmittel bereits von seinem Arzt entlassen worden war, aber seit dem nicht daran gedacht hatte, den Wartebereich des Krankenhauses zu verlassen.

"Der Arzt meint, sie braucht Ruhe. Es könnte noch Stunden dauern, bis sie aufwacht."

Johnson nickte. Das hatte er sich schon gedacht. Es würde Starck zwar nicht gefallen, aber daran konnte man nichts ändern. Und der Milliardär brauchte ein Dusche und frische Kleidung.

"Nun gut. Ich denke, dann bringe ich Daren mal nach Hause. Er würde es zwar nie zugeben, aber die Schmerzmittel setzen ihm ganz schön zu."

Phil folgte dem Blick seines Freundes und sah den Milliardär den Gang hinunter auf einem Stuhl sitzen, den Kopf in den Händen gestützt.

Überraschenderweise war der Mann trotz aller Bemühungen des Arztes ihn nach Hause ins Bett zu schicken, standhaft geblieben und hatte sich nicht von der Stelle gerührt.

Phil wüsste zu gerne, was Rae davon halten würde, wenn sie davon hörte.

"Ich werde Ian und ein paar Leute mit euch schicken.", fasste er dann einen Moment später den Entschluss und hatte bereits sein Telefon am Ohr.

Johnson hatte dagegen nichts einzuwenden. Sie wussten beide, dass diese Vorrichtungen nun mehr als denn je notwendig waren. So etwas wie heute durfte nicht noch einmal passieren. Wer auch immer diese Leute waren, sie hatten heute klar gemacht, dass sie es ernst meinten.
In Zukunft mussten in jeder Hinsicht mehr Vorkehrungen getroffen werden.

Das heute war Glück im Unglück.

"Morgen werden wir uns in der Zentrale zusammenfinden und entscheiden, wie es weiter geht. Ich melde mich."

Johnson nickte zustimmend, "Einverstanden."

Mit einem letzten brüderlichen Schulterklopfen wandte er sich ab und lief den Gang auf seinen Boss zu, welcher an Ort und Stelle einzuschlafen drohte.

Gerade als er bei ihm angekommen war, gingen die Fahrstuhltüren auf und der Junge von Phil kam auf sie zu geeilt.

"Wo ist sie?", war das Einzige, was er sagte, ohne überhaupt richtig Notiz von seiner Umgebung zu nehmen.

Starck' Kopf schnellte hoch und schaute Cassian stumm an. Er hatte seit er hier war kaum gesprochen und Johnson vermutete, dass er unter leichtem Schock stand.

Was durchaus nachvollziehbar war. Als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war sein Anzug vollgesogen von Payne' Blut gewesen. Selbst jetzt war das Blut seines Bodyguards noch nicht ganz von den Händen des Milliardärs verschwunden.

"Am Ende des Ganges. Zweitletzte Tür rechts.", meinte Johnson dann, als Starck keine Anstalten machte, etwas zu erwidern.

Cassian' Blick schweifte einen Augenblick zu Starck, ehe er sich hastig bedankte und den Gang hinunter zu seinem Vater eilte.

Die Stimme der Reporterin überschlug sich fast, während sie von dem Mordanschlag berichtete, der sich diesen Abend am Hotel Plaza ereignet hatte. Im Hintergrund der blonden Frau ragte das Gebäude, dass nun von einen gelben Absperrband umsäumt war. Ausserdem wimmelte es nur so von Polizisten und Leuten der Spurensicherung, die im Hintergrund ihre Arbeit machten.
Ausdruckslos lauschte der Mann von seinem Ohrensessel heraus der Reportage und genehmigte sich einen weiteren Schluck von seinem 64er Scotch Macallan. Ein Drink den er eigentlich vorgehabt hatte zu geniessen, um einen Sieg zu feiern, jetzt aber für das genaue Gegenteil fungierte. Er hasste es, enttäuscht zu werden.
Ein Bild des Multi Milliardärs Daren Starck erschien, während die Journalistin mit ihrem Bericht fortfuhr. Als das Klingeln eines Telefons ertönte, meldete sich der Mann ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.

"Ich sehe es.", meinte er einzig allein in den Hörer, nachdem er einen Augenblick starr gelauscht hatte. Allein sein eisiger Ton liess keine Zweifel daran, wie sehr ihm das alles missfiel.

Oh nein, er war keineswegs zufrieden damit. Er hatte gehofft, diese Sache ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Er war ein Mann der Geduld.
Eine Fähigkeit die er sich all die Jahre eisern angeeignet hatte. Sonst, und das wusste er nur zu gut, würde er nicht da sein, wo er heute war.
Mit Geduld kam Macht und davon hatte er mittlerweile reichlich.
Und doch, dieser Möchtegern Unternehmer Starck klebte ihm seiner Meinung nach schon zu lange an seinem Rockzipfel. Der Mann hatte sich überraschenderweise als weitaus hartnäckiger erwiesen, als zuerst angenommen. Nur zu schade, dass er zu allem Überfluss auch noch dumm zu sein schien.

Seiner Meinung nach hatte er nun schon lange genug seine Beleidigungen über sich ergehen gelassen. Aber das verwöhnte Söhnchen hatte nun endgültig die Grenze überschritten, indem er sich in seine Geschäfte eingemischt hatte. Geschäfte die nun geplatzt waren.

Mit halbem Ohr lauschte er den Ausreden des Nichtsnutzes am anderen Ende der Leitung, der erfolglos seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen versuchte. Nur war es dafür bereits zu spät.
Der Idiot hatte ihn enttäuscht, hatte alles unnötig verkompliziert.
Sein Neffe höchstpersönlich wird sich um ihn kümmern, dafür hatte er gesorgt. Keine Zeugen, keine Spuren, die auf ihn hinweisen würden. Zumindest dafür musste er sorgen.

Jedoch stoppte der Mann damit, das Glas in seiner Hand zu kreisen als der Nichtsnutz etwas von einer Frau berichtete.

"Interessant...", murmelte er nun tatsächlich interessiert, als just in diesem Moment ein kleiner Ausschnitt einer Überwachungskamera von dem Tatort ausgestrahlt wurde, wobei tatsächlich eine Frau zu sehen war, die mit gezielten Schüssen und geschmeidigen Bewegungen den Hinterhalt abwandte.

Er stoppte das Bild als heran gezoomt wurde und das Gesicht der unbekannten Retterin des Milliardärs unscharf zu erkennen war.

Wirklich interessant, dachte er sich noch einmal, während er, ohne sich weiter das Geschwafel des bald toten Mannes anzuhören, den Anruf beendete und seinen Drink mit einem Zug lehrte.

Dabei starrte er in die entschlossenen attraktiven Züge einer Dunkelhaarigen, die gerade im Begriff war, einen Schuss abzugeben, ehe das Bild gestoppt wurde.

Wer zur Hölle bist du?

Female BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt