10. Überraschung!

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Varuna musste zugeben, dass sie sehr nervös war.
Sie hatte nur eine vage Ahnung davon, was nun passieren würde.
Aber jetzt würde sie es allen zeigen!

Alle, die sie immer wieder ausgelacht hatten, ihr gesagt hatten, dass sie keine Chance gegen Amelie hatte... sie wären als erste dran.

Hobolo wird nichts passieren, dachte sie zuversichtlich. Er war immer auf meiner Seite. Außerdem ist er ein Steintroll, ihm kann gar nichts geschehen!

Sie holte noch einmal tief Luft und sah auf die sieben Amulette auf ihren Handflächen.
Ein kurzer Zauber und sie zefielen zu Staub.

***

Tarik holte sein Smartphone aus dem Rucksack und schaltete es ein. Als der Bildschirm aufleuchtete, beugte sich Arman interessiert zu ihm herüber.
"Bevor du fragst: das ist Technik, keine Magie", sagte Tarik.
Arman nickte nur und starrte gebannt auf das kleine Gerät in seiner Hand.

Tarik öffnete das Navigationssystem und gab ihr Ziel ein, dann befestigte er das Handy an der Halterung. "Bitte fahren Sie auf eine markierte Straße.", ertönte es und Arman fuhr erschrocken zurück.
Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, startete den Motor und entkuppelte.
Dann trat er aufs Gaspedal. Der Wagen machte einen Satz nach vorne und der Motor starb ab.

"Das ist ja nicht anders als auf einem Pferd", kommentierte Arman verwundert.
Tarik antwortete nicht, sondern presste nur verärgert seinen Kiefer zusammen.

Beim zweiten Versuch klappte es dann doch und das Auto rollte langsam die steinige Zufahrt entlang.

Sie erreichten bald die Landstraße und Tarik erhöhte die Geschwindigkeit.
"Sag mal, ist es hier immer so heiß?", wollte Arman wissen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Tarik sah auf die Anzeige. Sie zeigte stolze 37 Grad Außentemperatur. Er lachte kurz. "Wir haben mal wieder einen heißen Sommer - irgendwann erklär ich dir mal, was Klimawandel ist. Aber keine Sorge, hier im Auto können wir das ändern."
Er schaltete die Klimaanlage ein und innerhalb von ein paar Minuten wurde es im Auto angenehm kühl.

Die weitere Fahrt wurde zu einem Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Arman und Tarik.
Arman wollte alles über Autos wissen und Tarik gab sich Mühe, jede einzelne seiner Fragen zu beantworten.
Als sie die Autobahn erreichten hatte Arman genug, denn nun sah er fasziniert aus dem Fenster und beobachtete die vorüberziehenden Autos und Lastwagen.
Tarik war das mehr als recht. Er musste sich konzentrieren. Innerlich schmunzelte er - offenbar waren Autos tatsächlich ein "Männerding", so eingenommen, wie Arman von ihnen war.

Sie erreichten Köln in weniger als zwei Stunden und der Anblick der Stadt war natürlich wieder ein Grund zu staunen. Als sich Arman gefasst hatte, fragte er, wie sie Charlie denn um alles in der Welt hier finden sollten.

"Das hab ich mir auch schon überlegt. Am Besten wäre es, wir fahren zu ihr nachhause. Es ist aber kurz nach Mittag und ich nehme nicht an, das schon jemand zuhause ist." Er dachte nach. "Wenn wir schon ohnehin etwas essen müssen, könnten wir ins Rhein-Center fahren. Immerhin hat Dimitri Charlie dort gesehen."

Tarik parkte etwas abseits des Einkaufszentrums, da er unbedingt wollte, dass Arman sich umzog. Sein Retrolook wäre dann doch zu auffällig meinte er und reichte ihm seinen Rucksack.
Und während Arman sich noch darüber beschwerte, dass die Hose viel zu tief sitze und er sie ganz sicher verlieren würde, machten sie sich auf den Weg.

***

Dajana hatte ein paar Stunden ruhig geschlafen. Als sie aufwachte, bemerkte sie als erstes den starken Arm, der um ihren Bauch geschlungen war.
Erschrocken drehte sie sich um und blickte in Argos‘ Gesicht.
Er lächelte sie an. "Guten Morgen."

Sie versuchte, zurückzulächeln. "Morgen."
"Wie geht es dir?"
Ronas Behandlung schien gewirkt zu haben, denn außer einem höllischen Muskelkater tat ihr nichts mehr weh. "Besser, danke."
Argos öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch in diesem Moment wurde die Türe aufgesissen.
Als er sich erschrocken umdrehte, wäre er fast vom Bett gefallen.
Richard stand in der Türe und starrte auf die beiden. "Argos, ich hab dich schon gesucht. Auch wenn gerade viel passiert, macht sich die Arbeit nicht von selbst."

Sein Sohn sprang auf. "Tut mir leid. Ich bin gleich fertig." Mit einem letzten Blick auf Dajana wandte er sich zum Gehen.
Richard ging zum Bett und sah sie besorgt an. "Geht's dir schon besser?"
"Ja, danke", antwortete sie.
"Das ist gut", sagte er väterlich und strich ihr über die Haare. "Dimitri und Jenny sind unten. Falls du Hunger hast, es ist noch genug da."
Sie lächelte dankbar.

Er legte eine Hand auf den Rücken seines Sohnes, schob ihn aus dem Raum und schloss die Türe.

Draußen sah er ihn streng an. "Was soll das?", flüsterte er aufgebracht, "Es ist ja gut und schön, dass du dir um Dajana Sorgen machst, aber so etwas möchte ich bitte nicht mehr sehen."
Argos sah betreten zu Boden. "Entschuldige. Es kommt nicht mehr vor."
Richard sah ihn schweigend an. "Gut", sagte er dann und nickte, "Und jetzt mach dich fertig und hilf deinen Brüdern."

***

"Du bist nicht bei der Sache.  Streng dich ein bisschen mehr an."
Natscha schrak hoch und sah Yagas runzliges Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.

Sie schluckte. "Entschuldige bitte.", murmelte sie verlegen und versuchte wieder, sich auf das kleine Kettchen, das vor ihr lag, zu konzentrieren.

"Ja, ja, das hast du vorhin schon gesagt." Die Hexe wischte den Gegenstand beiseite und sah sie eindringlich an. "Wie willst du denn tun, was du tun musst, wenn du die einfachsten Zauber nicht beherrschst?"

Natascha sah beschämt zu Boden.  "Tut mir leid. Es ist nur.."
"Sprich weiter, lass die störenden Gedanken raus", forderte Yaga sie auf.

"Dimitri", hauchte sie kaum hörbar, "er war draußen, bei der Hütte."
"Der schmächtige, blonde Junge?" Die Alte dachte kurz nach. "Der Wächter des Verborgenen.. und du kennst ihn?"
Natascha nickte. "Wir sind Freunde."
"Und du wusstest nicht, wer er wirklich ist?"
"Nein. Wie denn auch? Bis du mich geholt hast, wusste ich doch nichts von alledem hier." Sie hob den Kopf.

Yaga legte dem Mädchen behutsam eine Hand auf die Schulter. "Vergiss ihn. Er war sicherlich nur mit dir befreundet, um dich im Auge zu behalten."
"Glaubst du?" Nataschas Augen wurden feucht.
"Warum sonst sollte sich ein Wächter mit der Erbin der dunklen Fee anfreunden?"
Natscha schniefte entmutigt.
Die Hexe fuhr fort: "Und genau darum ist es wichtig, dass du nun übst. Wenn du es schaffst, dann gibt es keine Wächter mehr, die dir auf Schritt und tritt folgen und dir falsche Freundschaften vorgaukeln."

Natascha fuhr sich schnell über die Augen. Dann nahm sie das Kettchen wieder in die Hand. Kurz darauf gelang ihr der Zauber und es verwandelte sich in einen grauen Leinenfaden. Yaga lachte zufrieden.

***

Tarik und Arman hatten das Einkaufzentrum fast erreicht. Es war Samstagmittag und dank des SSV gut besucht.
Vor dem Eingang tummelten sich dutzende Menschen und warteten auf den Bus.

Da entdeckte Tarik in der Menschenmenge einen blonden Lockenkopf, der ihm nur allzu bekannt vorkam.
Charlie!
Dimitri hatte sich nicht geirrt.
Er fasste nach Arman und deutete in die Richtung.
"Charlie!" Arman wollte sofort losrennen, doch die beiden mussten warten, bis sie über die dichtbefahrene Straße laufen konnten.

Der Bus fuhr gerade in die Station und die Menschenmasse begann, sich ins Innere zu drängen.
Endlich zeigte die Fußgängerampel grün und die beiden liefen los.
"Charlie!", schrie Tarik von weitem.

Das blonde Mädchen drehte sich erstaunt um. Der Junge, der einen Arm um sie gelegt hatte jedoch ebenfalls.
Tarik traute seinen Augen nicht. Er lief schneller auf die beiden zu.
Der Junge beugte sich zu Charlie und sprach kurz mit ihr.
Dann stieß er sie in den Bus.
Bevor sie nur irgendwie reagieren konnte, schlossen sich die Türen und der Wagen fuhr los.

Endlich hatten Tarik und Arman die Station erreicht.
"Ihr habt echt Nerven. Was wollt ihr hier?"

Und nun erkannte auch Arman den jungen Mann, der sie mit verschränkten Armen und angewidertem Blick begrüßte: es war Nils!

✓ Die Sieben Siegel // Armans GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt