"Magst du nicht mal mit dem Trübsalblasen aufhören?"
Varuna blickte sich um und entdeckte Hobolo, der gerade die Wiese am Seeufer betrat. Es war ihr gemeinsames Versteck, ein sicherer Hafen, wo sie nicht fürchten musste, von anderen gefunden zu werden.
Seufzend sah Varuna wieder auf das spiegelglatte Wasser. "Ich habe sie heute zusammen gesehen", sagte sie nur tonlos.
Der alte Steintroll kam näher. "Das tut mir leid. Aber vielleicht kann dich mein Geschenk etwas aufheitern."
***
Mick war müde. So unendlich müde. Er stand am Fenster und sah zu, wie langsam die Morgendämmerung über die Baumwipfel kroch.
Er hatte sich seine Kraft über die letzten hundert Jahre gut eingeteilt, doch was letzte Nacht an der Schutzbarriere des Lilientalhofs geschehen war, hatte ihm sehr viel davon geraubt. Zu viel...
Das Atmen fiel ihm schwer und eine drückende Erschöpfung hatte sich über seinen ganzen Körper gelegt.
"Mick?" Feenja betrat leise den Raum. Sie blieb vor ihm stehen und sah ihn besorgt an. "Was ist passiert?"
Selbst das Sprechen fiel ihm schwer, als er antwortete: "Der Lilientalhof wurde gestern Nacht angegriffen. Von einem Fluchgeist."
Ihre Augen weiteten sich. "Wie ist das möglich?", flüsterte sie erschrocken.
Er seufzte. "Ich habe befürchtet, dass einige davon entkommen sind, als Milena damals die Kammer der Flüche geöffnet hat. Aber das war das erste Mal, dass ich einen gespürt habe."
Feenja legte behutsam eine Hand an seine Wange. "Oh, Mick.."
Er sah sie verloren an. "Bitte entschuldige mich, ich muss mich etwas ausruhen."
Entschlossen fasste die Elfe nach seinen Armen. "Lass mich dir helfen!" Sie schloss die Augen und er konnte die Wärme ihrer Zauberkraft spüren, die langsam in seinen Körper kroch.
Als hätte er sich verbrannt, zog er seine Hände zurück. "Bitte nicht."
Er schloss sie in die Arme und legte seine Stirn an ihre. "Du kannst mir nicht mehr länger helfen", wisperte er. Dann ließ er sie stehen und verließ den Raum.Feenja sah ihm sorgenvoll nach und fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
***
"Morgähn!" Jenny streckte sich genüsslich während sie die letzten Stufen zum Esszimmer hinab stieg.
"Auch schon wach?", kommentierte Dimitri trocken.
Er war der Einzige am großen Tisch. Die übrigen Lilientals waren schon mit dem Frühstück fertig und draußen am Hof."Hey, ich bin halt kein Morgenmensch!", verteidigte sie sich halbherzig, ließ sich ihm gegenüber auf die Bank fallen und begann, sich an den Überresten des Frühstücks zu bedienen.
Als ihr Teller bis zum Rand beladen war, räumte Dimitri schnell den Tisch ab.
"Jenny?"
"Mhm?" Gerade schob sie sich die Reste ihres Marmeladenbrotes zwischen die Backen und spülte es eilig mit einer Tasse Tee herunter."Ja, also", begann er und räusperte sich, "wegen gestern.. du weißt schon.."
Doch weiter kam er nicht. Wie von einer Wespe gestochen sprang Jenny auf.
"Wir müssen los! Auf Dimmiboy, zu den Pferden!", rief sie und lief, ohne seine Antwort abzuwarten, zur Türe heraus.Dimitri seufzte.
Gut, wenn sie nicht reden will..Er trug das Geschirr in die Küche und holte die Proviantbeutel, die Lore und Rona für sie bereitgelegt hatten, bevor er Jenny in den Stall folgte.
Dort war Argos bereits mit dem Satteln fertig und Jenny kuschelte sich glücklich an Leonis, das Pferd, das sie bei ihrem letzten Abenteuer begleitet hatte.
Drei Pferde standen gesattelt im Stall. Dimitri sah sich suchend um. "Wo ist Arman?"Argos reichte ihm Aurigas Zügel und zuckte nur mit den Schultern. "Schon vorgeritten."
"Ey was?!", rief Jenny empört, "Was soll der Scheiß? So arg verschlafen hab ich jetzt auch wieder nicht!"
Argos sah die beiden verbissen an. "Es ist in letzter Zeit... schwierig, mit ihm. Nehmt es ihm bitte nicht übel."
Jenny schnaubte verächtlich und schwang sich auf Leonis. "Na dann wollen wir mal sehen, dass wir ihn einholen!"
Das ließen sich die Jungs nicht zweimal sagen und folgten Jenny auf den Weg.***
Dajana hockte unterdessen im Bach neben dem Hexenhaus und wusch Wäsche.
Die Seife und das kalte Wasser hatten ihre Hände aufreißen lassen und sie versuchte zu verhindern, dass ihr Blut die gewaschenen Sachen wieder verschmutzte.Angestrengt überlegte sie, wie es ihr gelingen könnte, zu fliehen und sie bereute es inzwischen, gestern Argos nicht um Hilfe gebeten zu haben.
Ich bin so feige!
Wenn er sie erkannt hätte, wäre es ihr sicher leichter gefallen.
Gedankenverloren sah sie zurück zum Haus. Die Alte war ausgeflogen - also, nicht richtig geflogen, auch wenn es Dajana überhaupt nicht gewundert hätte - und wenn sie Glück hatte, wäre sie vor Mittag nicht zurück.
Mit einem neu gefundenen Mut stand sie auf und ging ins Haus. Dort ging sie zielstrebig auf das Zimmer zu, in dem das andere Mädchen wohnte.
Sie sah sich noch einmal vorsichtig um und klopfte dann zaghaft an.Zu ihrer Überraschung ging die Tür einfach auf und sie starrte in das verwunderte Gesicht des fremden Mädchens.
Diese wandte sich schnell wieder ab.. "Ich darf nicht mit dir reden", murmelte sie und wollte die Tür schließen, doch Dajana stemmte beide Hände gegen das Holz. "Die Hexe ist nicht da, also wen kümmert's?"
Misstrauisch trat das Mädchen aus dem Zimmer.
"Ich bin Dajana." Sie lächelte sie freundlich an und streckte die Hand aus. Die Andere ergriff sie zögernd. "Natascha", stellte sie sich schließlich vor.
Dajana kam gleich zur Sache. "Hör zu: ich weiß, wie wir hier wegkommen. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es, bevor die Alte zurückkommt."
Natascha sah sie mit großen Augen an. "Weg?"
"Ja, komm schon, wir haben nur wenig Zeit." Dajana zog an ihrer Hand, doch sie riss sie zurück. "Aber ich will hier gar nicht weg", erklärte sie entrüstet.
Sie musste sich verhört haben! "Was?", fragte Dajana entgeistert.
Das Mädchen sprach weiter: "Ist doch nett hier. Und hundertmal besser, als zuhause. Also warum dann weglaufen?"
Dajana verlor entgültig die Fassung. War das wirklich ihr Ernst?
Noch bevor sie etwas erwidern konnte, bekam sie einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf.
"Was ist hier los?", keifte die Hexe wütend. "Du nutzloses Gör! Hol' sofort die Wäsche und häng' sie auf!"Sie scheuchte Dajana unsanft aus dem Haus und knallte die Tür ins Schloss.
Benommen von dem Schlag wankte Dajana zum Bach und holte den Wäschekorb.
Während sie pflichtschuldig die Wäsche aufhing, wurden ihre Gedanken wieder klarer.Ich muss hier unbedingt weg!
Und wenn die Andere wirklich hier bleiben wollte, dann eben alleine!
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✓ Die Sieben Siegel // Armans Geheimnis
Fanfiction"Staffel 4" Der Hüter und seine Freunde sind durch die vergangenen Ereignisse geschwächt. Dunkle Kräfte versuchen nun, die Macht über Namra an sich zu reißen. Aber es besteht Hoffnung, denn Dimitri, Jenny und Tarik geben Arman neue Kraft und Vertrau...