24. Das Tribunal

1K 31 1
                                    

Zwei Wochen zuvor…

Das war doch nicht zu fassen! Dieses schreckhafte Mädchen sollte die Nachfahrin ihrer Herrin Varuna sein?
Yaga konnte es nicht glauben. Und doch war sie hier aufgetaucht, als sie vor ein paar Monaten den Zauber gesprochen hatte.
Eigentlich war nichts so gelaufen, wie geplant. Anstatt des Hüters, hatte die Seele der Sternenfee Namra verlassen und sogar Milena, in die sie große Hoffnungen gesetzt hatte, hatte versagt.

Unruhig ging Yaga in ihrer Hütte auf und ab. Immer wieder wanderte ihr Blick zur Tür der kleinen Kammer, in der sie diese Heulsuse eingeschlossen hatte, und fragte sich, wo ihr ein Fehler passiert sein konnte.

Vielleicht war Varunas Erblinie ausgestorben? Doch sie kannte sie zu gut. Ihre Herrin hätte das niemals zugelassen, obgleich sie in der Außenwelt nur eine normale Sterbliche geworden war, hätte sie sicher Vorkehrungen getroffen. Das hatte sie ihr doch in einem Brief geschrieben!

Und als Yaga neuerlich schwer seufzte, passierte es.
Ein Knall erschütterte die Hexenhütte!
Und zu Yagas Füßen lag plötzlich ein weiteres Mädchen..

***

Die acht Freunde verzichteten auf ihrem Weg zum Portal auf den kleinen Umweg zum Hof der Lilientals. Sowohl Arman als auch Argos wollten ihre Familie ohne gute Nachrichten nicht weiter beunruhigen und so verbrachten sie eine weitere Nacht unter freiem Himmel.

Alle wussten, dass nun wieder die Sterne am Firmament standen und doch waren sie nicht mehr sichtbar - der Schleier der Dunkelheit war abermals dichter geworden.

Während die anderen sich darüber die größten Sorgen zu machen schienen, war Tarik aufgefallen, wie still Jenny den ganzen Tag über gewesen war. Und das beunruhigte ihn noch mehr, als der Wettlauf gegen die Dunkelheit.
Es war deutlich gewesen, dass ihre Entscheidung, Charlie zum Tribunal zu folgen, ihr gar nicht schmeckte. Und eine grüblerische Jenny war unberechenbar, das wusste Tarik nur zu gut.

Er nahm sich vor, noch mit ihr darüber zu sprechen, sobald er das Gefühl hatte, dass sie etwas aufnahmefähiger wäre und hoffte, dass sie bis dahin nichts Unüberlegtes tun würde.

***

Der Morgen graute in trübem Licht und auch, als sie sich wieder auf den Weg machten, war es kein bisschen heller geworden.
Wie an einem düsteren Novembertag durchzog Nebel Wald und Wiesen.

Am späten Vormittag erreichten sie den Eingang zum alten Tal. Dajana war mittlerweile etwas zuversichtlicher was ihre Kräfte betraf und so ritten sie, von Fluchgeistern unbehelligt, auf den Ort des Tribunals zu. Nur in ihren Augenwinkeln konnten sie immer wieder mal einen Schatten durch das Dickicht huschen sehen.

***

Natascha und Yaga tauchten erst am Abend wieder auf.
Dimitri saß auf dem Sofa neben dem Kamin, ein Buch auf dem Schoß und gab sich alle Mühe, unverdächtig zu erscheinen.
Während die Alte gleich wieder vor sich hin murmelnd in einem dunklen Gang verschwand, ließ sich Natascha fröhlich neben ihm in die Polster fallen.

“Und, was hast du den ganzen Tag so gemacht?”, wollte sie wissen.

Dimitri sah sie nur verächtlich an und zuckte mit den Schultern. Das Mädchen beugte sich vor, entriss ihm das Buch und beäugte den Titel: Zwergensagen und Märchen.
“Ernsthaft?” Mit einem mitleidigen Blick gab sie ihm den Band zurück.

✓ Die Sieben Siegel // Armans GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt