21. Alpträume

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Colonia-Agrippina, Winter 320 n. Chr.

Kalt pfiff der Wind durch die Straßen der Stadt und Varuna zog ihren Wollmantel fester um sich. Ihre Glieder schmerzten vom Frost. Sie fühlte sich alt.

Ein menschliches Leben zu führen, fühlte sich furchtbar an! Der Weg vom Haus ihrer Tochter zu ihrem Heim war nicht sehr lang, aber es reichte, dass sie komplett durchgefroren war, als sie ihre Wohnung betrat.

Sie legte den Mantel ab und wärmte sich die steifen Finger am Kaminfeuer. Leicht wehmütig wünschte sie sich, auch hier in der Menschenwelt würde ewiger Sommer herrschen. Wie in Namra. Ihren Enkelkindern würde das bestimmt gefallen!

***

Panisch lief Arman durch den Wald. Wie hatten die beiden Mädchen verschwinden können? War ihnen etwas zugestoßen? Am Ende hatten ihre Feindinnen sie vielleicht auch noch entführt?
Tiefer und tiefer lief er in den Wald hinein.

"Charlie! Dajana!", rief er immer wieder, doch seine Stimme verhallte ungehört in der Dunkelheit.

***

Argos hatte sich unterdessen schon weit von den anderen entfernt und die Rufe seines Bruders erreichten ihn nicht mehr.
Entgegen seinen Äußerungen war er sich nicht ganz so sicher, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Doch die Begegnung mit Dvalin hatte ihm nochmal vor Augen geführt, wie nutzlos er für diese ganze Unternehmung war.
Alle in der Gruppe hatten magische Fähigkeiten, mit denen sie die Dunkelheit würden aufhalten können. Nur er nicht.
Falls Dajana etwas zustoßen würde, konnte er nur tatenlos zusehen. Und das wollte er nicht.

Frustriert trat er einen Fichtenzapfen vor sich her. Seine Eltern würden nicht begeistert sein, dass er alleine zurückkehrte, das war sicher. Aber warum sollte er sich denn überhaupt vor den anderen erklären müssen? Er war kein kleines Kind mehr!

Plötzlich unterbrach ein ungewohntes Geräusch seine Gedanken.
Ein Rauschen kam näher. Es hörte sich viel dumpfer an, als eine einfache Windbö, die durch die Blätter raschelte.
Argos kniff die Augen zusammen und hob seine Laterne. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.

Und zu recht! Auf einmal baute sich vor ihm ein Fluchgeist auf. Ein Fleck, der noch viel dunkler schien als die nachtschwarze Umgebung.
Bedrohlich waberte der Schatten näher und näher. Das Rauschen dröhnte nun in seinen Ohren.
Argos war starr vor Schreck.

Als der Fluchgeist ihn erreicht hatte, konnte er fühlen, wie eine stechende Kälte in seine Glieder kroch, doch noch immer konnte er sich nicht bewegen.
Das Tosen kroch in seinen Kopf und als der Frost seine Muskeln krampfen ließ, schrie Argos vor Schmerz laut auf und sank zu Boden. Er konnte nichts mehr sehen und auch seine eigenen Schreie hörte er nicht mehr.

Das war's dann, dachte er verbittert. Es war eine dumme Entscheidung gewesen, einfach so zu gehen. War das das Schicksal, dass sie alle ereilen würde, falls Arman, Dajana und die anderen scheiterten? Er hätte bei ihnen bleiben sollen - irgendwie helfen können.
Das Atmen fiel ihm immer schwerer und schon bald konnte er seine Hände und Füße nicht mehr spüren.

Dajana, ich kann verstehen, warum du nichts mit diesen Schatten zu tun haben willst.

Und dann wurde es plötzlich still und der Druck auf seinen Lungen war fort. Verzweifelt schnappte Argos nach Luft und fiel mit dem Gesicht in den feuchten Waldboden.

***

Irgendwie hatte Natascha Yaga dann doch überzeugen können.
Von einer Sekunde auf die andere stand Dimitri nicht mehr in seiner Zelle, sondern wieder in der geräumigen, hellen Höhle von vorher.

✓ Die Sieben Siegel // Armans GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt