Wortlos fahren wir durch die nächtlichen Straßen Helsinkis. Gelegentlich benenne ich ihr einige wichtige Gebäude, an denen wir auf dem Weg zur Innenstadt, wo sich die meisten Musikbars und Kneipen befinden, vorbeikommen. Jedoch kommt nie mehr wie ein zustimmendes Murmeln. Unbeirrt mache ich jedoch weiter und lasse sie zicken. Wenn sie das jetzt braucht, dann soll sie es eben machen.
Ich beschließe, darauf einfach nicht einzugehen, womöglich wird ihr das eigene Verhalten ja irgendwann dann selbst zu blöd. Abwarten! Ich kann damit leben, und meinem Freund da unten in der Hose tut eine Ruhepause, nach den letzten Hochdrucktagen, auch mal gut. Er und auch meine Finger, standen kurz davor, Schwielen anzusetzen. Also kann ich über ihr derzeitiges biestiges Benehmen direkt froh sein.Am Zielparkplatz angekommen, öffne ich ihr erneut die Tür, und bin über das „Danke!“ aus ihrem Mund völlig geplättet. Sie hat ja doch so etwas wie Manieren. „Da lang.“ dirigiere ich sie in Richtung der ersten Bar. Dort angekommen, öffnete sich gerade die Tür, da ein Gast herauskommt. Ich lasse ihr den Vortritt und betrete hinter ihr den Eingang. Da wir noch relativ früh dran sind, ist die Bar noch relativ leer. Es sind noch Sitzecken, sowie Plätze an der Theke frei. „Wo wollen sie sitzen?“ überlasse ich ihr die Platzwahl. Zum ersten Mal, seit wir das Restaurant verlassen haben, wirft sie mir einen Blick zu, überlegt kurz und entscheidet sich dann für eine Sitzecke in der Nähe der Theke.
Sie besteht aus einer halbrunden Bank aus Leder, auf die man nur von einer Seite kommt, davor befindet sich ein Tisch, da man hier auch Kleinigkeiten zu essen bekommen kann. Sie rutscht durch und setzt sich an das eine Ende der Bank. Ich bleibe demonstrativ an dem anderen Ende, wobei das sicher nicht mehr lange so bleiben wird, wenn sich die Bar füllen sollte. Bei der bald vorbeikommenden Bedienung bestellt sie sich einen Caipirinha, ich bleibe beim Bier, da ich einen klaren Kopf behalten will. Ich frage mich, ob sie sich möglicherweise Mut antrinken muss, doch wenn ja, wofür? Allerdings schiebe ich den Gedanken gleich wieder zur Seite.
Auf dem Schild am Eingang habe ich gesehen, dass die Band, welche heute hier auftritt, eine sehr vielversprechende Nachwuchsband ist, mit der Mikko und ich schon mal in Kontakt getreten waren und ihnen eine Zusammenarbeit angeboten hatten. Wir hatten vor, demnächst erneut mit ihnen Verbindung aufzunehmen. So war dies nun ein glücklicher Zufall, denn nun kann ich die Gelegenheit nutzen und noch vor ihrem Auftritt kurz mit ihnen reden.
Einen Moment bin ich versucht Tamara zu fragen, ob sie mit hinter die Bühne will, doch dann entscheide ich mich dagegen. Soll sie doch selbst schauen, wie sie mit den Leuten klarkommen wird, die ganz sicher einen Platz an unserem Tisch bekommen möchten. „Ich gehe kurz hinter die Bühne, um mit der Band zu reden. Sie sind interessant für uns. Bleiben sie hier. Bin bald wieder da.“ unterrichte ich sie knapp von meinem Vorhaben, lasse ihr jedoch keine Zeit darauf zu reagieren. Ihren überraschten und leicht panischen Blick nehme ich ihm Davongehen mit einer gewissen Genugtuung wahr. Mit einem Schmunzeln mache ich mich auf den Weg zur Band. Da ich in dieser Bar nicht gerade unbekannt bin, habe ich dabei keine Probleme zu erwarten.
Nachdem ich mit den Jungs ein kurzes Gespräch geführt, ihnen nochmals unser Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet hatte, wünsche ich ihnen noch viel Spaß und Erfolg für ihren heutigen Gig und begebe mich wieder zurück zu Tamara. Die wird gerade auf eine ziemlich aufdringliche Art von einem langhaarigen Typen, dem man den Suff schon von zehn Meter Entfernung ansieht, angebaggert. Er scheint ihre Abfuhr nicht akzeptieren zu wollen, denkt wahrscheinlich, dass es ihre Masche ist, denn er lässt sich von ihrem bösen Gesichtsausdruck und den Händen, mit denen sie ihn versucht sich vom Leib zu halten, nicht abschrecken. Immer wieder versucht er sie zu sich heranzuziehen.
Kurz bin ich versucht, sie noch eine Weile ihrem Schicksal zu überlassen und abzuwarten, ob sie ihn selbst los wird, doch dann siegt meine noch immer für sie vorhandene Sympathie. Als ich auf den Tisch zukomme, wirft sie mir kurz einen verzweifelten, flehenden Blick zu. Sie ist offenbar wirklich nicht mehr Herr bzw. Frau der Lage, deshalb beschleunige ich meinen Schritt. Angekommen, ziehe ich den Typen, dessen Alkoholfahne drei Meter gegen den Wind zu riechen wäre, bestimmt von ihr fort. „Hei, lass die Finger von meiner Lady. Du wilderst in fremden Revier. Mach dass du Land gewinnst, sonst sorge ich dafür, dass du hier rausfliegst.“ mache ich ihm auf finnisch klar.Er will schon aufbegehren, doch mein entschlossenes Gesicht und die Tatsache, dass ich, ihn am Schlawittchen, die Bank verlasse, lässt ihn zur Einsicht kommen. Er wirft noch einen begehrlichen Blick auf Tamara, macht sich aber tatsächlich von dannen. Sein deutlich erhöhter Alkoholpegel kommt mir sicher zugute. Um die Sitzecke herum, sehe ich ein paar betreten dreinschauende Kerle, die sich meinem Blickkontakt sofort entziehen und sich ebenso vom Acker machen.
Als ich nun über die Bank zu Tamara rutsche, sieht sie mir zum ersten Mal an diesem Abend, oder wenn man es genau nimmt, zum ersten Mal überhaupt, richtig in die Augen. Dieser ehrliche, dankbare Blick, in dem ich erneut Verletzlichkeit und Traurigkeit erkennen kann, lässt mich beinahe einbrechen und dahin schmelzen.
Bestätigt mir ein weiteres Mal, dass dieses toughe, biestige Verhalten nur Maskerade ist.
Der Reiz, den Grund dafür herauszufinden, reift weiter in mir. Kurz habe ich das Gefühl, sie war versucht sich in meine Arme zu stürzen, doch ihre Beherrschtheit siegt wieder. Dies und ihr ehrlich gemeintes, beinahe gehauchtes „Danke für die Rettung.“ lassen dieses vorwitzige Anhängsel in meiner Hose kurz zucken. Doch auch meine, mir selbst auferlegte Beherrschtheit, siegen über diesen kleinen hormonellen Ausrutscher.Perfekt getimt, beginnen nun die Jungs mit ihrem ersten Song und ersparen uns eine mögliche peinliche Situation. Sie sind gut und scheinen genau Tamaras Geschmack zu treffen, denn die eiserne Lady beginnt tatsächlich mit der Zeit, erst mit den Füßen, dann mit dem Kopf und später sogar, mit dem Oberkörper im Takt zu wippen. Amüsiert beobachte ich sie immer wieder dabei, was sie jedoch nicht zu bemerken scheint.
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All because of you
FanfictionSamu Haber, Frontman, Sänger und Gitarrist einer finnischen Band, sowie Firmeninhaber einer finnischen Produktionsfirma trifft auf Tamy, eine deutsche Journalistin, die offenbar nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Oder auf die Männerwelt allgemein? ...