Tamara
Als ich in mein Hotelzimmer betrete und hinter mir die Zimmertür schließe, habe ich plötzlich das Gefühl aus einem Traum zu erwachen. War das heute wirklich alles passiert? Samu, der Mann, der mir mein Herz gebrochen und dadurch sicherlich meinem Leben eine gewisse Richtung vorgezeichnet hatte, ist der Held meiner Kindheit. Der Junge, den ich jahrelang verehrt habe und der Mann, den ich jahrelang mehr oder weniger gehasst habe, sind ein und dieselbe Person.
Diese Erkenntnis hat mich tatsächlich aus der Fassung gebracht, denn damit hätte ich nie und nimmer gerechnet. Die Erinnerungen, die mich am See eingeholt haben, haben mich völlig eingelullt. Haben mein logisches Denken ausgeschaltet. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich ihm, nach einer einzeln ausgesprochenen, doch sicherlich ernst gemeinten Entschuldigung, sein Tun von damals offenbar verziehen habe.
Wie könnte es sonst zu erklären sein, dass ich seinem Plan, mich die nächsten Tage zu begleiten, nicht sofort widersprochen habe? Er hat mich schon damals mit seinem Charme eingewickelt. Doch da hatte er ein bestimmtes Ziel vor Augen gehabt. Hat er das auch heute wieder? Wenn ja, was für eines? Kann ich ihm glauben, dass es ihm leid tut und er es wiedergutmachen möchte?
Doch wie kann man so ein Verhalten überhaupt wiedergutmachen? Fragen über Fragen, die mich überfallen, wie ein Schwarm Heuschrecken, und mich nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Ich habe keinen Kopf mehr für mein Gepäck. Der Koffer bleibt ungepackt. Einzig die Kamera verbinde ich wie in Trance mit meinem Laptop und spiele die heute geschossenen Bilder darauf. Ich kann nicht anders, schaue mir jedes Einzelne der Bilder an.
Bei den Bildern vom See bleibe ich hängen und versinke wieder in meinen Erinnerungen. Samu taucht als zwölfjähriger Junge vor meinem Auge auf und bringt ein warmes Gefühl mit sich. Ohne einen Einfluss darauf zu haben, schiebt sich das Bild des 24jährigen Herzensbrechers davor und der Schmerz und die Kälte, die damals mein Herz umschlossen hatte, lassen mich frösteln.
Die Fotos auf dem Bildschirm laufen in einer Diashow vor mir ab und zeigen mitten in mein Gedankenkarussell hinein, ein Bild des heutigen Samus. Dieses Bild hatte ich in einem von ihm unbeobachteten Moment geschossen. Seine Pose ist nachdenklich, er ist tief in Gedanken versunken. Womöglich in einer anderen Zeit. Er sieht vertrauenswürdig aus, doch ist er es auch? Ich würde es gerne glauben. Ich weis es einfach nicht. Mein Herz sagt es mir nicht.
Samu
Die Fahrt nach Hause habe ich wie auf Wolken, mit dem Grinsen eines Honigkuchenpferdes im Gesicht, hinter mich gebracht. Zuhause angekommen, mache ich mich gleich ans Packen. Meine Reisetasche steht im Schlafzimmer immer parat zum Befüllen. Brauche ich sie doch sehr oft, auch mal kurzfristig, für ein von Mikko mehr oder weniger spontan angenommenes Interview. So ist auch heute spontanes Packen angesagt. Geht alles sehr fix bei mir, denn ich habe ausreichend Übung darin.
Währenddessen meldet sich auch endlich mein Handy, mit den Zimmerzusagen, sowohl in Tampere, als auch in Rovaniemi geht alles klar. Also steht unserem gemeinsamen Trip nichts mehr im Wege. Anschließend schaue ich mir noch am Laptop die heute geschossenen Bilder an und bringe doch tatsächlich durch die Bilder von Tamara meinen Unterleib in Wallung. Die Schmetterlinge im Bauch treten in Aktion und dirigieren, wahrscheinlich durch ihr wildes Treiben, das Blut eine Etage tiefer. Sie ist einfach eine heiße Frau, das findet auch mein vorwitziger Kumpel, und führt es mir sofort deutlich vor Augen. Dies bedeutet seit längerem mal wieder eine kalte Dusche für mich.
Da der Flug erst um 14Uhr geht, habe ich am Morgen noch etwas Zeit. Ich nutze sie für ein ausgiebiges Frühstück, das zur Abwechslung mal nicht nur aus mehreren Tassen Kaffee und einer Zigarette besteht. Danach mache ich mich fertig, werfe noch einen letzten Blick über den Inhalt meiner Reisetasche und packe Kamera, Zigaretten, sowie die nötigen Papiere in den Rucksack. Pünktlich auf die Minute mache ich mich auf den Weg zum Hotel um Tamara abzuholen. Ich bin tatsächlich zu früh, deshalb stelle ich mein Auto auf den Parkplatz um ihr entgegenzugegen. In der Hotellobby sehe ich sie an der Rezeption stehen, wo sie offenbar gerade auscheckt. Bevor ich bei ihr ankomme, hat sie schon ihren Koffer gegriffen und kommt mir entgegen. Ich freue mich sehr sie zu sehen, und zeige das deutlich durch mein strahlendendes Gesicht.
Deshalb überrascht es mich sehr, dass ihre Reaktion auf mich eher kühl ausfällt. Ihr gestern noch strahlendes Lachen, ist einem sehr distanziertem Lächeln gewichen. Auch meine Umarmung zur Begrüßung lässt sie deutlich steif über sich ergehen. Diese Erkenntnis versetzt mir einen Stich in die Magengegend und treibt die gerade wieder aufsteigen wollenden Schmetterlinge zurück.
Was war über Nacht passiert?
Was hat die Eisprinzessin wieder aufleben lassen?Tamara
Diese Nacht war wenig erholsam für mich gewesen. Verbrachte ich sie doch mit einem sich ständig drehenden und nicht aufhören wollenden Gedankenkarussell. Immer wieder war ich die Geschehnisse des Tages durchgegangen, hatte über Samus Worte nachgedacht und gedanklich in der Vergangenheit verweilt.
Noch immer weis ich nicht, trotz stundenlangem Abwägen des Für und Wider, ob ich Samu vertrauen kann, ob ich seinen Worten Glauben schenken darf. Ich möchte es, doch nach meinen letzten Erfahrungen mit Männern und auch denen mit ihm, kann ich es einfach nicht. Zumindest jetzt noch nicht. Gegen Morgen war ich dann letztlich zu dem Entschluss gekommen, ihm die nächsten Tage, die ich ja nun mit ihm verbringen werde, die Möglichkeit zu geben, mich zu überzeugen. Doch ich werde, nein, ich kann es ihm nicht leicht machen. Nachdem diese Entscheidung gefallen war, konnte ich tatsächlich noch ein wenig schlafen.
Nach dem Auschecken kommt mir ein strahlender Samu entgegen. Wie gerne würde ich seine Umarmung zur Begrüßung genießen. Doch mein Kopf verbietet es mir. Ich kann seine Verwunderung über meine Distanziertheit deutlich sehen. Auch die Enttäuschung und ein wenig Schmerz ist in seinen Augen zu erkennen. Es tut mir im Herzen weh, dies zu sehen, und ich würde sie so gerne weg wischen, doch mein Kopf ist einfach stärker.
Seine Augen fragen nach dem Warum?, doch er stellt sie nicht. Sichtlich frustriert ergreift er meinen Koffer und geht mit den Worten, „Dann lass uns mal gehen, sonst verpassen wir noch unseren Flieger!“ vor mir her zum Ausgang. Wortlos öffnet er mir die Beifahrertür, lässt mich einsteigen und schließt sie.
An dem lauten Knall, des sich schließenden Kofferraumdeckels, kann ich seinen Missmut über diese Situation erkennen. Auch die Fahrt zum Flughafen verbringen wir schweigend. Seinen Blick richtet er währenddessen stur auf die Straße. Man könnte gerade meinen, der gestrige Tag und die da erlebte angenehme Atmosphäre, hätte nicht stattgefunden.
Ich werde nicht darum herum kommen, ihm mein verändertes Verhalten erklären zu müssen.
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All because of you
FanfictionSamu Haber, Frontman, Sänger und Gitarrist einer finnischen Band, sowie Firmeninhaber einer finnischen Produktionsfirma trifft auf Tamy, eine deutsche Journalistin, die offenbar nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Oder auf die Männerwelt allgemein? ...