14. Ein weiterer Tag

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Samu

Die Rückfahrt ins Hotel war bis zum Schluss in völliger Stille verlaufen. Ihren Blick hatte sie stur nach vorne gerichtet und keinen Ton von sich gegeben. Vorm Hotel angekommen, hat sie tatsächlich ihr Wort doch noch an mich gerichtet. „Danke fürs mitnehmen. War ein interessanter Abend. Und danke fürs wieder zurückbringen.“

Sie hat mir dabei sogar in die Augen geschaut, in denen wieder dieser schwer zu interpretierende Ausdruck zu sehen war. Verstehe mal einer diese Frau! Ich jedenfalls nicht! „Gern geschehen. War mir ein Vergnügen!“ entgegne ich ihr und ernte dafür einen… war er etwa gequält dieser Ausdruck? ...ich bin mir nicht sicher. Ich kann sie so nicht gehen lassen, deshalb frage ich „Und wie sieht nun dein weiteres Programm aus?“, worauf sie kurz zögert, doch dann antwortet „Ich werde mir morgen ein Auto mieten und etwas die Umgebung von Helsinki erkunden. Ich möchte auch einige Fotos machen.“ -  „Ah… okay… da kannst du sicher sehr tolle Bilder machen.“  entgegne ich ihr in wenig einfallsreichen Worten.
Was darauf aber dann aus meinem Mund kommt, erstaunt nicht nur sie. „Ich könnte dich doch fahren und dir einige schöne Plätze zeigen. Dann brauchst du kein Auto zu mieten.“ Ihr überraschter Gesichtsausdruck spricht Bände. „Das brauchst du nicht zu machen. Hast sicher was Besseres zu tun. Aber danke für dein Angebot.“  sind die Worte, die zu erwarten waren, aber ich sicher nicht hören möchte. Mein Mund war schneller als das Hirn und ist es weiterhin, denn er macht selbstbewusst weiter.

„Ich habe morgen noch nichts vor. Kann dir ein paar wirklich schöne Insiderplätze zeigen, wenn du möchtest.“ Ja, und um das Ganze noch zu unterstreichen und ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, setze ich noch nach. „Also ich mach das gerne. Dann hole ich dich um neun Uhr hier ab. Abgemacht?“ Ich habe sie offenbar tatsächlich völlig überrumpelt, denn sie sagt ohne weitere Widerworte zu, steigt aus mit den Worten „Dann bis morgen um neun. Gute Nacht.“ bevor sie die Türe zustößt. Noch immer deutlich überrascht über meinen Vorschlag und ihre Zustimmung, haftet mein Blick an ihrem Rücken, während ich warte, bis sie im Hoteleingang verschwunden ist.

Der Tag morgen wird sicher anstrengend, doch es wird sich sicherlich da die Möglichkeit bieten, mit ihr zu reden. Wollen wir es hoffen.

Die Nacht lässt sich ziemlich unruhig für mich an. Ständig bin ich hin und her gerissen. In der einen Stunde ist mein Kopf felsenfest davon überzeugt, dass der morgige Ausflug mit ihr nur zu einem Desaster werden kann und sie das ganze Nerventheater nicht wert ist. Doch in der nächsten Stunde fährt mein arbeitseifriger Finne deutliche Geschütze auf, um mich davon zu überzeugen, dass der morgige Tag nur gut werden kann, und Madame sehr wohl das Durcheinander wert ist, das sie verursacht. Als es dann endlich Zeit wird Aufzustehen, hat gerade glücklicherweise nicht der Kopf das Sagen, sondern das Gemächt. Ich hätte ja sonst das Ganze abblasen müssen.

Da ich mir gestern Abend schon vorgenommen habe, mit ihr etwas außerhalb von Helsinki in ein nettes kleines Café zum Frühstücken zu gehen, verleibe ich mir nur einen Kaffee ein. Ohne den bin ich nur ein halber Mensch und zu nichts zu gebrauchen. Das Café deshalb, denn dort möchte ich endlich mein Vorhaben umsetzen. Ich hoffe, von ihr dort endlich eine Erklärung für ihr reserviertes, ja schon unfreundliches Verhalten mir gegenüber zu bekommen. Ich werde sie nicht vorher zurückbringen, bevor ich eine erklärende Antwort bekommen habe. Ich bin schon sehr gespannt, was sie mir sagen wird. Auch darüber habe ich in dieser Nacht immer wieder gegrübelt.

Alles Mögliche kam mir da in den Sinn. Ich habe mir sogar den Kopf darüber zerbrochen, ob ich sie womöglich schon früher mal gekannt hatte. Sie möglicherweise eines meiner Betthäschen in meiner Sturm und Drangzeit gewesen war. In meinen Zwanzigern hatte ich nichts anbrennen lassen. War ziemlich gut unterwegs, was Partys und Mädels anging. Doch damals war ich nicht in Deutschland unterwegs, das war erst später der Fall. Also, wo hätte ich ihr dann über den Weg laufen sollen? Ich denke nicht, dass sie bisher schon mal in Finnland gewesen war. Es machte auf mich nicht den Eindruck, als ob.

Versehen mit einer meiner besten Jeans und meinem Lieblingshemd über einem weißen T-Shirt, mache ich mich nun auf den Weg zum Hotel. Voller Stolz darüber, dass ich es schon wieder geschafft habe, überpünktlich zu sein, komme ich zufrieden am Hotel an. Scheinbar übt sie womöglich einen positiven Einfluss auf mich aus. Mikko wäre begeistert, wenn er dies wüsste, denn, wie schon einmal erwähnt, habe ich es eigentlich nicht so mit der Pünktlichkeit. Sie ist noch nicht da, deshalb stelle ich mein zweitbestes Stück auf dem Hotelparkplatz vorm Eingang ab und warte. Allerdings kommt sie keine fünf Minuten später zur Drehtür heraus und schaut sich suchend um. Um sie auf mich aufmerksam zu machen, hebe ich meine Hand und winke. Wenn ich mich nicht geirrt habe, und das habe ich mich sicherlich, anders kann es nicht sein, hat sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht geschlichen, als sie mich entdeckt hat. Als sie vor mir steht ist davon zumindest nichts mehr zu sehen.
„Guten Morgen. Danke, dass du tatsächlich da bist.“ Sie hält mir die Hand zum Gruß entgegen und bringt mich, nicht damit, sondern mit ihren Worten, etwas aus der Rolle. Kurz bin ich unschlüssig, wie ich darauf reagieren soll. Entscheide mich aber, dazu, es geflissentlich zu überhören.

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