26. Ein wundervolles Gefühl

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Tamara

Eine Weile beschäftigen wir uns noch mit dem Fotografieren der Landschaft und auch uns gegenseitig. Doch so ganz bin ich nicht bei der Sache. Immer wieder wandern meine Gedanken zu unserem klärenden Gespräch von vorhin. Und noch etwas anderes lenkt mich ab. Ich vermisse seine Berührungen, seine Hände auf meinen und das angenehm wohlige Gefühl, das sich in mir dadurch ausgebreitet hat. Nachdem wir dann genug Bilder geschossen haben, beschließen wir uns an den Abstieg zu machen. Auf unserem Plan steht ja noch der Besuch von Vaanta.

Samu geht voraus und dreht sich immer wieder zu mir um. Dann, wie kann es anders sein, wird mir die Stelle von zuvor, wieder zum Verhängnis. Wieder trete ich offenbar auf einen losen Stein und rutsche. Sofort ist Samu bei mir und fängt mich erneut fürsorglich auf. Ein weiteres Mal liege ich in seinen Armen, die mich beschützend umfangen. Ich kann nicht anders, als mich an seine starke Brust zu schmiegen. Von dort möchte ich gar nicht mehr weg. Es ist einfach ein zu schönes Gefühl, das ich schon viel zu lange nicht mehr fühlen durfte. Ich fühle mich geborgen und beschützt. Doch so können wir nicht ewig stehen bleiben, leider. Langsam trenne ich mich von ihm und vernehme doch tatsächlich ein bedauerndes Seufzen.

„Lass uns weitergehen, wir können nicht ewig hier stehen bleiben.“ bemerke ich, auch wenn ich jedoch liebend gerne noch weiterhin so verweilt wäre. „Ja, du hast recht.“ Das Bedauern in seiner Stimme versucht er gar nicht erst zu unterdrücken. Ja und dann streckt er mir seine Hand entgegen, die ich, ebenso wie er, ohne Worte mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, ergreife. Als wäre es das Normalste auf der Welt, laufen wir nun Hand in Hand den Berg hinab. Selbst dort, wo es eben und nicht mehr unwegsam ist, lässt er meine Hand nicht los. Im Gegenteil, sein Daumen streicht unablässig über mein Handgelenk und schickt immer wieder zarte Wellen des Wohlgefühls in meinen Körper. Es fühlt sich gut an. Meine Hand in seiner. Es fühlt sich einfach richtig an.


Samu

Welch ein Glück, dass sie tatsächlich noch einmal an derselben Stelle wie zuvor gestolpert ist, so habe ich die Möglichkeit, sie erneut, sogar ohne mir eine Taktik überlegen zu müssen, in meinen Armen zu halten. Es ist einfach nur herrlich, ihren zarten Körper halten zu können, ihren angenehmen Duft, der sich mir schon jetzt fest eingeprägt hat, einzuatmen. Ewig hätte ich sie so halten können und wäre dessen sicher nicht müde geworden. Doch sie hat leider recht. Irgendwann müssen wir auch mal wieder runter. Doch wenigstens ihre Hand kann ich noch fassen und die lasse ich den ganzen Weg lang nicht mehr los.

Als wir nochmals am Mökki ihrer Großeltern vorbei kommen, bleiben wir stehen und hängen, jeder für sich, ein weiteres Mal den Kindheitserinnerungen nach. „Es war eine schöne Zeit, damals in den Sommern, auf dem See.“ erwähnte sie in die Stille, und blickte dabei unverwandt zur Seemitte. „Ja, das war es.“ Ich konnte dieses kleine bisschen Sehnsucht in der Stimme nicht verhindern. „Weißt du eigentlich,“ spricht sie weiterhin mit Blick zum See,  „dass du damals mein großer Held warst?“ Das Schmunzeln, das sich bei ihren Worten in mein Gesicht schleicht, kann ich, als ich ihren Kopf mit zwei Fingern unter dem Kinn zu mir drehe, nicht verstecken.

„Ja, ich weiß. Du warst in diesen Tagen wie eine kleine Schwester für mich. Ich musste dich einfach beschützen. Du warst so süß, wenn du diesen Schmollmund gemacht hast, nachdem dich die andern immer wieder ins Wasser geschmissen haben.“ Sanft streichen dabei meine Finger über ihre Lippen und zeichnen deren Form nach, als sie urplötzlich diesen Schmollmund macht. Gott, wie gerne würde ich jetzt meine Lippen darauf legen. Doch ich belasse es bei meinen Fingerkuppen. Ein Blick in ihre Augen zeigt ein kleines bisschen Enttäuschung. Sie hatte offenbar den gleichen Gedanken. So lege ich meine Finger, die eben noch auf ihren Lippen gelegen hatten, auf meine, gebe einen Kuss darauf und lege sie wieder zurück auf ihre. Völlig baff, denn damit habe ich nun nicht gerechnet, verfolge ich die Bewegung ihrer rechten Hand, mit der sie meine Geste von eben wiederholt. Zart spüre ich ihre Fingerkuppen auf meinen Lippen. Unglaublich wie mich diese Frau heute Stück für Stück überrascht und aus der Fassung bringt. 


Tamara

Mit diesem angedeuteten Kuss eben, hat er mich eiskalt erwischt. Der Schmetterlingsschwarm, der sich schon vor längerer Zeit in meinem Bauch zur Ruhe gelegt hat, ist tatsächlich wieder zum Leben erwacht. Es wuselt und flattert, ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr kannte. Dies verleitet mich dazu, seine Geste zu wiederholen. Es ist toll, dieses wundervolle Gefühl einmal wieder zu spüren, doch schleicht sich auch ganz langsam durch ein Hintertürchen diese Angst, einmal mehr verletzt zu werden, wieder herein. Ich will das jetzt nicht, will nicht weiter denken, will einfach für diesen Moment, diesen Tag leben. So ergreife ich seine Hand, um weiter zu gehen. Um vor diesen Erinnerungen und diesem Gefühl davon zu laufen. Und tatsächlich, als wir an seinem Auto ankommen, ist dieses Gefühl weg. Samu hat auch während der restlichen Wegstrecke meine Hand nicht ausgelassen.

Nachdem er mir wieder gentlemanlike ins Auto geholfen hat, fahren wir weiter nach Vantaa. Zuerst entführt Samu mich in ein schnuckeliges Restaurant. Wir wurden von einem Kellner augenzwinkernd an einen kleinen Tisch, etwas abseits, für zwei Personen, geführt. Dort sitzen wir uns nun gegenüber, warten auf das Essen und sehen uns in die Augen. Er hat wieder meine Hände ergriffen und spielt mit meinen Fingern.

Seine fesselnden blauen Augen, die so tiefgründig erscheinen, halten mich gefangen, während er zu mir spricht. „Tamara, ich bin so froh, dass du mir diese Chance gibst. Ich kann nur immer wieder sagen, wie leid…“ mit meinem Finger auf seinen Lippen unterbreche ich seine erneute Entschuldigung. „Nein Samu, bitte lass es gut sein!“ Ich möchte einfach nicht mehr darüber reden und nachdenken. Möchte diesen Augenblick nun genießen. Ganz lässt er sich allerdings nicht unterbrechen, denn er spricht weiter. „Seit unserer Begegnung in Berlin, die für mich weniger erfreulich war. Naja, es war eine bühnenreife Abfuhr, die du mir da erteilt hast…“ Er unterbricht sich selbst, da er bei der Erinnerung daran selbst lachen muss. Ich stimme darin ein, denn diese Begegnung ist mir auch noch gut im Gedächtnis.

„Also was ich sagen will, seither spuckst du ständig in meinem Kopf herum. Um ehrlich zu sein, nicht nur da!“ Bei seinem letzten Satz zieht er seine Augenbrauen nach oben, was mir Erklärung genug ist. Holla! Dass er dies seinem Kumpel erzählt, ist nicht weiter verwunderlich, doch, dass er es mir gegenüber eingesteht, hätte ich nicht vermutet. Wieder hat er mich überrascht und dadurch ein Stückchen mehr von mir eingenommen. Er umschließt meine Hände mit seinen und zieht sie nach oben, setzt unsere Unterarme auf den Ellbogen ab. So sitzen wir einen Augenblick, bevor er nochmals weiter spricht. Noch immer fixiert er meinen Blick, als wolle er ja keine meiner Reaktionen verpassen.

„Tamara, ich möchte dich kennenlernen. Richtig kennenlernen. Erfahren, was dir im Leben wichtig ist. Was du magst und was nicht. Was du dir vom Leben erwünschst. Ich möchte, dass du mich daran Teil haben lässt. Darf ich das?“ Sein Blick ist bittend, beinahe schon etwas flehend, als er meine rechte Hand zu seinem Mund führt und auf jeden einzelnen Fingerknöchel einen zarten Kuss haucht. Jede dieser Berührungen jagt mir einen Schauer am Körper entlang. Er schafft es, mir eine Gänsehaut zu verpassen. Ich kann nicht anders, als ein heiseres „Ja, du darfst!“ zu hauchen. Darauf führt er noch einmal meine Hand an seine Lippen, dieses Mal mit einem strahlenden Lächeln, das mein Herz erwärmt.

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