Als Ana die Höhle betrat blieb sie wie angewurzelt stehen. Ryan stand vor dem Bild, welches sie für ihn gemalt hatte. Er stand einfach da ohne seinen Blick von dem abzuwenden was sie erschaffen hatte. Während sie es gemalt hatte waren ihr tausende Gedanken durch den Kopf gegangen. Was wenn er es hassen würde nun jeden Tag ihr Gesicht sehen zu müssen und immer wieder aufs neue daran erinnert zu werden was er verloren hatte? Oder würde es ihn glücklich machen einen Ort zu haben an dem ihr Bild noch immer irgendwie außerhalb seiner Erinnerungen existierte? Sie wusste wie es sich anfühlt einen geliebten Menschen zu verlieren. Und umso mehr wusste sie, wie sehr es schmerzte wenn dieser Mensch selbst in der stärksten und schönsten Erinnerung langsam zu verschwinden beginnt. Das Gesicht ihrer Mutter war schon lange nur noch ein Schemen ihrer Erinnerungen. Sie hatte sich ihr Leben lang nichts mehr gewünscht als ein Foto um der Frau die sie zur Welt gebracht hatte wieder ein Gesicht zu geben. Ein Video um den Gute Nacht Geschichten an die sie sich erinnerte eine Stimme zu geben. Oft hatte ihr Vater mit ihr und ihren Brüdern nach der Jagd am Lagerfeuer gesessen und von ihr erzählt. Wie gebannt lauschten sie seinen Geschichten auch wenn sie diese schon längst auswendig mitreden konnten. Jedes noch so kleine bisher unbekannte Detail brachte sie ein kleines Stück näher zu ihr.
Sie schüttelte die Gedanken ab ehe sie vollends von ihnen eingenommen werden konnte. Stattdessen konzentrierte sie sich wieder auf Ryan. Dieser hatte seinen Blick noch immer nicht von dem Bild seiner Schwester abgewendet. Ethan stand neben ihm und tat es ihm gleich. Langsam trat sie näher. Sanft legte sie ihre Hand in Ryans welche schlaff an ihm herunter hing. Er sah zu ihr hinab und lächelte sie an ehe er ihren Griff erwiderte. Der Blick mit dem er sie bedachte war jenseits ihrer Vorstellungskraft. Er war voller Schmerz gepaart mit einer tiefen Zufriedenheit. Er hatte nun endlich eine Ort an dem er seine Trauer verarbeiten und Alice ein bisschen näher sein konnte.
Sie hatte ihrem Freund ein Geschenk gemacht von dem sie niemals gedacht hätte dazu in der Lage zu sein. Sie hatte es ohne jegliche Hintergedanken getan. Sie empfand keine romantischen Gefühle für den Jungen der grade überwältigt von Gefühlen ihre Hand hielt. Und sie wusste, dass er dies auch nicht tat. Sie waren Freunde und sie wollte, dass er glücklich war.
,,Als ich Alice das erste Mal gesehen habe, saß sie auf einem Baumstumpf etwas entfernt von den Höhlen. Sie hatte einen langen Stock in der Hand und malte irgendwelche kaum zu erkennenden Bilder in die Erde. Ich fragte sie, was es werden sollte wenn es fertig war. Ihr hättet ihren Blick sehen sollen. Sie schaute mich an als ob ich sie nicht mehr alle hätte. ‚Ein Fluchtplan natürlich!', hatte sie geantwortet. Ich fragte sie, wie dieser aussehen sollte woraufhin sie mir in einem viertelstündigen Vortrag in jeder Einzelheit ihren ausgearbeiteten Plan ausführte. Das meiste machte nicht wirklich Sinn. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht ihr zu sagen, dass man auf der Insel wohl kaum rosa Einhörner finden würde, welche uns alle übers Meer nachhause fliegen würde.'', begann Ethan amüsiert zu erzählen. Ryan brach in Gelächter aus ehe er ein: ,,Das sieht ihr ähnlich.'' hinzufügte. Ana betrachtete Ethan interessiert. Sie hatte diese Seite von ihm bisher noch nicht erlebt. Er wirkte fast einfühlsam. Ein schiefes Lächeln hatte sich auf seine vollen Lippen gelegt. Sein Blick wechselte von Ryan zu ihr und er bemerkte, dass sie ihn musterte. Schnell wendete sie den Blick ab und richtete ihren Blick wieder auf das Bild des kleinen aufgeweckten Mädchens voller Fantasie, welches leider viel zu früh von ihnen gegangen war.
,,Irgendwann habe ich am Feuer gesessen muss wohl ziemlich traurig ausgesehen haben. Ich weiß noch, dass ich mir Gedanken über unsere Situation gemacht habe. So wie wir es alle zwischendurch tun.'', die beiden Männer zu ihrer rechten nickten kurz ehe Ana fortfuhr. ,,Alice setzte sich neben mich und fragte warum ich traurig sei. Ich antwortete ihr, dass ich es selbst nicht so genau wüsste und das Erwachsene nun mal ab und zu traurig sind. Plötzlich zog sie eine so alberne Grimasse, dass ich einfach laut loslachen musste. ‚Jeder ist mal traurig. Und jeder brauch jemanden der einen wieder glücklich macht.', sagte sie und grinste mich einfach nur an. Die Kleine war einfach etwas ganz besonderes.'', Ana bemerkte, dass sich die Höhle langsam füllte. Immer mehr Menschen versammelten sich um das Bild von Alice und erzählten von ihren kindlichen, jedoch sehr zutreffenden, Weisheiten. Andere brachten ihren Humor der sie ständig unterhalten hatte zur Sprache. Als Ana Ryan ein weiteres mal musterte bemerkte sie, dass seine Augen sich mit Tränen zu füllen begannen. Sie legte die Arme um ihn und zeigte ihm so, dass es okay war. Er brauchte seine Gefühle nicht länger zurück halten. Dieser Augenblick gehörte allein ihm und Alice.
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Long way home
Teen Fiction,,Ihr kommt hier her, fällt unsere Bäume, fischt unsere Fische und jagt unser Fleisch. Ihr denkt alles gehört euch, aber so läuft das nicht!", ihr fester Blick fixierte seinen. ,,Denkst du ich will hier sein? Ich würde auch lieber Zuhause sein als m...