23. Kapitel

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            Das Problem war allen bekannt. Phil würde wieder kommen. Im Moment war es mir aber egal. Ich umarmte Lorcan und die Rudelmitglieder waren nicht wirklich ernsthaft verletzt worden. Das reichte mir. Ich schmiegte mich weiter an sein warmes Fell und sog seinen Geruch in mich auf. In dem Moment begriff ich, dass meine Gefühle für ihn echt waren und seine für mich auch. Grundsätzlich hatte es nichts mit dem Bund zu tun.
          Er liebte mich. Das spürte ich jeder Faser meines Körpers. Gerade als ich mich noch enger an ihn schmiegen wollte, gab er einen komischen Laut von sich. Fragend sah ich ihn an. Lorcan deutete mit seinem Kopf in eine Richtung. Er schien mir zu deuten, dass ich mich von ihm lösen sollte. Also tat ich es. Fragend musterte ich den Wolf vor mir, der irgendwie zu einem Busch wanderte. Kurz darauf wurde mir bewusst, was er tun wollte.
         Also wartete ich. Während ich wartete, sah ich zu den Männern, die sich gegen Phil gewandt hatten. Ich wusste nicht, ob man ihnen trauen konnte. Bei Phil konnte man nie wissen. Da aber alle ruhig blieben, blieb ich es auch. Deswegen wartete ich einfach ab. Kurz darauf kam Lorcan in seiner menschlichen Gestalt wieder. Er trug ein einfaches Hemd, dass er offen gelassen hatte und eine Jeans, die so eng an seinen Muskeln lag, dass ich befürchtete, sie könnte reißen.
         Doch das war immer weniger wichtig, als er näher kam. Lächelnd schlang ich meine Arme um ihn und betete meinen Kopf auf seine halbnackte Brust. Sofort schlang er seine starken Arme um mich und schien mich somit von der Außenwelt abzuschirmen. Schniefend drückte ich mich an ihn. »Ich hatte solche Angst um dich«, wisperte ich. Ich wusste nicht mehr, ob ich es schon gesagt hatte. Mir war es nur wichtig, dass er das wusste.
           Egal, wie oft ich es sagen musste. »Ich weiß, Nera«, hauchte er und strich über meinen Rücken. Lächelnd schmiegte ich mich an ihn und genoss seine Zuneigung. Ich wusste, dass sie uns anstarrten aber es war mir egal. Ich wollte ihn nicht loslassen. Nicht jetzt. Vielleicht auch später nicht. Ich musste ihn einfach festhalten um zu wissen, dass er noch am Leben war. Dass ihm nichts passiert war.
         Ein Zittern durchfuhr meinen Körper, als ich daran dachte, was beinahe passiert wäre. Ich hätte ihn beinahe verlieren können. Einfach so. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. »Shh. Ich bin da. Du musst nicht zittern«, flüsterte er und strich sanft über mein Haar. Genießerisch schloss ich die Augen und wollte nicht mehr, dass er aufhörte. »Ich weiß, aber ich hatte Angst«, meinte ich. Lorcan nickte und drückte mich enger an sich.
         »Das hättest du nicht haben müssen. Ich kann gut auf mich aufpassen«, meinte er. Ich rollte mit den Augen und tat das einzige, das ich in dem Moment tun konnte. Ich biss ihm als Antwort in die Brust. Überrascht keuchte er auf und als ich zu ihm nach oben sah, erkannte ich, dass sein Blick dunkler geworden war. Seine Augen, die sonst schon so dunkel waren, waren jetzt schwarz.
           Ohne etwas zu sagen hob er mich einfach hoch, so dass ich gezwungen war meine Beine um seine Hüfte zu schlingen, um zumindest einen kleinen Halt zu finden. Sicher war ich mir da aber nicht. Ich sah die Blicke der anderen. Hayes grinste sich einen ab, Lucie strahlte über beide Ohren und selbst Milan grinste schief. »Ich kläre das mit den Männern, Lorcan. Keine Sorge«, sagte Milan. Lorcan gab nur ein Brummen von sich, während sein Blick weiter auf mir lag. Er sah mich wieder mit dieser Begierde und Lust in den Augen an. Das löste ein wohliges Kribbeln in mir aus.
              Ich spürte es bis tief in die Zehenspitzen. Kaum hatte ich mich versehen, trug er mich nach drinnen und trug mich nach oben. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich wusste nicht, was er tun wollte und wohin das führen würde. Ich wusste es einfach nicht. Doch ich war bereit es zu erfahren. Lorcan trug mich immer weiter nach oben, bis wir schließlich bei meinem Zimmer ankommen zu schienen.
           Er öffnete irgendwie die Türe. Wie genau, wusste ich nicht. Kaum hatte ich mich versehen, legte er mich auf das Bett. Fragend sah ich an. Dann wanderte mein Blick zu der roten Stelle auf seiner Brust. Dort waren die roten Abdrücke meiner Zähne zu sehen. Als ich wieder nach oben sah, sah er mich bereits an.
           »So willst du also spielen, Nera?«, sagte er mit einer rauen Stimme, die mir einen heißen Schauer über den Rücken jagte. Bevor ich aber antworten konnte, lag er bereits über mir. Lorcan stützte sich mit beiden Händen neben meinem Kopf ab, damit mich sein Gewicht nicht belastete. Mein Herz schlug dreimal so schnell wie sonst. Wenn nicht noch schneller. Ich spürte wie sich die Welt langsam aber sicher anfing zu drehen. Im Raum schien es immer heißer zu werden.
             »Und wenn ich so spielen will? Ich meine, dein Spruch war ja total Macho-mäßig«, erwiderte ich schließlich. Lorcan hob eine Braue und sah mich an. Seine Augen schienen noch dunkler zu werden und ehe ich mich versah hatte er seine Lippen auf meine gepresst. Der Kuss war voller Begierde und Leidenschaft. So wie unser erster Kuss. Nur fühlte sich dieser gleich noch einen Ticken intensiver an. Er war mir so nah und ich lag unter ihm. Und er hätte verletzt werden können.
           Heute hätte alles passieren können. Vielleicht lag es daran. Das wusste ich nicht genau. Doch ich wusste, dass es intensiver war. Alles an diesem Kuss war intensiver. Die Art, wie Lorcan seine Lippen gegen meine bewegte, die Art wie er versuchte mich nicht zu verletzten, indem er sich Gewicht abstützte. Ich wusste, dass mein Beißen ihn so angestachelt hatte. Dabei hatte ich ihm nur zeigen wollen, was ich von diesem Satz hielt. Nämlich nichts. Er war einfach unmöglich dieser Satz. Total daneben. Das wusste er hoffentlich. Davon ging ich jedenfalls aus.
           Er küsste mich immer wilder und die Luft um uns herum schien zu knistern. Meine Haut stand in Flammen und ich krallte mich an seinen starken Armen fest, um Halt zu suchen. Die Welt schien sich nämlich zu drehen, auch wenn ich auf dem Bett lag. Ein tiefer, erotischer Laut kam aus Lorcans Mund, als ich mich in seine Arme krallte. Ein Ziehen machte sich zwischen meinen Schenkeln breit. Noch nie hatte ich so empfunden.
            Lorcan stellte meinen ganzen Gefühlshaushalt auf den Kopf. Plötzlich löste er sich von mir und sah mich schweratmend an. Seine Augen waren noch immer dunkel und ihnen schien ein Feuer zu glühen. »Wenn wir so weiter machen, kann ich den Wolf in mir nicht mehr zurückhalten, Nera«, brachte er heiser hervor. Ich nickte, wusste nicht so ganz, was er damit meinte. Konnte er sich dann nicht mehr zügeln und würde mit mir schlafen oder meinte er etwas anderes?
           »Warum willst du ihn zurückhalten?«, fragte ich leise, vorsichtig. Ich wusste nicht, welche Antwort ich bekommen würde und das machte mir Angst. Für einen Moment sah er mich an, dann sagte er: »Wir haben nie darüber gesprochen, ob du überhaupt meine Gefährtin sein möchtest.« Ich sah ihn mit großen Augen an. Zum ersten Mal in meinem Leben wollte mir ein Mann eine Entscheidung überlassen.
           Phil hätte mich beinahe oder wollte mich noch immer dazu nötigen ihn zu heiraten und Liam hatte mich oft einfach so gezwungen mit ihn zu komischen Rudeltreffen zu gehen, wo die Alten nur Regeln aufgestellt hatten. Da war nie etwas Interessantes dabei gewesen. Nie. Und jetzt gab mir dieser Mann die Chance zu wählen. Bevor ich aber etwas sagen konnte fuhr er fort. »Du wurdest fast dazu gezwungen jemanden zu heiraten, den du nicht liebst. Dabei hast du dein Leben lang Entscheidungen getroffen. Was du essen möchtest, wann du ins Bett gehst, wann du aufstehst. All solche Dinge.«
            Er machte eine kurze Pause und sah mich ernst an. Dann sagte er: »Du wirst auch morgen und übermorgen noch diese Entscheidungen treffen. Du wirst entscheiden ob du rausgehen möchtest, ob du mich willst, ob du hierbleiben willst. Du wirst für den Rest deines Lebens diese Entscheidungen treffen, Nera. Egal ob ich dein Seelengefährte bin oder nicht. Ich würde dich nie zwingen und da ich nicht weiß, was du möchtest, werde ich nicht mit dem ersten Schritt der Bindung anfangen.«

Lorcan - "Sie will zu mir" ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt