18. Kapitel

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          Am nächsten Morgen gönnte ich es mir, mich noch einmal genüsslich umzudrehen. Zwar waren meine Augen offen aber ich genoss die Wärme der Bettdecke und die Ruhe, die noch im Haus war. Es kurz nach 08:00 Uhr. Irgendwann hatte ich es tatsächlich geschafft einzuschlafen. Wann Lorcan mit mir los wollte, wusste ich nicht. Warum an einem Feiertag auch das Training stattfand, wusste ich auch nicht. Doch ich beschwerte mich nicht.
         Ehrlichgesagt freute ich mich eher, zu sehen, wie Lorcans Beta mit den Mädchen trainierte. Und ich fragte mich, zu welchem Laden er wollte, der heute offen hatte. Ich kannte so gut wie keinen Laden, der offen hatte. Doch ich vertraute Lorcans Urteil. Es konnte ja sein. Irgendwie jedenfalls. Ich seufzte, dann glitt mein Blick aus dem Fenster. Die Baumkronen hangen im dichten Nebel. Der Wind peitschte gegen das Haus. Sie sagten schlechtes Wetter voraus, hatte ich das Gefühl.
         Für ein paar Minuten blieb ich einfach reglos liegen und sah hinaus in den Nebel. Zwischen durch konnte man die goldenen, braunen und roten Blätter sehen, die zwischen dem Nebel hervortraten. Ehrlichgesagt sah es wunderschön aus. Das liebte ich am Herbst so. Die verschiedenen Blätter, den Nebel und Halloween. Nur leider war eines dieser tollen Dinge heute und somit dann auch wieder vorbei. Gerade als ich aufstehen wollte, hörte ich, wie eine Tür aufging. Reglos blieb ich im Bett liegen.
           Ich war mir sicher, dass es Lorcan war. Ich dachte daran, was er gestern getan hatte. Wie er mich angesehen hatte und wie er einen Kuss in meine Halsbeuge gedrückt hatte. Allein die Erinnerung sorgte dafür, dass mir heiß wurde. Sehr heiß. Ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte. Das alles war noch so neu für mich, so fremd. Dazu wollte mein Kopf nicht zulassen, dass ich mich in ihn verliebte, allerdings schien das schon längst passiert zu sein.
         Ich wusste, dass das alles nicht nur körperliche Reaktionen auf männliche Nähe waren. Mein Körper würde nie so auf Hayes reagieren. Das wusste ich einfach. Mein Körper reagierte nur auf Lorcan so und dass nicht nur, weil ich wusste, dass wir Seelenverwandte waren. Mein Herz war ihm bereits verfallen. Seine Art und seinem Verhalten mir gegenüber. Seinen dunklen Augen und seinem Lächeln. Ich war ihm verfallen. Nur mein Kopf wollte das einfach nicht zulassen. Überhaupt nicht.
           In dem Moment klopfte es an meiner Zimmertür. Zweimal. Wie immer. Nur Lorcan klopfte so an meine Tür. Woher er wusste, dass ich wach war, wusste ich nicht. Oder er wollte nur testen, ob ich wach war. »Ja?«, fragte ich. Die Tür ging auf und Lorcan trat herein. So wie ich es erwartet hatte. Sein Blick glitt über mich hinweg. Ich war noch immer unter der Bettdecke, die mich vor seinem dunklen Blick abschirmte. »Guten Morgen«, grüßte er mich und sah mich an. Der Hunger und die Begierde waren aus seinen Augen verschwunden. Zumindest fürs Erste.
           »Ich wollte nur sehen, ob du schon wach bist. Ich wollte so nach dem Frühstück los, wenn das okay ist. Dann können wir vorher einkaufen und danach noch zum Training«, erklärte Lorcan mir. Ich nickte. »Okay. Ich hab nur eine Frage.« Er runzelte die Stirn und schien auf meine Frage zu warten. »Warum trainieren die Mädchen an einem Feiertag?« Ein kleines Grinsen huschte über seine Lippen. »Sie wollten das so. Sie wollen keinen Tag verschwenden. Außerdem können sie ja trotzdem ausschlafen«, antwortete Lorcan mir.
           Wenn sie das freiwillig taten, bedeutete das wohl, dass ihnen der Sport sehr wichtig war. Mehr als nur wichtig. Es freute mich, dass kleine Kinder noch so eine große Freude an Sport fanden. Leider kannte ich nicht sehr viele Leute, die sich so für Sport begeisterten und einfach alles dafür tun würden. So etwas war sehr selten und es freute mich, dass es noch Kinder gab, die sich so auf etwas freuten.
          »Wann gibt es Frühstück? Nur damit ich weiß, wie ich mich fertig machen muss«, fragte ich dann und sah ihn an. Sein dunkler Blick glitt über mich hinweg. Warum genau, konnte ich nicht sagen. Ich wusste nur, dass sein Blick eine heiße, kribbelnde Spur auf meiner Haut hinterließ. Selbst auf den Teilen der Haut, die er nicht sah. »Meistens so gegen 10:00 Uhr, bis alle wach und fertig sind. Du hast also noch genug Zeit, dich frisch zu machen«, meinte Lorcan und grinste mich an.
         Was dieses Grinsen zu beuten hatte, konnte ich auch nicht so ganz sagen. Ich wollte es auch eigentlich gar nicht wissen. Stattdessen nickte ich nur. »Wir sehen uns dann später«, verabschiedete er sich von mir und schon war er wieder aus der Tür hinaus. Als ich sicher war, dass er weit genug weg war, warf ich die Decke von meinem Körper und schwang danach die Beine über die Bettkante. Ich suchte mir einen grauen Strickpulli aus, der die Schultern nicht bedeckte, eine dunkelgraue Jeans, passende Unterwäsche und weiße Socken.
           Damit lief ich dann ins Bad und unterzog mich der täglichen Morgenroutine. Wie so oft eben. Als ich damit fertig war, verließ ich das Bad wieder und lief zurück in mein Zimmer. Inzwischen hörte ich, wie unten die Tür aufging und ein paar Rudelmitglieder hereinkamen, die nicht im Haus schliefen. Es waren eh nicht so viele, die hier im Haus wirklich blieben. Die meisten schienen sich in ihre eigenen Heime zurückzuziehen.

Lorcan - "Sie will zu mir" ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt